Das BGer äussert sich in diesem, zur Publikation vorgesehenen Entscheid zur Zulässigkeit einer jährlichen Steuer auf Zweitwohnungen. Im Jahr 2010 nahm die Gemeinde Silvaplana eine Änderung des kommunalen Baugesetzes vor. Die neuen Bestimmungen sehen einen Steuersatz von 2 ‰ auf den Steuerwert von Zweitwohnungen vor. Nicht steuerpflichtig sind touristisch bewirtschaftete Zweitwohnungen. Gegen diese Gesetzesänderung gelangten über 100 Eigentümer von Zweitwohnungen an das BGer, welches die Beschwerden abwies.
Die Zweitwohnungssteuer wird vom BGer als eigentliche Steuer qualifiziert:
Im vorliegenden Fall ist festzuhalten, dass die Zweitwohnungssteuer von den Pflichtigen grundsätzlich voraussetzungslos erhoben wird. Die Ausnahme von der Steuerpflicht bei Bewirtschaftung des Objekts ändert daran nichts. In Ermangelung eines persönlichen Verpflichtungsgrunds und einer staatlichen Gegenleistung für den geschuldeten Betrag handelt es sich bei der Zweitwohnungssteuer jedenfalls nicht um eine Kausalabgabe. […] Nach dem Obenstehenden überzeugt die von der Vorinstanz vorgenommene Qualifikation, wonach es sich bei der Zweitwohnungssteuer um eine eigentliche Steuer handelt (E. 5.3).
Der Zweck der Zweitwohnungssteuer bestehe darin, nebst der Senkung der Nachfrage nach neuen Zweitwohnungen auch die Auslastung bereits bestehender Objekte zu steigern. Für die Erreichung dieser legitimen Zwecke erscheine die Zweitwohnungssteuer grundsätzlich als taugliches Mittel.
Das BGer führt weiter aus, dass der Gemeinde Silvaplana — trotz Annahme der Volksinitiative “Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!” — eine fiskalische Kompetenz zum Erlass einer Zweitwohnungssteuer zukommt:
Der mit der Annahme der Initiative neu geschaffene Art. 75b BV beinhaltet […] ausschliesslich eine Beschränkung des Anteils von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 %. Betreffend die Verbesserung der Auslastung bestehender Zweitwohnungen enthält Art. 75b BV jedoch keine Regeln. […] Insofern wirkt Art. 75b BV nicht als umfassender Lösungsansatz für die Problematik rund um die Zweitwohnungen und die “kalten Betten”. Aus diesem Grund steht die Bestimmung einer kommunalen Kompetenz für die Einführung der hier im streit liegenden Zweitwohnungssteuer auch nicht entgegen (E. 7.2).
Zudem könne die Zweitwohnungssteuer mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung vereinbart werden. Tatsächlich werde derjenige, welcher seine Zweitwohnung touristisch bewirtschaften lasse, selbst dann von der im Streit liegenden Steuer befreit, wenn die Wohnung mangels Nachfrage während der Saison leer bleibe, wogegen ein Eigentümer, welcher seine Zweitwohnung langfristig vermiete oder während der ganzen Saison effektiv selbst benutze, in jedem Fall eine Steuer zu entrichten habe. Sofern der Zweitwohnungseigentümer die Lokalität jedoch touristisch bewirtschaften lasse und die Perioden der effektiven Eigennutzung wie jeder andere über das Reservierungssystem der Vermarktungsorganisation buche, schulde er keine Abgabe.
In einem weiteren Schritt äussert sich das BGer zur Frage der Identität von Zweitwohnungs- und Liegenschaftssteuer:
Die Liegenschaftssteuer dient primär dem Zweck der Mittelbeschaffung; in zweiter Linie soll damit den Eigentümern die mit den Grundstücken verbundenen Kosten angelastet werden […]. Demgegenüber bezweckt die Zweitwohnungssteuer […] insbesondere die bessere Auslastung von bestehenden Zweitwohnungen. […] Weiter unterscheiden sich die Zweitwohnungssteuer und die Liegenschaftssteuer auch hinsichtlich des Steuerobjekts: Der letztgenannten Steuer unterliegen alle in der Gemeinde gelegenen Grundstücke […]. Das Steuerobjekt der Zweitwohnungssteuer ist demgegenüber ein viel beschränkteres, fallen darunter doch von vornherein bloss Wohnungen und von diesen — noch enger — nur die Zweitwohnungen. Ebenso sehen die gesetzlichen Bestimmungen der Zweitwohnungssteuer einen Ausnahmetatbestand resp. einen Reduktionsgrund beim Nachweis von touristischer bzw. privater Bewirtschaftung vor. Auch in diesem Punkt weicht die Ausgestaltung der im Streit liegenden Steuer von der Liegenschaftssteuer ab (E. 8.4).
Schliesslich vertrage sich die Zweitwohnungssteuer auch mit der in Art. 26 BV normierten Eigentumsgarantie. Zwar lasse sich nicht verneinen, dass die Einführung der Zweitwohnungssteuer auf unbewirtschaftete Objekte eine ähnliche Wirkung habe, wie ein Bewirtschaftungszwang, sei es doch gerade die erklärte Absicht der Gemeinde, durch die Einführung der Steuer einen Vermietungsdruck auf die Eigentümer von Zweitwohnungen zu erzeugen, um so die Auslastung zu erhöhen. Insofern sei von einer gewissen faktischen Einschränkung der sich aus der Eigentumsgarantie ergebenden Befugnisse zu sprechen. Im Lichte von Art. 36 BV (gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit, unantastbarer Kerngehalt) sei diese Einschränkung jedoch zulässig.
Vgl. dazu auch die Berichterstattung in der NZZ.