2C_1076/2012; 2C_1088/2012: Gemeinden dürfen Ferienwohnungsbesitzer, die ihr Domizil nicht regelmässig vermieten, zusätzlich besteuern (amtl. Publ.)

Das BGer äussert sich in diesem, zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid zur Zuläs­sigkeit ein­er jährlichen Steuer auf Zweit­woh­nun­gen. Im Jahr 2010 nahm die Gemeinde Sil­va­plana eine Änderung des kom­mu­nalen Bauge­set­zes vor. Die neuen Bes­tim­mungen sehen einen Steuer­satz von 2 ‰ auf den Steuer­w­ert von Zweit­woh­nun­gen vor. Nicht steuerpflichtig sind touris­tisch bewirtschaftete Zweit­woh­nun­gen. Gegen diese Geset­zesän­derung gelangten über 100 Eigen­tümer von Zweit­woh­nun­gen an das BGer, welch­es die Beschw­er­den abwies.

Die Zweit­woh­nungss­teuer wird vom BGer als eigentliche Steuer qualifiziert:

Im vor­liegen­den Fall ist festzuhal­ten, dass die Zweit­woh­nungss­teuer von den Pflichti­gen grund­sät­zlich voraus­set­zungs­los erhoben wird. Die Aus­nahme von der Steuerpflicht bei Bewirtschaf­tung des Objek­ts ändert daran nichts. In Erman­gelung eines per­sön­lichen Verpflich­tungs­grunds und ein­er staatlichen Gegen­leis­tung für den geschulde­ten Betrag han­delt es sich bei der Zweit­woh­nungss­teuer jeden­falls nicht um eine Kausal­ab­gabe. […] Nach dem Oben­ste­hen­den überzeugt die von der Vorin­stanz vorgenommene Qual­i­fika­tion, wonach es sich bei der Zweit­woh­nungss­teuer um eine eigentliche Steuer han­delt (E. 5.3).

Der Zweck der Zweit­woh­nungss­teuer beste­he darin, neb­st der Senkung der Nach­frage nach neuen Zweit­woh­nun­gen auch die Aus­las­tung bere­its beste­hen­der Objek­te zu steigern. Für die Erre­ichung dieser legit­i­men Zwecke erscheine die Zweit­woh­nungss­teuer grund­sät­zlich als tauglich­es Mittel.

Das BGer führt weit­er aus, dass der Gemeinde Sil­va­plana — trotz Annahme der Volksini­tia­tive “Schluss mit ufer­losem Bau von Zweit­woh­nun­gen!” — eine fiskalis­che Kom­pe­tenz zum Erlass ein­er Zweit­woh­nungss­teuer zukommt:

Der mit der Annahme der Ini­tia­tive neu geschaf­fene Art. 75b BV bein­hal­tet […] auss­chliesslich eine Beschränkung des Anteils von Zweit­woh­nun­gen am Gesamtbe­stand der Wohnein­heit­en und der für Wohnzwecke genutzten Brut­to­geschoss­fläche ein­er Gemeinde auf höch­stens 20 %. Betr­e­f­fend die Verbesserung der Aus­las­tung beste­hen­der Zweit­woh­nun­gen enthält Art. 75b BV jedoch keine Regeln. […] Insofern wirkt Art. 75b BV nicht als umfassender Lösungsansatz für die Prob­lematik rund um die Zweit­woh­nun­gen und die “kalten Bet­ten”. Aus diesem Grund ste­ht die Bes­tim­mung ein­er kom­mu­nalen Kom­pe­tenz für die Ein­führung der hier im stre­it liegen­den Zweit­woh­nungss­teuer auch nicht ent­ge­gen (E. 7.2).

Zudem könne die Zweit­woh­nungss­teuer mit dem Grund­satz der All­ge­mein­heit der Besteuerung vere­in­bart wer­den. Tat­säch­lich werde der­jenige, welch­er seine Zweit­woh­nung touris­tisch bewirtschaften lasse, selb­st dann von der im Stre­it liegen­den Steuer befre­it, wenn die Woh­nung man­gels Nach­frage während der Sai­son leer bleibe, woge­gen ein Eigen­tümer, welch­er seine Zweit­woh­nung langfristig ver­mi­ete oder während der ganzen Sai­son effek­tiv selb­st benutze, in jedem Fall eine Steuer zu entricht­en habe. Sofern der Zweit­woh­nung­seigen­tümer die Lokalität jedoch touris­tisch bewirtschaften lasse und die Peri­o­den der effek­tiv­en Eigen­nutzung wie jed­er andere über das Reservierungssys­tem der Ver­mark­tung­sor­gan­i­sa­tion buche, schulde er keine Abgabe.

In einem weit­eren Schritt äussert sich das BGer zur Frage der Iden­tität von Zweit­woh­nungs- und Liegenschaftssteuer:

Die Liegen­schaftss­teuer dient primär dem Zweck der Mit­telbeschaf­fung; in zweit­er Lin­ie soll damit den Eigen­tümern die mit den Grund­stück­en ver­bun­de­nen Kosten ange­lastet wer­den […]. Demge­genüber bezweckt die Zweit­woh­nungss­teuer […] ins­beson­dere die bessere Aus­las­tung von beste­hen­den Zweit­woh­nun­gen. […] Weit­er unter­schei­den sich die Zweit­woh­nungss­teuer und die Liegen­schaftss­teuer auch hin­sichtlich des Steuer­ob­jek­ts: Der let­zt­ge­nan­nten Steuer unter­liegen alle in der Gemeinde gele­ge­nen Grund­stücke […]. Das Steuer­ob­jekt der Zweit­woh­nungss­teuer ist demge­genüber ein viel beschränk­teres, fall­en darunter doch von vorn­here­in bloss Woh­nun­gen und von diesen — noch enger — nur die Zweit­woh­nun­gen. Eben­so sehen die geset­zlichen Bes­tim­mungen der Zweit­woh­nungss­teuer einen Aus­nah­metatbe­stand resp. einen Reduk­tion­s­grund beim Nach­weis von touris­tis­ch­er bzw. pri­vater Bewirtschaf­tung vor. Auch in diesem Punkt weicht die Aus­gestal­tung der im Stre­it liegen­den Steuer von der Liegen­schaftss­teuer ab (E. 8.4).

Schliesslich ver­trage sich die Zweit­woh­nungss­teuer auch mit der in Art. 26 BV normierten Eigen­tums­garantie. Zwar lasse sich nicht verneinen, dass die Ein­führung der Zweit­woh­nungss­teuer auf unbe­wirtschaftete Objek­te eine ähn­liche Wirkung habe, wie ein Bewirtschaf­tungszwang, sei es doch ger­ade die erk­lärte Absicht der Gemeinde, durch die Ein­führung der Steuer einen Ver­mi­etungs­druck auf die Eigen­tümer von Zweit­woh­nun­gen zu erzeu­gen, um so die Aus­las­tung zu erhöhen. Insofern sei von ein­er gewis­sen fak­tis­chen Ein­schränkung der sich aus der Eigen­tums­garantie ergeben­den Befug­nisse zu sprechen. Im Lichte von Art. 36 BV (geset­zliche Grund­lage, öffentlich­es Inter­esse, Ver­hält­nis­mäs­sigkeit, unan­tast­bar­er Kernge­halt) sei diese Ein­schränkung jedoch zulässig.

Vgl. dazu auch die Berichter­stat­tung in der NZZ.