Im Entscheid 4A_165/2016 (amtl. Publ.; ital.) hatte das Bundesgericht die Gelegenheit, sich zu Fragen der Finanzierung bei Aushubmaterial von belasteten Standorten gemäss Art. 32b bis Umweltschutzgesetz (USG) zu äussern. Der Entscheid ist auf Italienisch redigiert und von einer gewissen Komplexität, weshalb er hier etwas ausführlicher dargestellt wird.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 1978 hatte der Verband A. (Kläger, Beschwerdeführer) von der B. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ein Grundstück erworben, welches während mehrerer Jahre als Deponie für Brennmaterial für den En-Gros-Handel benutzt worden war. Nach Demontage der Behälter und Reinigung des Geländes bestätigte das Umweltschutzdepartement des Kantons Tessin im Oktober 1978, dass sich im Boden keine Spuren von Verunreinigungen durch Kohlenwasserstoffe fanden. Der Verband A. hat daraufhin eine Halle für den Verkauf von Obst- und Fruchtprodukten sowie für Büros erstellt.
Im Jahr 2007 informierte das Baudepartement des Kantons Tessin den Verband A., das Grundstück sei im Zusammenhang mit der früher von der B. AG ausgeübten Tätigkeit in den Altlastenkataster eingetragen worden.
Nach einigen Vorsondierungen beantragte der Verband A. im April 2008 beim Baudepartement, die Kosten für die Abklärungen und die Sanierung seien nach Massgabe von Art. 32c (“Pflicht zur Sanierung”) und Art. 32d (“Tragung der Kosten”) USG zu verteilen.
Wenige Tage später leitete der Verband A. zudem eine Zivilklage gestützt auf Art. 32b bis USG ein, mit dem Antrag, die B. AG sei zu verurteilen, ihr Ersatz für die Kosten der Vorabklärungen und der bereits erlittenen Rechtskosten zu leisten sowie einen noch zu bestimmenden Betrag für die zukünftigen Kosten für die Analysen und die Entsorgung des Materials zu bezahlen. Das Verfahren wurde vorerst bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens sistiert.
Im Mai 2008 veräusserte der Verband A. das Grundstück an die C. SA. Vertraglich verpflichtete sich der Verband A. als Verkäufer, die B. AG die Konsequenzen der Eintragung in den Altlastenkataster tragen zu lassen und wurde damit beauftragt, gegen die B. AG vorzugehen, um die Kosten soweit möglich zu reduzieren.
Im Juli 2012 auferlegte das Baudepartement die Kosten von rund CHF 300’000 für die Bestimmung der Art und des Umfangs der Verunreinigung zu 95% der B. AG als Verhaltensstörerin und zu 5% der C. SA als Zustandsstörerin.
Nach Wiederaufnahme des sistierten Zivilverfahrens verlangte der Verband A. von der B. AG insgesamt Zahlung von rund CHF 800’000 für diverse Kosten sowie Ersatz für den Schaden von rund CHF 627’000, welche die C. SA gegen sie geltend machte. Der Verband A. verkündete der C. SA den Streit, wobei diese den Eintritt ablehnte.
Die beiden Tessiner Vorinstanzen wiesen die Klage des Verbands A. ab, namentlich mangels Aktivlegitimation. Das Bundesgericht (I. Zivilkammer) wies die Klage ebenfalls ab, allerdings mit teilweise anderer Begründung:
Das Bundesgericht wies zunächst darauf hin, dass zwischen den Kosten vor und nach Verkauf des Grundstücks zu unterscheiden sei (vgl. E. 5 sowie E. 6.3 und E. 7).
Das Bundesgericht führte sodann folgendes zu Art. 32b bis Abs. 1 lit. b USG (“Finanzierung bei Aushubmaterial von belasteten Standorten)” aus (freie Übersetzung aus dem Italienischen):
«6.1. Art. 32b bis Abs. 1 lit. b USG macht, wie auch die Marginalie bekräftigt, das Recht auf Schadenersatz klarerweise von der Ausführung von Bauarbeiten abhängig: Ersatzfähig sind die Kosten für die Untersuchungen und die Entsorgung des belasteten Aushubmaterials, das aus Bauarbeiten stammt. Dieser funktionale Zusammenhang ist die Daseinsberechtigung [«la ragione d’essere»] der Norm, welche die Fälle betrifft, in denen die belasteten Standorte nicht per se unmittelbare Sanierungsmassnahmen erheischen, sondern der Pflicht zur zweckmässigen Untersuchung und Entsorgung nur unterstehen, falls Bauarbeiten ausgeführt werden.
[Verweise auf Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2005, in denen die Befürchtung von sog. Luxussanierungen geäussert wurden.]
Dieser Umstand […] bekräftigt den engen Zusammenhang, der zwischen dem Aushub bzw. der Entsorgung des belasteten Materials und der Ausführung von Bauarbeiten bestehen muss. Sanierungshandlungen, für welche dieser direkte Zusammenhang fehlt, fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 32 bis USG [Verweise auf Lehre]).”
Im vorliegenden Fall hatten die Vorinstanzen festgestellt, dass der klagende Verband A. nie Aushubarbeiten zwecks Erstellung einer Baute vorgenommen hatte (E. 6.2).
Das Bundesgericht kam daher zum Schluss, die Vorinstanz habe Art. 32b bis USG nicht verletzt, indem sie den Antrag auf Entschädigung der Kosten für die vom Verband A. durchgeführten Voruntersuchungen abwies. Die Abweisung habe allerdings nicht wegen fehlender Aktivlegitimation zu erfolgen, sondern weil die materielle Haftungsvoraussetzung gemäss Art. 32b bis Abs. 1 lit. b USG nicht erfüllt sei (E. 6.3).
