4A_133/2014: Mieter fallen nicht unter das Regressprivileg von Art. 72 Abs. 3 VVG

Der Mieter ein­er Zweiz­im­mer­woh­nung verur­sachte einen Brand. Die geschädigte Hau­seigen­tümerin war bei der Gebäude­ver­sicherung des Kan­tons Zürich gegen Brand­schä­den ver­sichert. Die Gebäude­ver­sicherung erset­zte der Hau­seigen­tümerin (Ver­sicherungsnehmerin) die Wieder­her­stel­lungskosten mit Zin­sen im Betrag von CHF 55’471. Davon forderte die Gebäude­ver­sicherung CHF 35’000 zuzüglich Zin­sen vom Mieter zurück, der den Anspruch bestritt (Urteil 4A_133/2014 vom 8. Juli 2014). 

Zu entschei­den war, ob der Gebäude­ver­sicherung ein Regres­sanspruch gegen den Mieter zuste­ht. Der Mieter machte gel­tend, er falle nach Art. 72 Abs. 3 VVG in den Kreis der priv­i­legierten Per­so­n­en und könne nicht in Anspruch genom­men wer­den, da er nur eine leichte Fahrläs­sigkeit zu ver­ant­worten habe (E. 4). Das Bun­des­gericht kam indessen zum Schluss, der Mieter könne nicht in das Regresspriv­i­leg von Art. 72 Abs. 3 VVG ein­be­zo­gen wer­den. Die Gebäude­ver­sicherung kon­nte deshalb auf den Mieter regressieren.

Wörtlich hielt das Bun­des­gericht fest (E. 3 und 4.5):

“3. […] Den Ein­wand des Beschw­erde­führers, gemäss dem Regresspriv­i­leg nach Art. 72 Abs. 3 des Bun­des­ge­set­zes über den Ver­sicherungsver­trag (VVG; SR 221.229.1) könne er von der Beschw­erdegeg­ner­in nicht in Anspruch genom­men wer­den, da ihm lediglich leichte Fahrläs­sigkeit vorge­wor­fen wer­den könne, ver­warf die Vorin­stanz sodann. […] Art. 72 Abs. 3 VVG sei […] Aus­druck ein­er all­ge­meinen Regel und beanspruche daher auch Gel­tung für die kan­tonale öffentlich-rechtliche Gebäude­ver­sicherung. Jedoch gehöre der Mieter ein­er Woh­nung nicht zu dem von Art. 72 Abs. 3 VVG erfassten Per­so­n­enkreis. Art. 72 Abs. 3 VVG wolle ver­hin­dern, dass Per­so­n­en in Anspruch genom­men wer­den, die vom Geschädigten sel­ber wegen dessen enger Beziehung zu ihnen nicht in Anspruch genom­men wür­den. Gemeint seien Ehe­gat­ten, Kinder und andere in häus­lich­er Gemein­schaft lebende Per­so­n­en. Dabei gehe es nicht nur um die per­sön­liche Beziehung, son­dern auch um die finanzielle Bindung. Die Beziehung zwis­chen Mieter und Ver­mi­eter habe nicht diese Qual­ität. Der Mieter sei verpflichtet, die Miet­sache sorgfältig zu gebrauchen (Art. 257f Abs. 1 OR) und hafte bei Ver­let­zung dieser Pflicht gemäss Art. 97 Abs. 1 OR. Für diese Haf­tung könne er eine Haftpflichtver­sicherung abschliessen. Die Prämien für die Gebäude­ver­sicherung stün­den nicht mit dem Gebrauch der Miet­sache im Zusam­men­hang, weshalb sie nach zwin­gen­der geset­zlich­er Vorschrift nicht mit allfäl­li­gen Nebenkosten auf den Mieter von Wohn­räu­men über­wälzt wer­den kön­nten (Art. 257b Abs. 1 OR). Daran habe sich vor­liegend die Ver­mi­eter­schaft des Beschw­erde­führers gehal­ten. […] Dies führe im Fall ein­er Haf­tung nach Art. 41 OR auch nicht zu unerträglichen Ergeb­nis­sen, denn anders als im Fall eines Hausgenossen seien keine Gründe ersichtlich, weshalb der Ver­mi­eter bei ein­er schuld­haften Schaden­szufü­gung durch seinen Mieter darauf verzicht­en sollte, diesem gegenüber seinen Schaden­er­satzanspruch gel­tend zu machen.

[…]

4.5. Selb­st wenn auf die Beschw­erde einge­treten wer­den kön­nte, kann der Vorin­stanz nicht vorge­wor­fen wer­den, sie hätte eine Norm oder einen Rechts­grund­satz im Sinn des Willkür­be­griffs krass ver­let­zt. […] Auf die ange­führten Lehrmei­n­un­gen muss nicht näher einge­gan­gen wer­den. Die Vorin­stanz hielt sich an den Wort­laut von Art. 72 Abs. 3 VVG. Zutr­e­f­fend ist auch ihr Hin­weis, dass nicht ersichtlich sei, weshalb der Ver­mi­eter bei ein­er schuld­haften Schaden­zufü­gung durch seinen Mieter darauf verzicht­en sollte, diesem gegenüber Schaden­er­satzansprüche durchzuset­zen, wie es in Bezug auf die vom Wort­laut des Art. 72 Abs. 3 VVG erfassten Per­so­n­en angenomme­nen wer­den könne. Eine solche an Wort­laut und Zweck aus­gerichtete Ausle­gung kann offen­sichtlich nicht willkür­lich sein.”