2C_886/2012: Juristische Personen können nicht Betriebsinhaber eines Familienbetriebes im Sinne von Art. 4 ArG sein (amtl. Publ.)

Im Kan­ton Genf bezweck­te die X. GmbH unter anderem die Führung von Detail­han­dels­be­trieben mit Tankstellen (BGer. 2C_886/2012 vom 29. Juni 2013). Die X. GmbH schloss mit ein­er anderen GmbH einen Ver­trag betr­e­f­fend die Betrieb­süber­las­sung von zwei Tankstellen ab (“con­trat de sous-gérance”), wobei sie sich verpflichtete, Arbeitsverträge nur mit ihren Geschäfts­führern und deren Fam­i­lien­mit­gliedern oder Part­nern (“con­cu­bins”) abzuschliessen.

In der Folge wur­den die Tankstellen- und Laden­be­triebe durch das Arbeitsin­spek­torat kon­trol­liert. Dieses stellte fest, dass an Sonn- und Feierta­gen ohne Bewil­li­gung gear­beit­et wurde, wobei jedoch lediglich enge Fam­i­lien­mit­glieder von Geschäfts­führern der X. GmbH beschäftigt waren. Das Arbeitsin­spek­torat stellte sich zusam­menge­fasst auf den Stand­punkt, dass das Arbeits­ge­setz auf die Betriebe anwend­bar sei und deshalb Sonn- und Feiertagsar­beit nur hin­sichtlich des eigentlichen Tankstel­len­be­triebes erlaubt gewe­sen wäre.

Die X. GmbH argu­men­tierte demge­genüber im Wesentlichen, dass es sich um Fam­i­lien­be­triebe han­dle, die vom Anwen­dungs­bere­ich des Arbeits­ge­set­zes ausgenom­men seien. Gemäss Art. 4 Abs. 1 ArG ist das Arbeits­ge­setz nicht auf Betriebe anwend­bar, in denen lediglich der
Ehe­gat­te, die einge­tra­gene Part­ner­in oder der einge­tra­gene Part­ner des
Betrieb­sin­hab­ers, seine Ver­wandten in auf- und absteigen­der Lin­ie und
deren Ehe­gat­ten, einge­tra­gene Part­ner­in­nen oder Part­ner sowie seine
Stiefkinder tätig sind.

Das Bun­des­gericht schützte die Recht­sauf­fas­sung des Arbeitsin­spek­torates und hielt fest, dass das Gesetz nicht näher umschreibe, wer als Betrieb­sin­hab­er i.S.v. Art. 4 ArG zu gel­ten habe. Das höch­ste Gericht schloss sich der Lehrmei­n­ung an, wonach als Betrieb­sin­hab­er diejenige Per­son zu ver­ste­hen ist, welch­er der Betrieb gehört und die diesen auch leit­et (E. 3.3). Damit ein Betrieb unter den engen Anwen­dungs­bere­ich der Aus­nah­mebes­tim­mung von Art. 4 ArG falle, müsse der Betrieb­sin­hab­er sel­ber in einem fam­i­lien­rechtlichen Ver­hält­nis zu den Arbeit­nehmern ste­hen. Da zu juris­tis­chen Per­so­n­en kein fam­i­lien­rechtlich­es Ver­hält­nis beste­hen könne, kön­nten sie auch nicht als Betrieb­sin­hab­er i.S.v. Art. 4 ArG gel­ten (E. 3.4). Anon­sten beste­he gemäss Bun­des­gericht die Gefahr, dass im Han­del­sreg­is­ter beliebig viele Per­so­n­en als geschäfts­führende Gesellschafter einge­tra­gen wür­den, so dass mit jedem neuen Ein­trag eine weit­ere Fam­i­lie vom Anwen­dungs­bere­ich des Arbeits­ge­set­zes ausgenom­men wäre (E. 3.4).

Der Leit­entscheid wurde durch zwei weit­ere Entschei­de vom Bun­des­gericht bestätigt (BGer. 2C_1126/2012 vom 29. Juni 2013, E. 4 und 2C_129/2013 vom 1. Juli 2013, E. 3).