5A_745/2016: Aufhebung eines Arrests wegen Rechtsmissbrauchs (amtl. Publ., frz.)

Im vor­liegen­den, zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil hat­te das Bun­des­gericht zu entschei­den, ob ein Arrest rechtsmiss­bräuch­lich war und ob das Betrei­bungsamt deswe­gen den Vol­lzug hätte ver­weigern müssen. Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Das Beru­fungs­gericht des Kan­tons Waadt hat­te den Kan­ton Waadt dazu verurteilt, eine Entschädi­gung an A. wegen ungerecht­fer­tigter Haft auszuzahlen. Der Betrag wurde in der Folge an den Vertei­di­ger von A. über­wiesen. Wegen ver­schieden­er unbeglich­en­er Forderun­gen wurde der aus­bezahlte Betrag allerd­ings sogle­ich wieder vom Betrei­bungsamt ver­ar­restiert. Die Parteien gelangten in dieser Sache bere­its ein erstes Mal ans Bun­des­gericht (Ver­fahren 5A_389/2014), welch­es den vorin­stan­zlichen Entscheid aufhob und an die Vorin­stanz zur Neubeurteilung zurück­wies. Auch im neuen Entscheid wurde der Arrest allerd­ings geschützt. A. wandte sich in der Folge erneut ans Bundesgericht.

Das Bun­des­gericht führte zunächst aus, dass eine Arrestle­gung keine Voll­streck­ung­shand­lung ist, son­dern nur eine vor­sor­gliche Mass­nahme, welche den Schuld­ner daran hin­dern soll, über sein Ver­mö­gen zu ver­fü­gen und es ein­er kün­fti­gen Voll­streck­ung seines Gläu­bigers zu entziehen. Die Arrestle­gung beruht auf dem von der zuständi­gen Behörde nach Art. 272 und 274 SchKG erlasse­nen Arrest­be­fehl. Dessen Grund­la­gen sind vom beauf­tragten Betrei­bungsamt nicht nachzuprüfen. Denn über die mit dem Arrest­grund zusam­men­hän­gen­den Fra­gen hat auss­chliesslich zunächst die Arrest­be­hörde und sodann der Richter im Arrestaufhe­bung­sprozess zu befind­en. Die Prü­fung des Rechtsmiss­brauchs bleibt jedoch vor­be­hal­ten. Wurde der Arrest unter Umstän­den ange­ord­net, die erken­nen lassen, dass der Gläu­biger gegen den Grund­satz von Treu und Glauben ver­stösst, so muss das Betrei­bungsamt den Vol­lzug des Arrests zurück­weisen (E. 3.1).

Das Bun­des­gericht erin­nerte weit­er daran, dass eine Genug­tu­ungs­forderung des nicht verurteil­ten Beschuldigten nicht mit der Forderung des Staates aus Ver­fahren­skosten ver­rech­net wer­den kann. Obwohl die Arrestle­gung keine Voll­streck­ung­shand­lung ist, hat sie wirtschaftlich gese­hen die gle­ichen Fol­gen wie eine Ver­rech­nung (E. 3.3).

Das Bun­des­gericht stellte abschliessend fest, dass der Kan­ton Waadt, nach­dem er die Arrestle­gung ange­ord­net hat, die Genug­tu­ungs­forderung auf das Kon­to des Vertei­di­gers über­wiesen hat, nur damit er die Ver­rech­nung umge­hen kann. Da ein solch­es Ver­hal­ten den Grund­satz von Treu und Glauben ver­let­zt, hätte sich das Betrei­bungsamt der Arrestle­gung wider­set­zen müssen. Die Beschw­erde wurde gut­ge­heis­sen und der Arrest aufgehoben.