6B_529/2014: Anspruch und Verzicht auf Konfrontationseinvernahme (amtl. Publ.)

Ein Beschw­erde­führer erhob vor dem Bun­des­gericht zum Teil heftige Vor­würfe gegen ein Urteil des Oberg­erichts des Kan­tons Uri. Es wur­den zwar nicht alle Rügen als begrün­det erachtet, die Beschw­erde aber zumin­d­est teil­weise gutgeheissen.

Das Bun­des­gericht äussert sich unter anderem zum Anspruch auf Befra­gung des Belas­tungszeu­gen.

4.2.1. […] Damit die Vertei­di­gungsrechte gewahrt sind, muss die Gele­gen­heit der Befra­gung angemessen und aus­re­ichend sein und die Befra­gung tat­säch­lich wirk­sam aus­geübt wer­den kön­nen. Der Beschuldigte muss namentlich in der Lage sein, die Glaub­haftigkeit ein­er Aus­sage zu prüfen und den Beweiswert in kon­tradik­torisch­er Weise auf die Probe und infrage zu stellen […]. Die Kon­fronta­tion kann entwed­er im Zeit­punkt der Aus­sage des Belas­tungszeu­gen erfol­gen oder auch in einem späteren Ver­fahrenssta­di­um […].

Nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung genügt es grund­sät­zlich, wenn der Beschuldigte im Ver­laufe des Strafver­fahrens wenig­stens ein­mal Gele­gen­heit erhält, den ihn belas­ten­den Per­so­n­en Ergänzungs­fra­gen zu stellen, sei es vor Gericht oder aber im Laufe der Unter­suchung – aber:

4.2.1. […] Unter beson­deren Umstän­den kann es zur effek­tiv­en Wahrnehmung der Vertei­di­gungsrechte indessen notwendig erscheinen, dem Beschuldigten, obwohl er im Unter­suchungsver­fahren mit belas­ten­den Zeu­gen kon­fron­tiert wor­den ist, vor Gericht die Gele­gen­heit zu ein­er ergänzen­den Befra­gung einzuräu­men. Dies ist ins­beson­dere der Fall, wenn dem Angeschuldigten bei den Kon­fronta­tion­sein­ver­nah­men im Ermit­tlungsver­fahren noch kein Vertei­di­ger zur Seite stand […].

Im vor­liegen­den Fall erhielt der Beschw­erde­führer anlässlich der Kon­fronta­tion­sein­ver­nahme die Gele­gen­heit zu Ergänzungs­fra­gen, wovon sein Vertei­di­ger auch Gebrauch machte. Er hat­te zu diesem Zeit­punkt zwar noch keine Aktenein­sicht. Dies schadete dem Kon­fronta­tion­sanspruch aber insofern nicht, als der Belas­tungszeuge seine Aus­sagen vor dem Ver­höramt wieder­holte. Die gegen ihn erhobe­nen Vor­würfe wur­den dem anwaltlich vertrete­nen Beschw­erde­führer zudem bere­its anlässlich der polizeilichen Ein­ver­nahme vom Vortag eröffnet. Er wusste daher vor der Kon­fronta­tion­sein­ver­nahme, was ihm vorge­wor­fen wird. Die besoneren Umstände, die einen Anspruch auf erneute Kon­fronta­tion mit dem Belas­tungszeu­gen eröff­nen, waren hier somit nicht gegeben.

Fern­er hält das Urteil fest, wie auf das Kon­fronta­tion­srecht verzichtet wer­den kann:

5.2. […] Der Beschuldigte kann den Behör­den grund­sät­zlich nicht vor­w­er­fen, gewisse Zeu­gen zwecks Kon­fronta­tion nicht vorge­laden zu haben, wenn er es unter­lässt, rechtzeit­ig und for­mgerecht entsprechende Anträge zu stellen […]. Hier hat­te die Vorin­stanz zu Recht einen Verzicht des Beschw­erde­führers auf das Kon­fronta­tion­srecht angenom­men. Er hätte spätestens im vorin­stan­zlichen Ver­fahren eine Zeu­gen­be­fra­gung beantra­gen müssen, was er nicht tat. Stattdessen beschränk­te er sich darauf, in seinem Parteivor­trag die Unver­w­ert­barkeit der Aus­sagen zu plädieren.

In seinem Urteil äusserte sich das Bun­des­gericht auch zum (beschränk­ten) Unmit­tel­barkeit­sprinzip (E. 4.4.1–4.4.2), zur erneuten Beweis­er­he­bung (E. 4.4.5) und zur willkür­lichen Beweiswürdi­gung (E. 6.2.3).

Siehe zu diesem Entscheid auch die Kri­tik und Zusam­men­fas­sung von RA Kon­rad Jek­er auf strafprozess.ch.