4A_576/2015 (amtl. Publ.): datenschutzrechtliche Grenzen der Videoüberwachung bei Mietliegenschaften

Das BGer hat­te im vor­liegen­den Ver­fahren über den Betrieb von Videokam­eras im Aussen- und Innen­bere­ich eines grösseren Wohnge­bäudes zu befind­en. Der Mieter ein­er der betrof­fe­nen Woh­nun­gen hat­te nach der Instal­la­tion der Kam­eras ver­langt, die Kam­eras seien zu ent­fer­nen. Die Ver­mi­eter­schaft nahm die Kam­eras in der Folge den­noch — nach entsprechen­der Infor­ma­tion der Mieter — in Betrieb.

Nach erfol­glos­er Schlich­tungsver­hand­lung hiessen die Basel-Land­schaftlichen Instanzen die Klage des Mieters teil­weise gut. Die Vorin­stanz des BGer, das KGer BL, ord­nete die Ent­fer­nung der Kam­eras im Hau­sein­gangs­bere­ich und in den Durchgän­gen zur Waschküche zwis­chen den einzel­nen Liegen­schaften des Gebäudes an. Die übri­gen Kam­eras seien zulässig.

Das BGer schützt dieses Urteil, das sich insb. auf DSG 13 stützte (wohl auf­grund von DSG 12 II lit. b; und mietrechtliche Son­derbes­tim­mungen fehlen), und betra­chtet den Betrieb der übri­gen Kam­eras als durch ein über­wiegen­des pri­vates Inter­esse gerecht­fer­tigt. Dabei sind solche Fälle nicht immer gle­ich zu beurteilen. Vielmehr sind die Umstände des konkreten Einzelfalls massgebend:

 So kann eine Videoüberwachung im Ein­gangs­bere­ich eines anony­men Wohn­blocks, in dem gegebe­nen­falls gar ein Risiko von Über­grif­f­en beste­ht, dur­chaus angezeigt und für alle betrof­fe­nen Per­so­n­en zumut­bar sein, während dies in einem kleinen Mehrfam­i­lien­haus, wo sich die Nach­barn ken­nen, nor­maler­weise nicht der Fall sein dürfte.

Vor­liegend war zunächst die Mass­nahme als solche zu beurteilen. Dazu hält das BGer bzw. hielt die Vorin­stanz fest:

  • Sicht­bar mon­tierte Kam­eras sind grund­sät­zlich zur Präven­tion und Aufk­lärung von Ein­brüchen und Van­dal­is­mus geeignet.
  • Ob eine gle­ich geeignete, aber mildere Mass­nahme in Frage kommt, hängt wohl von den Umstän­den ab. Zumin­d­est im vor­liegen­den Fall war eine solche Mass­nahme nicht ersichtlich. Ins­beson­dere sei eine Verbesserung der Beleuch­tung nicht gle­ich wirkungsvoll. 
  • Die Spe­icher­dauer der Auf­nah­men ist angemessen zu beschränken. Vor­liegend wur­den die Auf­nah­men nach 24 Stun­den über­spielt, was “massvoll” sei.

Sodann waren die betrof­fe­nen Inter­essen gegeneinan­der abzuwä­gen, hier die Inter­essen der Ver­mi­eter­schaft und der anderen Mieter an ein­er Ver­hin­derung von Straftat­en gegen das Inter­esse des Klägers, sich jed­erzeit unbeobachtet in den all­ge­mein zugänglichen Bere­ichen der Mietliegen­schaft zu bewe­gen. Let­zteres Inter­esse wurde dabei als weniger gewichtig eingestuft. 

Dies galt — “angesichts der über­schaubaren Ver­hält­nisse mit nur wenigen
Miet­parteien sowie fehlen­der Hin­weise auf eine konkrete Gefährdung” — aber nicht für Bere­iche, in welchen der sich der betrof­fene Mieter regelmäs­sig aufhal­ten müsse, wie hier dem Hau­sein­gangs­bere­ich. Kam­er­aauf­nah­men mit 24-stündi­ger Aufze­ich­nung wür­den hier eine sys­tem­a­tis­che Erhe­bung der Tageszeit­en ermöglichen, zu denen der Mieter die Liegen­schaft betrete oder ver­lasse, und allen­falls von Begleit­per­so­n­en. Dadurch würde der Beschw­erdegeg­n­er in sein­er Pri­vat­sphäre in unzu­mut­bar­er Weise beein­trächtigt. Ähn­lich­es gelte für Auf­nah­men bei den Durchgän­gen zur Waschküche.