1C_79/2016: Sanierung und Erhöhung der Grimselstaumauer / Moorschutz steht Ausbauvorhaben nicht entgegen (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid vom 5. April 2017 beurteilte das BGer eine Stre­it­igkeit zwis­chen der Kraftwerke Ober­hasli AG (KWO) und ver­schiede­nen Umweltver­bän­den im Zusam­men­hang mit der Ver­grösserung des Grim­selsees und der Sanierung sowie Erhöhung der Grim­sel­stau­mauer. Die Land­schaft im Bere­ich des Grim­sel­stausees ist im Inven­tar der Moor­land­schaften von beson­der­er Schön­heit und von nationaler Bedeu­tung inven­tarisiert. Die südliche Gren­ze des Perime­ters wurde 27 m über dem heuti­gen Seespiegel des Grim­selsees gezo­gen. Im Jahr 2010 reichte die KWO ein Gesuch um Anpas­sung und Ergänzung der Gesamtkonzes­sion ein (Aus­bau­vorhaben “KWO Plus”). Sie beab­sichtigt, den Staus­piegel des Grim­selsees um 23 m anzuheben und dessen Spe­icher­vol­u­men um 75 Mio. m3 zu ver­grössern. Das Gesuch wurde vom Grossen Rat des Kan­tons Bern gut­ge­heis­sen. Nach­dem ver­schiedene Umweltver­bände an das Bernische Ver­wal­tungs­gericht gelangten, welch­es die Beschw­erde guthiess, rief die KWO das BGer an. Dieses stützt das Begehren der Kraftwerkbetreiberin.

Das BGer hält vor­ab fest, dass der Bun­desrat, als er die Moor­land­schaft im Jahr 2004 inven­tarisierte, den Perime­ter so fest­gelegt habe, dass das Aus­bau­vorhaben “KWO Plus” in Zukun­ft real­isiert wer­den könne. Das Bernische Ver­wal­tungs­gericht hielt das Vorge­hen des Bun­desrats indessen für ver­fas­sungswidrig: bei der Grenzziehung hät­ten die Erweiterungsin­ter­essen der KWO nicht berück­sichtigt wer­den dür­fen und der geschützte Perime­ter hätte gröss­er aus­fall­en müssen.

Art. 23b Abs. 3 NHG (Bun­des­ge­setz über den Natur- und Heimatschutz; SR 451) hält fest, dass der Bun­desrat unter Berück­sich­ti­gung der beste­hen­den Besied­lung und Nutzung die schützenswerten Moor­land­schaften von beson­der­er Schön­heit und von nationaler Bedeu­tung beze­ichne und ihre Lage bes­timme. Dabei sei es — so das BGer — unter Berück­sich­ti­gung der par­la­men­tarischen Wil­len­säusserun­gen zuläs­sig, dass der Bun­desrat von einem weit­en Begriffsver­ständ­nis der “beste­hen­den Nutzung” aus­ge­gan­gen sei. Er habe deshalb bei der defin­i­tiv­en Abgren­zung der Perime­ter konkrete Vorhaben zur Änderung oder Erweiterung der beste­hen­den Nutzun­gen berück­sichti­gen dür­fen (so auch das Aus­bau­vorhaben “KWO Plus”).

Das BGer prüft sodann, ob der Bun­desrat seinen Ermessens- und Beurteilungsspiel­raum bei der Fes­tle­gung des Perime­ters über­schrit­ten hat und kommt unter mass­ge­blich­er Berück­sich­ti­gung eines Berichts der Emch+Berger AG vom 27. März 2003 zu fol­gen­dem Schluss:

Zusam­men­fassend wer­den durch die Fes­tle­gung der Süd­gren­ze der Moor­land­schaft um 27 m über dem 1996 fest­ge­set­zten Pro­vi­so­ri­um keine für die Moor­land­schaft ‘Grim­sel’ wesentlichen und charak­ter­is­tis­chen Werte vom Schutz aus­geklam­mert; vielmehr erscheint die Perime­terre­duk­tion ins­ge­samt ger­ingfügig. Angesichts des beson­ders niedri­gen Mooran­teils kann von einem Rand­streifen gesprochen wer­den. Die Schutzziele wer­den auch mit dem defin­i­tiv­en Perime­ter im Wesentlichen erre­icht. (E. 8.2.)

Abschliessend erläutert das BGer, dass die Spe­icherka­paz­ität des Stausees durch den Aus­bau des Kraftwerks bei einem min­i­malen Landbe­darf um 75 Mio. m3 auf neu 170 Mio. m3 ver­grössert wer­den könne. Dies entspreche 20 % des gesamtschweiz­erischen Aus­baupoten­zials. Das öffentliche und pri­vate Inter­esse an einem Aus­bau sei erheblich.