4A_384/2014: Recht auf letzte Chance für ältere Arbeitnehmer mit langer Beschäftigungsdauer

Der Arbeit­nehmer (Beschw­erdegeg­n­er) war während 35 Jahren grund­sät­zlich gut und loy­al als Key-Account-Man­ag­er für die Arbeit­ge­berin (Beschw­erde­führerin) tätig. Im Jahr 2007 erlitt der Arbeit­nehmer ein erstes Burn-out, worauf ver­schiedene Anstren­gun­gen unter­nom­men wur­den, ihn wieder im Unternehmen zu inte­gri­eren. Er kon­nte ohne Lohnkürzung gewisse Führungsauf­gaben abgeben. Als sich im Jan­u­ar 2010 ein zweit­er Erschöp­fungszu­s­tand abze­ich­nete, richtete die Arbeit­ge­berin ent­ge­gen ihrer Betrieb­sübung ein Home-Office für den Mitar­beit­er ein. Zur Verbesserung des Arbeit­skli­mas fan­den ver­schiedene Gespräche und Teamver­anstal­tun­gen statt und wurde ein “act of com­mit­ment” vere­in­bart. Dem Beschw­erdegeg­n­er wurde zudem ein Mitar­beit­er zur Seite gestellt, der bei EDV-Prob­le­men behil­flich sein sollte. Da trotz dieser Mass­nah­men nicht alle Kon­flik­te aus­geräumt wer­den kon­nten und die Arbeit­sleis­tun­gen nicht gut waren, stellte die Arbeit­ge­berin am 11. Feb­ru­ar 2010 die Kündi­gung in Aus­sicht. Am 16. Feb­ru­ar 2010 kündigte sie das Arbeitsver­hält­nis und stellte den Arbeit­nehmer bis zum Ende der sechsmonati­gen Kündi­gungs­frist per sofort frei (Urteil 4A_384/2014 vom 12. Novem­ber 2014, E. 3.1 und 5.1).

Vor Gericht machte der Arbeit­nehmer im Wesentlichen gel­tend, die Kündi­gung sei miss­bräuch­lich erfol­gt. Sämtliche Gerichtsin­stanzen bestätigten diese Auf­fas­sung. Das Bun­des­gericht anerkan­nte zwar, dass die Arbeit­ge­berin nicht untätig geblieben war und aktiv ver­sucht hat­te, die Kon­flik­te zu beheben und das Stresspoten­zial zu ver­ringern (E. 5.2). Die Für­sorgepflicht gemäss Art. 328 OR sei jedoch bei älteren Arbeit­nehmern mit langer Beschäf­ti­gungs­dauer erweit­ert (E. 4.2.1 und 4.2.2). Die Arbeit­ge­berin habe nie klar sig­nal­isiert, dass für sie die gerügten Män­gel einen Schw­ere­grad aufweisen wür­den, der bei Nicht­be­he­bung eine Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es nach sich ziehen würde. Vor der Kündi­gung wäre die Arbeit­ge­berin daher gehal­ten gewe­sen, den Arbeit­nehmer in einem Gespräch nach­drück­lich auf die Fol­gen sein­er Unter­las­sun­gen hinzuweisen und ihm mit Fris­tanset­zung und Zielvere­in­barung eine let­zte Chance einzuräu­men, sein­er Arbeit­spflicht in genü­gen­dem Masse nachzukom­men (E. 5.2). Eine solche Ver­war­nung­sobliegen­heit fliesse aus der erweit­erten Für­sorgepflicht und dem Grund­satz der scho­nen­den Recht­sausübung (E. 5.2).