4A_340/2015: Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen; Bankkundengeheimnis (amtl. Publ.)

Im Entscheid 4A_340/2015 (frz.; zur amtl. Publ. vorge­se­hen) hat­te das Bun­des­gericht Gele­gen­heit, sich zu grundle­gen­den Fra­gen der inter­na­tionalen Rechthil­fe in Zivil­sachen sowie zum Bankkun­denge­heim­nis zu äussern.
Dem Entscheid lag das Ersuchen eines spanis­chen Gerichts um inter­na­tionale Recht­shil­fe in Zivil­sachen gemäss Haager Beweisauf­nah­meübereinkom­men (HBewUe70) zugrunde. Gegen­stand des Ersuchens waren Auskün­fte über Kon­to­beziehun­gen bei ein­er Gen­fer Bank.
Aus den Erwä­gun­gen des Bun­des­gerichts sind hier fol­gende hervorzuheben:

Zur The­matik Recht­shil­fever­fahren:

  • Die Behand­lung des Recht­shil­feer­suchens fällt grund­sät­zlich in den Anwen­dungs­bere­ich von Art. 335 ff. ZPO (Voll­streck­ung von Entschei­den), wobei staatsver­tragliche Regelun­gen vorge­hen, namentlich das HBewUe70 (E. 3.3.1).
  • Die ersuchte Schweiz­er Behörde entschei­det gestützt auf Art. 339 Abs. 2 ZPO im sum­marischen Ver­fahren gemäss Art. 248 ff. ZPO. Dabei han­delt sich gemäss Bun­des­gericht um ein atyp­is­ches Sum­mar­ver­fahren (“une procé­dure som­maire atyp­ique”), zumal der Entscheid endgültig ist (E. 3.3.2).
  • Der Entscheid, mit welchem einem Recht­shil­feer­suchen stattgegeben oder ein solch­es ver­weigert wird, ist keine Beweisver­fü­gung i.S.v. Art. 154 ZPO, gegen welche Beschw­erde nur bei Dro­hen eines nicht leicht wiedergutzu­machen­den Nachteils geführt wer­den kön­nte (Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO); vielmehr han­delt es sich um eine Voll­streck­ungs­mass­nahme i.S.v. Art. 335 ff. ZPO bzw. um einen Endentscheid. Als solch­er kann er ohne weit­ere Ein­schränkung gemäss Art. 319 lit. a i.V.m. Art. 309 lit. a ZPO mit Beschw­erde ange­focht­en wer­den (E. 3.4.1).
  • Weit­er äussert sich das Bun­des­gericht zur Beschw­erdele­git­i­ma­tion. Generell gilt, dass jede Per­son, die vom Recht­shil­feer­suchen berührt ist, beschw­erde­berechtigt ist (E. 3.4.4). Dies gilt zunächst für die Parteien des aus­ländis­chen Haupt­sachen­ver­fahrens (indes unter Auss­chluss der­jeni­gen Rügen, welche sie in jen­em Ver­fahren gel­tend zu machen hat­ten; E. 3.4.2), sodann für die vom Recht­shil­feer­suchen direkt erfassten Per­so­n­en, hier die Schweiz­er Bank (E. 3.4.3), und schliesslich für Dritte, wie betrof­fene Bankkon­toin­hab­er bzw. wirtschaftlich Berechtigte (E. 3.4.4).
  • Weit­er äussert sich das Bun­des­gericht zu Art. 12 Abs. 1 lit. b BewÜ70 und weist auf die beson­dere Bedeu­tung des Anspruchs auf rechtlich­es Gehör hin, welch­er sowohl den Parteien eines Zivil­ver­fahrens sowie betrof­fe­nen Drit­ten zuste­ht (E. 3.2.). Im vor­liegen­den Fall ver­weigerte das Bun­des­gericht die Recht­shil­fe an das ersuchende spanis­che Gericht denn auch ger­ade deshalb, weil dem betrof­fe­nen Drit­tkon­toin­hab­er das rechtliche Gehör ver­sagt wor­den war (E. 3.5.2, 3.5.3 und 3.5).

Zur The­matik Bankkundengeheimnis:

  • Die Aus­führun­gen erfol­gten vor dem Hin­ter­grund, dass sich die vom Recht­shil­fege­such erfasste Bank zunächst auf das Bankkun­denge­heim­nis berufen hatte. 
  • Das Bun­des­gericht hält fest, dass die dem Bankkun­denge­heim­nis unter­wor­fe­nen Per­so­n­en sich nicht auf das Mitwirkungsver­weigerungsrecht gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. b ZPO berufen kön­nen, son­dern als “Träger ander­er geset­zlich geschützter Geheimnisse” die Mitwirkung nur nach Mass­gabe von Art. 166 Abs. 2 ZPO ver­weigern kön­nen, d.h. nur, sofern sie glaub­haft machen, dass ihr Geheimhal­tungsin­ter­esse das Inter­esse an der Wahrheits­find­ung über­wiegt (E. 3.1.1). 
  • Weit­er erin­nert das Bun­des­gericht an die materiell-rechtlichen Schranken des Bankkun­denge­heimniss­es, namentlich im Eherecht (Art. 170 Abs. 3 ZGB), im Erbrecht (Art. 607 Abs. 3, Art. 610 Abs. 2 ZGB) sowie im SchKG (Art. 91 Abs. 4, Art. 275 SchKG) (E. 3.1.3).