2C_916/2014, 2C_917/2014: Bussen mit Strafcharakter auch für juristische Personen nicht abzugsfähig; Gewinnabschöpfung dagegen schon (amtl. Publ.)

In seinem Urteil vom 26. Sep­tem­ber 2016 klärt das Bun­des­gericht eine in der Lehre umstrit­tene, wirtschaftlich bedeut­same Frage zugun­sten des Fiskus: Sank­tio­nen mit Strafcharak­ter gegen juris­tis­che Per­so­n­en gel­ten steuer­rechtlich nicht als geschäftsmäs­sig begrün­de­ter Aufwand. Dage­gen dür­fen Sank­tio­nen, die der Gewinnab­schöp­fung dienen, steuer­lich als Geschäft­saufwand akzep­tiert wer­den. Allerd­ings ist die betrof­fene Unternehmung hier­für beweisbelastet.

Die Europäis­che Kom­mis­sion hat­te im Novem­ber 2009 ein­er Aktienge­sellschaft mit Sitz im Kan­ton Zürich eine Busse von EUR 348‘000 für admin­is­tra­tive Tätigkeit­en im Umfeld von Kartellab­sprachen aufer­legt. Diese Busse ver­buchte die AG im han­del­srechtlichen Abschluss als Geschäft­saufwand zulas­ten der Rück­stel­lun­gen. Das Bun­des­gericht hat­te zu prüfen, ob die vor­liegende Busse der EU Kom­mis­sion als geschäftsmäs­sig begrün­de­ter Aufwand im Sinne des Steuer­rechts (Art. 58 Abs.1 lit. b und Art. 59 DBG) qual­i­fiziert wer­den könne.

Das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Zürich hat­te die Wet­tbe­werb­s­busse noch zum Abzug zuge­lassen, u.a. mit der Begrün­dung, die gebüssten Dien­stleis­tun­gen seien zum dama­li­gen Zeit­punkt in der Schweiz noch nicht straf­bar gewe­sen und im übri­gen vom statu­tarischen Zweck der AG erfasst gewe­sen. Zudem unter­schei­de das Steuer­recht tra­di­tionell nicht zwis­chen ille­galen und erlaubten Geschäften (Grund­satz der Wert­neu­tral­ität des Steuer­rechts). Die Ver­weigerung des Abzuges erfordere ausser­dem eine aus­drück­liche geset­zliche Grund­lage auf­grund des Wort­lauts von Art. 59 Abs. 1 lit. a (“nicht aber Steuer­bussen”; E.4.1).

In seinem Entscheid set­zt sich das Bun­des­gericht einge­hend mit den diversen Posi­tio­nen in Lehre, Gerichts- und Ein­schätzung­sprax­is auseinan­der. Das Bun­des­gericht stellt zunächst klar, dass die steuer­lichen Kor­rek­tur­vorschriften zur han­del­srecht­skon­form erstell­ten Bilanz nicht abschliessend seien (E.3).

Es ver­weist sodann auf einen Entscheid aus dem Jahr 2004, welch­er aus­ländis­che Steuer­bussen und aus­ländis­che Straf­s­teuern („Penal­ties“) gegen eine juris­tis­che Per­son als geschäftsmäs­sig nicht begrün­dete Steuer­busse qual­i­fizierte (E.3).

Das Bun­des­gericht erin­nert daran, dass in Bezug auf selb­ständi­ge natür­liche Per­so­n­en seit sein­er Recht­sprechung aus dem Jahr 1940 „sämtliche mit einem Strafver­fahren zusam­men­hän­gen­den Bussen und Kosten“ nicht mehr als geschäftsmäs­sig begrün­det gel­ten (BGE 70 I 250 E.4).

Es erwäh­nt den Bericht des Bun­desrates vom 12. Sep­tem­ber 2014, welch­er zum Ergeb­nis kommt, dass “Bussen, Geld­strafen und finanzielle Ver­wal­tungssank­tio­nen mit pönalem Charak­ter bere­its de lege lata steuer­lich nicht abzugs­fähig seien“  und erwäh­nt die daraus her­vorge­gan­gene Vernehm­las­sungsvor­lage zum Bun­des­ge­setz über die steuer­liche Behand­lung finanzieller Sank­tio­nen, welche die gel­tende Recht­slage trans­par­enter regeln soll.

