Das BGer hatte sich im vorliegenden, bereits als BGE 140 IV 181 veröffentlichten Urteil mit der Unterscheidung zwischen der Echtzeitüberwachung i.S.v. StPO 269 und der rückwirkenden Überwachung bei Emails zu beschäftigen. Diese Unterscheidung ist deshalb wesentlich, weil bei der Echtzeitüberwachung auch vom Kommunikationsinhalt Kenntnis genommen werden kann, während bei der rückwirkenden Überwachung lediglich Randdaten
erhoben werden, die im Wesentlichen darüber Auskunft geben,
wer wann mit wem Verbindung gehabt hat. Dieser Unterschied entspricht dem Anwendungsbereich des Fernmeldegeheimnisses, das nur den Kommunikationsvorgang schützt und vor dessen Beginn und nach dessen Abschluss nicht greift.
Das Kriterium zur Unterscheidung zwischen der Echtzeitüberwachung, bei der in den Kommunikationvorgang eingegriffen wird, und der rückwirkenden Überwachung, bei der das nicht der Fall ist, ist die Datenherrschaft. Mit Bezug auf Briefpost hält das BGer fest, dass eine Überwachung dann vorliegt, wenn die Behörden auf den abgeschickten Brief zugreifen, bevor er beim Empfänger angekommen ist. Ist der Brief dagegen beim Empfänger angekommen und befindet er sich in dessen Herrschaftsbereich, ist der Übertragungsvorgang abgeschlossen. Dies ist der Fall, wenn der Brief im Briefkasten des Empfängers liegt. Liegt er in einem Postfach, hat die Post dagegen weiterhin Zugriffsmöglichkeiten, so dass das Fernmeldegeheimnis noch greift:
Legt die Post den Brief in das Postfach des Empfängers, befindet er sich ebenfalls in dessen Herrschaftsbereich. […] Im Unterschied zum Briefkasten hat die Post ihre Herrschaft jedoch noch nicht aufgegeben. Sie kann auf das Postfach weiterhin jederzeit zugreifen. Es besteht somit eine geteilte Datenherrschaft […]. Da die Post nach wie vor Herrschaftsmacht hat, muss der Empfänger — der das Postfach nicht ständig kontrollieren kann — weiterhin darauf vertrauen können, dass sie ihre Stellung nicht missbraucht und die Vertraulichkeit der Daten wahrt. Der Empfänger verdient deshalb nach wie vor den Schutz des Fernmeldegeheimnisses […].
Die Zustellung eines Emails sei mit der Zustellung eines Briefes in das Postfach vergleichbar. Wird auf eine Email auf dem Server des Providers zugegriffen, bevor der Empfänger seine Mails abgerufen hat , ist der
Datenübertragungsvorgang nicht abgeschlossen. Dieser Zugriff stellt deshalb eine Echtzeitüberwachung dar:
Das E‑Mail gelangt auf dem Server des Fernmeldedienstanbieters (“Provider”) des Empfängers in dessen E‑Mail-Konto. Dies entspricht dem Einlegen des Briefes in das Postfach. Der Empfänger erhält erst dann Kenntnis vom Eingang des E‑Mails, wenn er sein Konto abruft […]. Ab diesem Zeitpunkt bestimmt allein der Empfänger, was mit dem E‑Mail geschieht. Er kann es sofort löschen. Er kann es auf seine lokale Datenverarbeitungsanlage herunterladen und auf dem Server des Providers entfernen. Er kann das E‑Mail aber auch auf dem Server des Providers belassen, womit er darauf weiterhin von überall her Zugriff hat. Belässt der Empfänger das E‑Mail auf dem Server des Providers, bewahrt er es dort auf. Damit kann es wie der im Postfach belassene Brief beschlagnahmt werden. […].
Bevor der Empfänger sein E‑Mail-Konto abgerufen hat, dauert der Datenübertragungsvorgang an. Auf die bis zu jenem Zeitpunkt auf dem Server des Providers gespeicherten E‑Mails kann deshalb nur durch eine Überwachungsmassnahme gegriffen werden. Dabei handelt es sich um eine Echtzeit-Überwachung, da das E‑Mail auf dem Weg vom Absender zum Empfänger heimlich abgefangen wird […]. Dieses Abfangen zeichnet nach der Begriffsumschreibung von Ziffer 3 Anhang VÜPF die Echtzeit-Überwachung aus. Damit darf vom Kommunikationsinhalt Kenntnis genommen werden.