4A_432/2017: Fehlende Bestimmheit einer Vertragsklausel hinsichtlich der Streiterledigung durch ein Schiedsgericht

Mit dem Entscheid 4A_432/2017 vom 22. Jan­u­ar 2018 hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde gut, das Tri­bunal Arbi­tral du Sport (TAS) habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt.
B. (Kläger, Beschw­erdegeg­n­er) ist ein ehe­ma­liger Spiel­erver­mit­tler. A. (Beklagter, Beschw­erde­führer) ist ein pro­fes­sioneller Fuss­ball­spiel­er. Die Parteien unterze­ich­neten im Sep­tem­ber 2011 einen exk­lu­siv­en Ver­mit­tlungsver­trag. Die Vere­in­barung enthielt in Zif­fer 6 die fol­gende Klausel zur Streiterledigung:
Para la tramitación y dilu­ci­dación de cualquier con­flic­to que pudiere sus­ci­tarse con moti­vo de la cel­e­bración, inter­pretación, eje­cu­ción y extin­ción de este con­tra­to y sin per­ju­di­cio que podrán ocur­rir por ante las instan­cias fed­er­a­ti­vas nacionales e inter­na­ciones que cor­re­spon­dan (Órgano de Res­olu­ción de Lit­i­gos AFA y Comisión del Estatu­to del Jugador FIFA en el orden inter­na­tion­al), con fun­da­men­to en la garan­tía con­sti­tu­cional del juez nat­ur­al (art. 18 C.N. [Cos­ti­tu­ción Nacional]) las partes se some­ten al la juris­dic­ción y decisión del las tri­bunales ordi­nar­ios en lo Com­er­cial de Cap­i­tal Fed­er­al, Repúbli­ca Argentina.
In der im ange­focht­e­nen Entscheid wiedergegebe­nen Über­set­zung des Klägers:
For pro­cess­ing and elu­ci­da­tion of any con­flict that may arise in con­nec­tion with the cel­e­bra­tion [con­clu­sion], inter­pre­ta­tion, exe­cu­tion, and extinc­tion of the present con­tract and with­out prej­u­dice that can occur before nation­al and inter­na­tion­al bod­ies cor­rre­spond­ing states […], based on the con­sti­tu­tion­al guar­an­tee of nat­ur­al judge (Art. 18 N.C.) the par­ties sub­mit them­selves to the juris­dic­tion and deci­sions of the courts in the Com­er­cial de Cap­i­tal Fed­er­al, Repúbli­ca Argentina.
Im Sep­tem­ber 2013 reichte der Kläger beim Play­ers’ Sta­tus Com­mit­tee der Fédéra­tion Inter­na­tionale de Foot­ball Asso­ci­a­tion (FIFA) gestützt auf den Ver­mit­tlungsver­trag eine Klage auf Zahlung ein­er Entschädi­gung gegen den Beklagten ein. Mit Entscheid vom 30. Juni 2015 trat das FIFA Play­ers’ Sta­tus Com­mit­tee auf die Klage nicht ein. Auf Beru­fung des Klägers hob das TAS den Entscheid des FIFA Play­ers’ Sta­tus Com­mit­tee vom 30. Juni 2015 mit Schied­sentscheid vom 21. Juni 2017 auf und verurteilte den Beklagten zu ein­er Geldzahlung.
Mit Beschw­erde in Zivil­sachen beantragt der Beklagte dem Bun­des­gericht, es sei der Schied­sentscheid des TAS vom 21. Juni 2017 aufzuheben und es sei festzustellen, dass das TAS zur Beurteilung der Beru­fung des Beschw­erdegeg­n­ers nicht zuständig sei.
Das Bun­des­gericht rief ein­lei­t­end in Erin­nerung, dass unter ein­er Schiedsvere­in­barung eine Übereinkun­ft zu ver­ste­hen ist, mit der sich zwei oder mehrere bes­timmte oder bes­timm­bare Parteien eini­gen, eine oder mehrere, beste­hende oder kün­ftige Stre­it­igkeit­en verbindlich unter Auss­chluss der ursprünglichen staatlichen Gerichts­barkeit einem Schieds­gericht nach Mass­gabe ein­er unmit­tel­bar oder mit­tel­bar bes­timmten rechtlichen Ord­nung zu unter­stellen. Entschei­dend ist, dass der Wille der Parteien zum Aus­druck kommt, über bes­timmte Stre­it­igkeit­en ein Schieds­gericht, d.h. ein nicht­staatlich­es Gericht, entschei­den zu lassen. Bei der Ausle­gung ein­er Schiedsvere­in­barung ist deren Recht­snatur zu berück­sichti­gen; ins­beson­dere ist zu beacht­en, dass mit dem Verzicht auf ein staatlich­es Gericht die Rechtsmit­tel­wege stark eingeschränkt wer­den. Ein solch­er Verzichtswille kann nach bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung nicht leichthin angenom­men wer­den, weshalb im Zweifels­fall eine restrik­tive Ausle­gung geboten ist.
Das Bun­des­gericht erk­lärte, dass das Schieds­gericht die Zuständigkeit des FIFA Play­ers’ Sta­tus Com­mit­tee — und davon aus­ge­hend indi­rekt seine eigene Zuständigkeit — gestützt auf Zif­fer 6 des Ver­mit­tlungsver­trags bejaht hat­te. Wie das Bun­des­gericht bemerk­te, liessen sich dem ange­focht­e­nen Entscheid jedoch keine Fest­stel­lun­gen ein­er tat­säch­lichen Eini­gung der Parteien hin­sichtlich der Stre­it­erledi­gung ent­nehmen. Entsprechend war Zif­fer 6 des Ver­mit­tlungsver­trags nach dem Ver­trauen­sprinzip auszulegen.