Kern der Urteils­be­grün­dung bildet die sys­tem­a­tis­che Ausle­gung der zitierten Bes­tim­mungen, „welche dem Grund­satz der Ein­heit der Recht­sor­d­nung und eines möglichst wider­spruchs­freien Zusam­men­wirkens der ver­schiede­nen Rechts­ge­bi­ete Rech­nung trägt“ […]

„Wie vom beschw­erde­führen­den Steuer­amt [Zürich] und von Teilen der Lehre zu Recht moniert wird, würde eine Bejahung der geschäftsmäs­si­gen Begrün­de­theit und damit der Abzugs­fähigkeit von Bussen jedoch dazu führen, dass eine ver­hängte Sank­tion durch das Steuer­recht fak­tisch abgemildert würde. Die Ver­ringerung des steuer­baren Reingewinns und der darauf ent­fal­l­en­den Gewinns­teuer hätte zur Folge, dass ein Teil der Busse mit­tel­bar vom Gemein­we­sen über­nom­men würde.“  (E. 7.3)

Die vom Geset­zge­ber beab­sichtigte strafende Wirkung der Sank­tion würde damit unter­laufen. Dies habe auch für Bussen aus dem Aus­land zu gel­ten, sofern nicht nachgewiesen sei, der aus­ländis­che Richter habe den steuer­lichen Effekt der Abzugs­fähigkeit bei der Bussen­fest­set­zung berück­sichtigt (E. 7.3).

Zum sel­ben Ergeb­nis führt gemäss Bun­des­gericht auch die Berück­sich­ti­gung der geset­zlichen Bes­tim­mungen zur Behand­lung von Bestechungszahlun­gen (u.a. Art. 59 Abs. 2 DBG; in Kraft seit Jan­u­ar 2001). Weil nach den entsprechen­den Bes­tim­mungen Bestechungs­gelder steuer­lich nicht abge­zo­gen wer­den dür­fen, müsse dies eben­so auch für Bussen gel­ten, welche gegen die bestechende Gesellschaft ver­hängt wer­den (E. 7.4).

Mit Blick auf die erwäh­nte Recht­sprechung aus dem Jahr 1944 führt das Bun­des­gericht an, es bestün­den keine aus­re­ichen­den sach­lichen Gründe dafür, juris­tis­che Per­so­n­en bezüglich Abzugs­fähigkeit von Bussen bess­er zu behan­deln als selb­ständig erwer­bende natür­liche Per­so­n­en (E. 7.5 / Ver­fas­sungskon­forme Ausle­gung; Rechtsgleichheit).

In Bezug auf die von der Vorin­stanz akzep­tierte Argu­men­ta­tion der Wert­neu­tral­ität des Steuer­rechts meint das Bun­des­gericht, es habe diesen Grund­satz bish­er nur im Zusam­men­hang mit rechtswidrig erziel­ten Einkün­ften und Umsätzen angewen­det (s. div. Entschei­de betr­e­f­fend steuer­barem Gewinn aus Dirnenlohn,
betrügerischem Ver­hal­ten, unrecht­mäs­sig bezo­gene Arbeitslosenleistungen
etc.), nicht jedoch in Bezug auf Geschäft­saufwen­dun­gen.

Dage­gen geschäftsmäs­sig begrün­det: Sank­tio­nen zur Gewinnabschöpfung
In Bezug auf Bussen und Sank­tio­nen, welche der Gewinnab­schöp­fung dienen, schliesst sich das Bun­des­gericht der Auf­fas­sung der Vorin­stanz, der Lehre sowie dem erwäh­n­ten bun­desrätlichen Bericht an. Mit ein­er Sank­tion dieser Art sei im Umfang der Gewinnab­schöp­fung kein Strafzweck ver­bun­den, son­dern bloss die Kor­rek­tur eines rechtswidri­gen Zus­tandes. Die Beweis­last für den Gewinnab­schöp­fungs-Charak­ter ein­er Sank­tion hat die betrof­fene Gesellschaft zu tra­gen. 

Präjudizwirkung für das U.S. Programm? 
Dieser Entscheid dürfte die steuer­liche Behand­lung von „Penal­ties“ gegen Banken der Kat­e­gorie 2 unter dem U.S. Pro­gramm präjudizieren. Im Gegen­satz zu den Banken der Kat­e­gorie 1 legte das DoJ den Gewinnab­schöp­fungsan­teil für die Kat­e­gorie 2 in den Non-Pros­e­cu­tion Agree­ments (NPA) nicht offen.

Das Bun­des­gericht hat den Entscheid des Ver­wal­tungs­gerichts Zürich
aufge­hoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.