1C_312/2017: Konkretisierung der Rechtsprechung zur Verbandsbeschwerde (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid vom 12. Feb­ru­ar 2018 äusserte sich das BGer zum Ver­bands­beschw­erderecht der Umwelt- und Naturschut­zor­gan­i­sa­tio­nen. Im Jahr 2015 erfuhr die Stiftung WWF Schweiz (im Fol­gen­den: WWF), dass das Bun­de­samt für Land­wirtschaft (im Fol­gen­den: BLW) Über­prü­fungsver­fahren zu ver­schiede­nen Pflanzen­schutzmit­teln, unter anderem mit dem Wirk­stoff Quin­oclamine, durch­führte. In der Folge gelangte der WWF an das BLW mit den Anträ­gen, er sei zu diesen Über­prü­fungsver­fahren beizu­laden und es sei ihm Aktenein­sicht zu gewähren. Zur Begrün­dung machte der WWF gel­tend, dass der Wirk­stoff für Wild­bi­enen und andere Insek­ten hochgiftig sei und die ein­heimis­che Tier­welt sowie die biol­o­gis­che Vielfalt gefährde. Nach­dem das BLW den Antrag auf Beiladung ablehnte, gelangte der WWF an das BVGer, welch­es die Beschw­erde des Umweltver­bands guthiess. Die gegen diesen Entscheid geführte Beschw­erde weist das BGer ab.

Stre­it­ig ist im vor­liegen­den Fall, ob Art. 12 Abs. 1 NHG (Bun­des­ge­setz über den Natur- und Heimatschutz; SR 451) dem WWF das Beschw­erderecht ein­räumt und ihm damit Parteis­tel­lung ver­schafft. Das Eid­genös­sis­che Departe­ment für Wirtschaft, Bil­dung und Forschung (im Fol­gen­den: WBF) macht vor BGer gel­tend, dass das Ver­bands­beschw­erderecht nur bei Bun­de­sauf­gaben mit räum­lichem Bezug zum Tra­gen komme. Dieser Raum­bezug sei aber nicht gegeben.

Das BGer ist ander­er Ansicht und hält fest, dass das Ele­ment der Raum­rel­e­vanz in der bish­eri­gen bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung keine Rolle gespielt habe. Auch der Wort­laut und die Entste­hungs­geschichte von Art. 12 NHG sprächen gegen eine der­ar­tige Beschränkung. Das­selbe gelte für den Sinn und Zweck, was durch den vor­liegen­den stre­it­i­gen Fall belegt werde:

[…] Der Zulas­sungsentscheid ist darauf aus­gerichtet, dass die zuge­lasse­nen Pflanzen­mit­tel in der Land­wirtschaft ver­wen­det und damit Stoffe mit einem poten­ziell erhe­blichen Schädi­gungspoten­zial freige­set­zt wer­den. Dabei beschränken sich die Auswirkun­gen nicht von vorn­here­in auf bes­timmte Gebi­ete, son­dern kön­nen Böden, Gewäss­er und Leben­sräume in der ganzen Schweiz betr­e­f­fen. Dies ver­stärkt jedoch nur das Schutzbedürf­nis und spricht somit nicht gegen, son­dern für die Zulas­sung der Ver­bands­beschw­erde. Wie die aus­drück­liche Vorschrift in Art. 18 Abs. 2 NHG zeigt, gehört der vor­sor­gliche Schutz von Tieren und Pflanzen gegen Gift­stoffe bei der Schädlings­bekämp­fung zu den zen­tralen Anliegen des NHG. Der Auss­chluss der Ver­bands­beschw­erde in diesem Bere­ich würde damit den Inten­tio­nen des Geset­zge­bers klar wider­sprechen. (E. 6.3.)

Die Bedenken des WBF, wonach die Zulas­sung von Umwelt- und Naturschut­zor­gan­i­sa­tio­nen die Wirk­stof­füber­prü­fungsver­fahren in erhe­blichem Masse verzögere, zer­streut das BGer, indem es dem WBF in Erin­nerung ruft, dass die Ver­fahren durch entsprechende Fris­tanset­zun­gen straff geführt wer­den könnten.

Vgl. auch die Medi­en­mit­teilung des BGer vom 8. März 2018.