4A_625/2016: Fristlose Entlassung des Lastwagenchauffeurs nach Verkehrsunfall

A. (Beschw­erde­führer) war Last­wa­gen­chauf­feur der B. GmbH (Beschw­erdegeg­ner­in). Eines frühen Mor­gens fuhr A. mit dem Last­wa­gen der Beschw­erdegeg­ner­in mit ein­er Geschwindigkeit von min­destens 11 km/h über ein Stoppsig­nal hin­aus und kol­li­dierte mit einem kor­rekt fahren­den Per­so­n­en­wa­gen. Der Lenker des Per­so­n­en­wa­gens musste ins Spi­tal gebracht wer­den. Der Per­so­n­en­wa­gen erlitt Totalschaden. Die Polizei ent­zog A. auf der Unfall­stelle den Führerausweis. Noch am sel­ben Tag kündigte die B. GmbH das Arbeitsver­hält­nis mit A. frist­los. Das Anse­hen des Unternehmens habe Schaden genom­men und A. sei der Führerausweis ent­zo­gen wor­den. Im Betrieb sei kein alter­na­tiv­er Arbeit­splatz vorhan­den gewe­sen. Später wurde A. wegen grober Verkehrsregelver­let­zung schuldig gesprochen und zu ein­er bed­ingten Geld­strafe und ein­er Verbindungs­busse verurteilt. Als Admin­is­tra­tiv­mass­nahme wurde A. der Führerausweis für drei Monate entzogen.

A. reichte Klage wegen ungerecht­fer­tigter frist­los­er Ent­las­sung ein. Der Gericht­spräsi­dent des Region­al­gerichts Bern­er Jura-See­land erkan­nte im Wesentlichen, dass die Kündi­gung nicht gerecht­fer­tigt war, sprach aber keine Entschädi­gung nach Art. 337c Abs. 3 OR zu. Gegen diesen Entscheid erhob A. Beru­fung. Das Oberg­ericht des Kan­tons Bern bejahte das Vor­liegen eines wichti­gen Grun­des für eine frist­lose Kündi­gung und wies die Klage ab. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde von A. ab, soweit es darauf ein­trat (Urteil 4A_625/2016 vom 9. März 2017).

Vor Bun­des­gericht machte A. ins­beson­dere gel­tend, der Unfall sei ein sin­gulär­er Vor­fall in sein­er gesamten Kar­riere als Beruf­schauf­feur gewe­sen. Er sei nicht zu schnell gefahren und habe wed­er unter Alko­hol- noch Dro­gene­in­fluss ges­tanden. An Schlaf­man­gel habe A. nicht gelit­ten und er habe vor dem Stoppsig­nal abge­bremst, jedoch das ent­ge­genk­om­mende Fahrzeug überse­hen (E. 2.2., 4 und 6.1). Der Unfall müsse als Ver­wirk­lichung eines Risikos gese­hen wer­den, das sein­er Arbeit­stätigkeit als Beruf­schauf­feur inhärent sei. Es stelle sich die Frage, ob stets ein wichtiger Grund für eine frist­lose Kündi­gung gegeben sei, wenn sich ein inhärentes Beruf­s­risiko ver­wirk­liche (E. 5.1.1).

Das Bun­des­gericht hielt dage­gen, die Vorin­stanz habe das Beruf­s­risiko berück­sichtigt und sich mit der Stel­lung und Ver­ant­wor­tung von A. als Beruf­schauf­feur auseinan­derge­set­zt. Die Vorin­stanz habe bun­desrecht­skon­form erkan­nt, dass die Ver­fehlung des Beschw­erde­führers nicht mit einem “inhärenten” Beruf­s­risiko bagatel­lisiert wer­den könne. Ger­ade Beruf­schauf­feure müssten auf­grund ihrer Erfahrung und des klar erhöht­en Betrieb­srisikos ihres Fahrzeuges beson­ders aufmerk­sam sein. An ihr Ver­hal­ten dürften dies­bezüglich beson­ders strenge Anforderun­gen gestellt wer­den (E. 5.1.2 und. 6.3).

Das Bun­des­gericht warf A. eine schwere Ver­let­zung sein­er Sorgfalt­spflicht­en vor, da er sich als Beruf­schauf­feur bei Ver­rich­tung sein­er Arbeit­sleis­tung mit einem Last­wa­gen über eine wichtige Verkehrsvorschrift wie ein Stoppsig­nal vorsät­zlich hin­wegge­set­zt habe. Dieses Fehlver­hal­ten habe sich unmit­tel­bar auf das Arbeitsver­hält­nis aus­gewirkt. Die Ver­fehlung sei objek­tiv geeignet gewe­sen, die für das Arbeitsver­hält­nis wesentliche Ver­trauensgrund­lage, dass sich A. bei der Arbeit an die Regeln des Strassen­verkehrs halte, tief­greifend zu erschüt­tern. Trotz der kurzen Kündi­gungs­frist von einem Monat sei es der B. GmbH nicht zuzu­muten gewe­sen, das Arbeitsver­hält­nis fortzuset­zen. Dies ins­beson­dere auch deshalb, weil kein alter­na­tiv­er Arbeit­splatz zur Ver­fü­gung ges­tanden habe (vgl. zum Ganzen E. 6.3).