In Bezug auf die Kosten für die Entfernung des belasteten Materials nach Verkauf des Grundstücks stelle sich demgegenüber die Frage der Aktivlegitimation (E. 7). Das Bundesgericht führte dazu aus, gemäss Art. 32b bis Abs. 1 USG sei der “Inhaber” (il detentore, le détenteur) des Grundstücks klageberechtigt, der Material von einem belasteten Standort entfernt. Darunter fallen der aktuelle Eigentümer sowie diejenige Person, die über ein dingliches Recht, gegebenenfalls ein beschränktes, verfügt, das ihr ermöglicht zu bauen oder über das zu entfernende Material zu verfügen (Verweis auf Lehre). Das Bundesgericht weist in diesem Zusammenhang auf die Lehrmeinung von ISABELLE ROMY hin, wonach “Inhaber” auch der Berechtigte eines persönlichen Rechts sei, z.B. der Mieter, soweit er die rechtliche oder tatsächliche Herrschaft über das Grundstück habe (E. 7.1).
Gemäss Bundesgericht könne die vorliegende Konstellation nicht unter eine der erwähnten Definitionen des “Inhabers” subsumiert werden, auch nicht unter die weitergehende Begriffsbestimmung von ISABELLE ROMY. Nach Verkauf des Grundstücks habe der Verband A. nämlich keinerlei Vorrecht mehr, das es ihm erlauben würde, eine Verfügungsmacht welcher Art auch immer auszuüben, rechtlich oder faktisch, über das Grundstück oder das belastete Material. Der Verband A. sei mithin nicht mehr “Inhaber”, weder des Grundstücks noch des Materials, womit er von einem klageweisen Vorgehen ausgeschlossen sei. Der Vollständigkeit halber wies das Bundesgericht darauf hin, “Inhaberin” könnte die C. SA sein, die nach dem Kauf eine Baubewilligung erhalten, gebaut und das Grundstück saniert hatte; diese neue Eigentümerin erfülle allerdings die Voraussetzung von Art. 32b bis Abs. 1 lit. c USG nicht, zumal sie das Grundstück erst im Jahr 2008 erworben hatte.
Das Bundesgericht setzte sich alsdann mit dem Argument des Klägers auseinander, die Auslegung von Art. 32b bis USG im Lichte des Verursacherprinzips gebiete es in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers, die Aktivlegitimation auch dem ursprünglichen Inhaber zuzuerkennen, der das Grundstück verkauft und sich vertraglich verpflichtet hat, die Kosten der Entsorgung des belasteten Materials durch den neuen Inhaber zu bezahlen (E. 8).
Gemäss Bundesgericht ist es unzweifelhaft, dass Art. 32b bis USG sich anbietet, das in Art. 74 Abs. 2 BV und Art. 2 USG verbriefte Verursacherprinzip aus zivilrechtlicher Sicht zu verwirklichen. Es handle sich allerdings um eine Ausnahmebestimmung mit transitorischem Charakter, welche die Verantwortlichkeit desjenigen, der die Verunreinigung verursacht hat, strengen Voraussetzungen unterwerfe. Das Bundesgericht wies darauf hin, die vom Kläger vorgeschlagene Interpretation des Begriffs des “Inhabers” gehe noch weiter als jene in der Lehre: Demnach würde sich die Aktivlegitimation, um gegen den Verhaltensstörer vorzugehen, aus den vertraglichen Abmachungen der sich zeitlich aufeinanderfolgenden Eigentümer ergeben, unabhängig von deren Beziehung zum belasteten Grundstück (E. 8.2).
Weiter setzte sich das Bundesgericht mit dem Verweis des Klägers auf Art. 32b bis Abs. 3 des USG-Revisionsprojekts aus dem Jahre 2002 auseinander. Es kam zum Schluss, dass der neue zivilrechtliche Charakter der neuen Norm es schwierig mache, Analogien mit den vorherigen Versionen zu suchen, zumal verwaltungsrechtliche und zivilrechtliche Verfahren unterschiedlichen Regeln und Grundsätzen unterstünden (E. 8.2 und 8.2.1).
Aus den parlamentarischen Diskussionen folgerte das Bundesgericht sodann, der Wille des Gesetzgebers habe darin bestanden, die Anwendung der neuen Bestimmungen auf kürzlich erfolgte Käufe zu verhindern (Verweis auf Votum NR Rudolf Rechsteiner: “Durch neue Käufe und Verkäufe können also keine Rückgriffe auf frühere Verursacher von Bauherrenaltlasten erfolgen.”).
Schliesslich setzte sich das Bundesgericht mit dem Argument des Verbands A. auseinander, er sei anstelle der neuen Eigentümerin C. SA aktivlegitimiert, weil er sich vertraglich verpflichtet habe, die Kosten der Sanierung zu zahlen. Das Bundesgericht erwog, dies würde bedeuten, dass die C. SA, welche die Sanierung vorgenommen hat, aber deshalb nicht gestützt auf Art. 32b bis USG klagen kann, weil sie das Grundstück nach dem 1. Juli 1997 erworben hat, die Kosten auf den Kläger abwälzen könnte, welcher sich seinerseits an der B. AG schadlos halten könnte. Wirtschaftlich betrachtet würde diese Lösung gemäss Bundesgericht dazu führen, dass das Recht auf Schadenersatz verhandelbar sei und im Rahmen von Verkäufen, die nach der gesetzlich vorgesehenen Zeitspanne erfolgen, von einem Eigentümer auf den nächsten übertragen werden könnte. Gerade diese Situation habe man aber, wie oben erwähnt, verhindern wollen (E. 8.2.3). Entsprechend schützte das Bundesgericht den vorinstanzlichen Entscheid und wies die Beschwerde ab (E. 8. 3 und E. 9.).