2C_861/2017: Anwendung des Vergaberechts auf Leistungen der spitalexternen Pflege

Das Bun­des­gericht äusserte sich in diesem Urteil zur Frage, ob die Beauf­tra­gung ein­er Spi­tex-Organ­i­sa­tion mit der Erbringung von Leis­tun­gen der spi­talex­ter­nen Pflege einen öffentlichen Auf­trag darstellt und somit vom objek­tiv­en Anwen­dungs­bere­ich der IVöB erfasst wird. Da die Qual­i­fizierung der Über­tra­gung von Spi­tex-Dien­stleis­tun­gen an pri­vate Organ­i­sa­tio­nen als öffentlich­er Auf­trag in den Kan­to­nen unter­schiedlich erfolge und in der Lehre Uneinigkeit über diese Frage beste­he, bejahte das Bun­des­gericht das Vor­liegen ein­er Frage von grund­sät­zlich­er und erhe­blich­er prak­tis­ch­er Bedeu­tung i.S.v. Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG (E. 1.3.4).

In casu ging es um die von der Gemeinde Aar­burg AG beab­sichtigte Neu­ver­gabe der Spi­tex-Leis­tun­gen im Ein­ladungsver­fahren. Im Ein­ladungss­chreiben bzw. im beiliegen­den Anforderungskat­a­log wurde ins­beson­dere die Gewich­tung der Zuschlagskri­te­rien (80% Preis, 20% übrige Kri­te­rien) aufge­führt. Der Frauen­vere­in Spi­tex Aar­burg, der eben­falls zur Ein­re­ichung ein­er Offerte ein­ge­laden wurde, reichte Beschw­erde beim Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Aar­gau ein und beantragte diverse Anpas­sun­gen beim Ein­ladungss­chreiben und ins­beson­dere eine Über­prü­fung der Gewich­tung. Das Ver­wal­tungs­gericht trat auf die Beschw­erde nicht ein, mit der Begrün­dung, die Ver­gabe von Spi­tex-Leis­tun­gen bzw. die Erteilung eines Leis­tungsauf­trags an eine gemein­same Organ­i­sa­tion unter­ste­he nicht den Vorschriften des öffentlichen Beschaf­fungsrechts. Art. 10 Abs. 1 lit. a IVöB nehme die Ver­gabe von Aufträ­gen an Behin­dertenor­gan­i­sa­tio­nen, Wohltätigkeit­sein­rich­tun­gen oder Strafanstal­ten aus­drück­lich vom Gel­tungs­bere­ich der Vere­in­barung aus. Der Frauen­vere­in als pri­vater Leis­tungser­bringer habe keine wirtschaftliche Zweck­set­zung und ver­folge keine wirtschaftlichen Ziele, son­dern sei rein ideell motiviert (E. 3.1 und 3.6).

Das Bun­des­gericht rief zunächst seine Recht­sprechung zur Frage in Erin­nerung, was unter ein­er öffentlichen Beschaf­fung i.S.v. Art. 83 lit. f BGG zu ver­ste­hen sei. Dabei wies es ins­beson­dere darauf hin, dass das GPA auf ein eher weites Ver­ständ­nis des Begriffs “öffentliche Beschaf­fung” hin­deute (E. 3.2–3.3).

Dem Ver­wal­tungs­gericht stimmte das Bun­des­gericht insofern zu, als dieses zu Recht die Über­tra­gung der spi­talex­ter­nen Krankenpflege auf pri­vate Leis­tungser­bringer grund­sät­zlich als öffentlich­er Auf­trag qual­i­fizierte. Den Erwä­gun­gen des Ver­wal­tungs­gerichts, wonach dies nur für jene Fälle gelte, in denen der pri­vate Leis­tungser­bringer als Wirtschaft­steil­nehmer auftrete, mithin kom­merziell motiviert sei und gewin­nori­en­tiert tätig werde, fol­gte das Bun­des­gericht indessen nicht. Es erwog, dass ein Geschäft nur dann nicht als öffentlich­er Auf­trag gelte und daher ohne Beach­tung des Ver­gaberechts vergeben wer­den dürfe, wenn kumu­la­tiv (1.) die ideell motivierte Insti­tu­tion einen nicht-kom­merziellen Zweck ver­folge, (2.) diese Insti­tu­tion im Einzelfall, d.h. mit Bezug auf die fragliche Leis­tungser­bringung, nicht-kom­merzielle Absicht­en ver­folge, und (3.) das fragliche Geschäft tat­säch­lich nicht-kom­merziell aus­gestal­tet sei (E. 3.7.1). Die Absicht der Auf­tragge­ber bzw. die Aus­gestal­tung der Auss­chrei­bung sei von zen­traler Bedeu­tung. Im Zeit­punkt der Auss­chrei­bung sei in der Regel noch nicht bekan­nt, wer — mithin kom­merzielle und/oder nicht-kom­merzielle Anbi­eter — eine Offerte ein­re­ichen werde. Im Vorder­grund ste­he somit die Frage, ob der Auf­tragge­ber vor allem eine möglichst gün­stige Auf­gaben­er­fül­lung oder vielmehr die Unter­stützung ein­er gemein­nützi­gen Organ­i­sa­tion anstrebe (E. 3.7.2).

Mit Bezug auf den zu beurteilen­den Fall wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass die Gemeinde ein Ein­ladungsver­fahren durchge­führt habe, um den gün­stig­sten Anbi­eter von Spi­tex-Leis­tun­gen auszuwählen, mithin den­jeni­gen Anbi­eter, der die best­mögliche Qual­ität zu einem konkur­ren­zfähi­gen Preis anbi­etet. Dementsprechend werde das Zuschlagskri­teri­um Preis auch mit 80% gewichtet. Es ging der Gemeinde damit nicht um die Unter­stützung eines schutzbedürfti­gen nicht-kom­merziellen Anbi­eters (E. 3.7.3). In der Form, wie sie die Gemeinde aus­geschrieben hat, wür­den die Spi­tex-Leis­tun­gen damit dem öffentlichen Ver­gaberecht unter­ste­hen (E. 3.8).