1C_267/2016: Gültigkeit der Bündner Volksinitiative “Nur eine Fremdsprache in der Primarschule” (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 3. Mai 2017 äusserte sich das BGer zur im Kan­ton Graubün­den ein­gere­icht­en Volksini­tia­tive “Nur eine Fremd­sprache in der Pri­marschule (Fremd­sprachenini­tia­tive)”. Die kan­tonale Volksini­tia­tive wurde in der Form der all­ge­meinen Anre­gung mit dem fol­gen­den Wort­laut eingereicht:

Das Gesetz für die Volkss­chulen des Kan­tons Graubün­den ist so abzuän­dern und auszugestal­ten, dass in der Pri­marschule für den Fremd­sprache­nun­ter­richt im ganzen Kan­ton fol­gende Regel gilt: In der Pri­marschule ist nur eine Fremd­sprache oblig­a­torisch, je nach Sprachre­gion ist dies Deutsch oder Englisch.

In der Folge kamen die bei­den Pro­fes­soren Adri­ano Pre­vi­tali (Nur eine Fremd­sprache in der Pri­marschule?, in: ZGRG 2/2014 S. 93 ff.) und Bern­hard Ehren­zeller (Gutacht­en zur Frage der Gültigkeit der kan­tonalen Volksini­tia­tive “Nur eine Fremd­sprache in der Pri­marschule”) zum Schluss, dass die Volksini­tia­tive für ungültig zu erk­lären sei. Nach­dem der Grosse Rat des Kan­tons Graubün­den die Volksini­tia­tive für ungültig erk­lärte, hiess das kan­tonale Ver­wal­tungs­gericht eine von sechs Pri­vat­per­so­n­en ein­gere­ichte Beschw­erde gegen den Ungültigkeits­beschluss gut. Die von 18 Pri­vat­per­so­n­en gegen diesen Entscheid geführte Beschw­erde wird vom BGer abgewiesen.

Das BGer weist zunächst darauf hin, dass das Ini­tia­tivbegehren von den Ver­fahrens­beteiligten übere­in­stim­mend so aus­gelegt werde, dass die Pri­marschüler aus den ital­ienisch- und rätoro­man­is­chsprachi­gen Regio­nen einzig in der Fremd­sprache Deutsch und die Pri­marschüler aus den deutschsprachi­gen Regio­nen einzig in der Fremd­sprache Englisch oblig­a­torisch unter­richtet wer­den kön­nten. Die Ini­tia­tive schliesse jedoch das Ange­bot ein­er zweit­en Fremd­sprache in der Pri­marschule auf frei­williger Basis nicht aus.

Die Beschw­erde­führer dage­gen brin­gen vor, dass die Ini­tia­tive das Rechts­gle­ich­heits­ge­bot (Art. 8 Abs. 1 BV) ver­let­ze. Diese Ver­let­zung sei im Umstand zu erblick­en, dass die Pri­marschüler je nach Sprachre­gion entwed­er nur in der Fremd­sprache Deutsch oder nur in der Fremd­sprache Englisch oblig­a­torisch unter­richtet wür­den. Das BGer pflichtet den Beschw­erde­führerin insofern bei, als die von der Ini­tia­tive vorge­se­hene Regelung nicht gewährleiste, dass die Schüler aus den ver­schiede­nen Sprachre­gio­nen zu jedem Zeit­punkt ihrer Aus­bil­dung bzw. am Ende der Pri­marschule über ver­gle­ich­bare Kom­pe­ten­zen in ein­er zweit­en Lan­dessprache sowie in Englisch verfügten.

Obwohl die Fremd­sprachenini­tia­tive — so das BGer — zum Rechts­gle­ich­heits­ge­bot oder zum Diskri­m­inierungsver­bot in einem gewis­sen Span­nungsver­hält­nis ste­he, lasse sich die Ini­tia­tive vom Geset­zge­ber aber in ein­er Art und Weise umset­zen, die nicht gegen ver­fas­sungsrechtliche Grund­sätze ver­stosse. So könne sichergestellt wer­den, dass die Schüler bis zum Ende der oblig­a­torischen Schulzeit eine gle­ich­w­er­tige Sprachaus­bil­dung erhiel­ten, da die zweite Fremd­sprache in der Ober­stufe rel­a­tiv effizient erlernt wer­den könne. Zudem könne die Schul­träger­schaft verpflichtet wer­den, den unter­schiedlichen Vorken­nt­nis­sen der Schüler auf der Ober­stufe mit der Ein­führung von getren­nten Fremd­sprachen-Klassen Rech­nung zu tra­gen. Schliesslich kön­nten die Bedürfnisse von Schülern aus Ran­dre­gio­nen des Kan­tons mit Son­der­regelun­gen befriedigt werden.

Die weit­eren von den Beschw­erde­führern vorge­bracht­en Rügen weist das BGer mit jew­eils kurzen Begrün­dun­gen eben­falls ab (vgl. E. 6.–10.).