4A_195/2014 und 4A_197/2014: Aktienrechtliche Rückerstattung (amtl. Publ.)

Dem Bun­des­gericht bot sich in diesem Urteil die Gele­gen­heit, den Tatbe­stand von Art. 678 Abs. 2 OR zu präzisieren. Hin­ter­grund des Beschw­erde­v­er­fahrens bildete der Verkauf eines von ein­er Aktienge­sellschaft gehal­te­nen Aktien­pakets. Die bei­den einzi­gen Ver­wal­tungsräte dieser Gesellschaft beschlossen unter anderem fol­gende Regelung:

Falls der Verkauf­spreis über 4 Mio. CHF betra­gen sollte, erlauben sich die Ver­wal­tungsräte (…) sich jew­eils 1 % des defin­i­tiv­en Verkauf­spreis­es als Prämie für den erfol­gre­ichen Abschluss über­weisen zu lassen. 

Strit­tig vor Bun­des­gericht war zunächst die rechtliche Qual­i­fika­tion dieses Rechts­geschäfts. Die Vorin­stanz war zum Schluss gekom­men, die Ver­wal­tungsräte hät­ten einen Mäk­lerver­trag abgeschlossen. Der gegen diese Qual­i­fi­ak­tion erhobe­nen Rüge kommt jedoch, so das Bun­des­gericht, keine Bedeu­tung zu (E. 6.2):

Ent­ge­gen der Vorin­stanz ist näm­lich im Hin­blick auf Art. 678 OR nicht entschei­dend, ob die strit­tige Son­der­entschädi­gung als vari­ables Ver­wal­tungsrat­shon­o­rar oder als Mäk­ler­pro­vi­sion zu qual­i­fizieren ist. So wer­den denn auch in der Lehre als Gegen­stand von Art. 678 Abs. 2 OR sowohl einzelne Verträge mit einem Missver­hält­nis von Leis­tung und Gegen­leis­tung erwäh­nt wie auch — als eben­so häu­fig anzutr­e­f­fend­er Fall — stark über­set­zte, klar mark­tunübliche Saläre oder andere direk­te oder indi­rek­te Vergütungen.

Art. 678 Abs. 2 OR set­zt unter anderem ein offen­sichtlich­es Missver­hält­nis ein­er Leis­tung zur Gegen­leis­tung voraus. Was die Offen­sichtlichkeit ange­ht, wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass — wie es bere­its in 4A_188/2007, E. 4.3.4 entsch­ieden hat­te — der Geset­zge­ber durch diese Voraus­set­zung sich­er­stellen wollte, dass den Gesellschaften die Ausübung eines geschäftsmäs­si­gen Ermessens über­lassen bleibt (E. 8.2).

Das Bun­des­gericht the­ma­tisierte als näch­stes die in Art. 672 Abs. 2 OR enthal­tene weit­ere Voraus­set­zung des offen­sichtlichen Missver­hält­nis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Es stellte zunächst die in der Lehre vertretene Ansicht dar. Danach ist die Klausel “wirtschaftliche Lage der Gesellschaft” dahinge­hend zu ver­ste­hen, dass die Frage des offen­sichtlichen Missver­hält­niss­es unter Berück­sich­ti­gung der wirtschaftliche Lage der Gesellschaft beurteilt wer­den muss. Darüber, wie dies zu geschehen hat, gehen die Mei­n­un­gen in der Lehre jedoch auseinan­der (E. 9.2). Das Bun­des­gericht erachtete diese Über­legun­gen als grund­sät­zlich zutr­e­f­fend (E. 9.3):

Auch bei guten wirtschaftlichen Ver­hält­nis­sen ste­ht Art. 678 Abs. 2 OR ein­er offen­sichtlichen Begün­s­ti­gung einzel­ner Ver­wal­tungsräte zulas­ten des Gesellschaftsver­mö­gens ent­ge­gen. Durch die bei­den Kri­te­rien des Missver­hält­niss­es zur Gegen­leis­tung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie durch die im Gesetz ver­langte Offen­sichtlichkeit der Missver­hält­nisse wird ver­mö­gen­den Gesellschaften kein Freipass für verdeck­te Gewin­nauss­chüt­tun­gen aus­gestellt. Es soll lediglich eine klein­liche Nachrech­nerei ver­hin­dert und die Entschei­dung im Einzelfall erle­ichtert werden. (…)

Und weit­er (E. 9.3.1):

Dem Kri­teri­um der wirtschaftlichen Sit­u­a­tion der Gesellschaft kommt vielmehr Bedeu­tung zu für das Ermessen, das den Gesellschaften zuge­bil­ligt wird (…). Es fällt in die wirtschaftliche Entschei­dungs­frei­heit der Gesellschaften, ob sie gün­stigere oder weniger gün­stige Vari­anten bevorzu­gen oder sich gegenüber ihren Geschäftspart­nern grosszügig oder klein­lich zeigen. In dieses Ermessen wollte der Geset­zge­ber nicht ein­greifen. Sank­tion­iert wird sowohl bei finanzs­tarken als auch bei finanzschwachen Gesellschaften nur die Über­schre­itung des Ermessens. Der Ermessensspiel­raum ist bei wirtschaftlich guten Ver­hält­nis­sen aber gröss­er. Die grosszügige Abgel­tung ein­er Leis­tung kann bei ein­er finanzs­tarken Gesellschaft noch in deren Ermessensspiel­raum liegen, während darin kein zuläs­siger Ermessensentscheid, son­dern eine unzuläs­sige verdeck­te Gewin­nauss­chüt­tung zu sehen ist, wenn die wirtschaftliche Sit­u­a­tion der Gesellschaft die gewählte grosszügige Abgel­tung offen­sichtlich nicht zulässt.

Das Bun­des­gericht stützte sodann die Auf­fas­sung der Vorin­stanz, wonach der böse Glaube der Empfänger eine weit­ere Voraus­set­zung von Art. 678 Abs. 2 OR sei. Am guten Glauben fehle es aber regelmäs­sig, wenn die übri­gen Voraus­set­zun­gen gegeben sind. Das Gericht ver­wies dabei auf die unter­schiedlichen Auf­fas­sun­gen in der Lehre: zum Einen wird vertreten, bei einem offen­sichtlichen Missver­hält­nis sei der böse Glauben zu ver­muten, während Andere der Auf­fas­sung sind, dass der gute Glaube zu ver­muten ist. Diese Frage könne jedoch, so das Bun­des­gericht unter Hin­weis auf Art. 3 Abs. 2 ZGB, bei einem offen­sichtlichen Missver­hält­nis offen bleiben (E. 10.1).

Die Ver­wal­tungsräte hat­ten für den Fall, dass grund­sät­zlich ein Rück­forderungsanspruch bejaht werde, die Rück­weisung der Stre­it­sache an die Vorin­stanz zwecks Bes­tim­mung des Werts ihrer Mäk­ler­leis­tung beantragt. Sie begrün­de­ten dies damit, dass grund­sät­zlich das Schulden ein­er Entschädi­gung nicht abgestrit­ten wer­den könne. Das Bun­des­gericht wies erneut auf die unter­schiedlichen Ansicht­en in der Lehre hin, ob nur der über­set­zte Betrag oder die ganze Leis­tung zurück­zuer­stat­ten sei. Das Bun­des­gericht liess die Frage offen, da die beschw­erde­führen­den Ver­wal­tungsräte ihre Son­der­leis­tung im Ver­gle­ich zu ihrer üblichen Tätigkeit als Ver­wal­tungsräte nicht näher sub­stanzi­iert hätten.