Das Bun­des­gericht bemerk­te, dass während die fragliche Klausel kein Schieds­gericht — geschweige denn das TAS — erwäh­nt, sich die Parteien nach ihrem Wort­laut aus­drück­lich der Gerichts­barkeit der Han­dels­gerichte der Haupt­stadt Argen­tiniens unter­war­fen, dies unter Bezug­nahme auf den Anspruch auf den ver­fas­sungsmäs­si­gen Richter. Wie der Hin­weis auf die bei­den erwäh­n­ten Ver­bandsin­stanzen (“sin per­ju­di­cio que podrán ocur­rir por ante las instan­cias fed­er­a­ti­vas nacionales e inter­na­ciones que cor­re­spon­dan [Órgano de Res­olu­ción de Lit­i­gos AFA y Comisión del Estatu­to del Jugador FIFA en el orden inter­na­tion­al]”) genau zu ver­ste­hen sei, erschliesse sich wed­er aus dem Wort­laut noch aus den Umstän­den des Ver­tragss­chlusses. Während der ange­focht­ene Entscheid davon aus­ge­ht, es beste­he ein Vor­rang der fraglichen Ver­bandsin­stanzen, sobald der Rechtsstre­it in deren Zuständigkeit falle, sprach der Beschw­erdegeg­n­er von ein­er  alter­na­tiv­en Zuständigkeit der Verbandsorgane.
Gemäss Bun­des­gericht liess sich aus der Bezug­nahme auf die bei­den erwäh­n­ten Ver­bandsin­stanzen der AFA und der FIFA jedoch kein klar­er mut­masslich­er Wille der Parteien ent­nehmen, Stre­it­sachen aus dem Ver­mit­tlungsver­trag von der staatlichen Gerichts­barkeit auszunehmen und ein­er Entschei­dung durch ein Schieds­gericht zu unter­stellen. Abge­se­hen davon, dass es sich bei den zwei aufge­führten Instanzen nicht um Schieds­gerichte han­deln würde, son­dern um blosse ver­bandsin­terne Organe, bestün­den keine Hin­weise darauf, dass die Vere­in­barung des Gerichts­stands als reine Ersatz­zuständigkeit für den Fall zu ver­ste­hen wäre, dass die Ver­band­sor­gane sich als unzuständig erk­lären soll­ten. Bei einem Rechtsstre­it zwis­chen Spiel­er und Spiel­erver­mit­tler wür­den die im ange­focht­e­nen Entscheid erwäh­n­ten Ver­band­sregeln lediglich zwis­chen nationalen und inter­na­tionalen Stre­it­igkeit­en unter­schei­den, die entwed­er in die Zuständigkeit des Nation­alver­bands oder des FIFA Play­ers’ Sta­tus Com­mit­tee fall­en; in sach­lich­er Hin­sicht seien keine beson­deren Ein­schränkun­gen der Zuständigkeit ersichtlich. Aus­ge­hend von der schieds­gerichtlichen Auf­fas­sung eines Vor­rangs der Zuständigkeit dieser Ver­band­sor­gane verbliebe daher für die vere­in­barte Zuständigkeit der staatlichen Gerichte von Buenos Aires prak­tisch kein Raum. Ein solch­es Ver­ständ­nis entspricht gemäss Bun­des­gericht unter Berück­sich­ti­gung der gewählten For­mulierung der Klausel, die im Grund­satz die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte vor­sieht, nicht dem mut­masslichen Willen der Parteien. Der von den Parteien aus­drück­lich betonte Anspruch auf den ver­fas­sungsmäs­si­gen Richter spreche auch gegen die — nicht näher begrün­dete — Auf­fas­sung des Beschw­erdegeg­n­ers, den Parteien ste­he das Recht zu, nach Wahl entwed­er die in der Ver­tragsklausel erwäh­n­ten ver­bandsin­ter­nen Instanzen (und anschliessend ein Schieds­gericht) oder die staatlichen Gerichte in Buenos Aires anzurufen.
Das Bun­des­gericht fuhrt fort, dass abge­se­hen davon, dass die Zuständigkeit eines Schieds­gerichts in der Klausel nicht erwäh­nt werde, sich nach dem Ver­trauen­sprinzip keine ein­deutige Rang­folge zwis­chen der Zuständigkeit der Ver­band­sor­gane ein­er­seits und der­jeni­gen der staatlichen Han­dels­gerichte ander­er­seits ergeben würde. Der ver­traglichen Regelung fehle es damit an der Bes­timmtheit hin­sichtlich der Stre­it­erledi­gung durch ein Schieds­gericht; ihr lasse sich nach Treu und Glauben keine übere­in­stim­mende Wil­lenserk­lärung ent­nehmen, Steit­sachen aus dem Ver­mit­tlungsver­trag von der staatlichen Gerichts­barkeit auszunehmen. Das vom Beschw­erdegeg­n­er angerufene Schieds­gericht habe sich daher gemäss Bun­des­gericht für die Beurteilung der Stre­it­sache zu Unrecht für zuständig erklärt.
Die Beschw­erde wurde dem­nach gut­ge­heis­sen, der ange­focht­ene Schied­sentscheid aufge­hoben und antrags­gemäss fest­gestellt, dass das TAS für die zu beurteilende Stre­it­sache nicht zuständig ist.