4A_479/2018: Parteientschädigung für die Anschlussberufung bei Rückzug der Berufung (amtl. Publ.)

Die Beru­fungs­beklagte erhob in einem Beru­fungsver­fahren Anschluss­beru­fung. Die Beru­fungsklägerin zog in der Folge ihre Beru­fung zurück. Das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich schrieb daraufhin das Ver­fahren ab und verpflichtete die Beru­fungsklägerin, der Beru­fungs­beklagten für das Beru­fungsver­fahren eine gekürzte Parteientschädi­gung zu bezahlen. Den Aufwand der Beru­fungs­beklagten für die Anschluss­beru­fung entschädigte das Oberg­ericht nicht zusät­zlich. Es begrün­dete dies damit, dass die Beru­fungs­beklagte nach dem Mech­a­nis­mus der Anschluss­beru­fung das Risiko des Dahin­fal­l­ens bei Rück­zug der Beru­fung sel­ber trage.

Das Bun­des­gericht hob diesen Beschluss auf und wies die Sache zur Neubeurteilung der Kosten des Anschluss­beru­fungsver­fahrens an das Oberg­ericht zurück. Es erwog zusam­menge­fasst, dass (E. 3.4)

der Beru­fungskläger, wenn die Anschluss­beru­fung infolge des Rück­zugs der Beru­fung dahin­fällt, grund­sät­zlich dem Anschluss­beru­fungskläger die diesem in Zusam­men­hang mit der Anschluss­beru­fung ent­stande­nen Kosten angemessen zu erset­zen habe. Von diesem Grund­satz könne nur abgewichen wer­den, wenn die Umstände des Einzelfalls eine davon abwe­ichende Kosten­verteilung recht­fer­ti­gen wür­den, was sich in erster Lin­ie nach den Anträ­gen der Anschluss­beru­fung beurteile. Dabei han­dle es sich um einen Ermessensentscheid, der vom Gericht nach Recht und Bil­ligkeit im Sinne von Art. 4 ZGB zu tre­f­fen sei. Indem das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich gestützt auf all­ge­meine Über­legun­gen der Beru­fungs­beklagten keine Entschädi­gung für die von ihr im kan­tonalen Ver­fahren erhobene Anschluss­beru­fung zus­prach, habe sie Bun­desrecht ver­let­zt.

Das Bun­des­gericht wies in seinem Entscheid ins­beson­dere darauf hin, dass auch die Kosten des Beru­fungsver­fahrens nach Art. 104 ff. ZPO verteilt und liq­ui­diert wer­den und somit die Prozesskosten grund­sät­zlich nach dem Unter­liegerprinzip (Art. 106 ZPO) verteilt wer­den (E. 3.2.2.). Zudem erin­nerte das Bun­des­gericht an seine unter dem früheren Zürcher Organ­i­sa­tion­s­ge­setz ergan­gene Recht­sprechung, wonach der Beru­fungskläger die Kosten tra­gen müsse, die sich aus dem Dahin­fall­en der Anschluss­beru­fung ergeben, wenn auf die Beru­fung nicht einge­treten oder diese zurück­ge­zo­gen werde (E. 3.2.3).

Wenn der Beru­fungskläger, so das Bun­des­gericht weit­er, seine Beru­fung zurückziehe, gelte er im Beru­fungsver­fahren als unter­liegende Partei im Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO und habe dementsprechend grund­sät­zlich alle zweitin­stan­zlichen Prozesskosten zu tra­gen, wozu auch die Kosten des Beru­fungs­beklagten im Zusam­men­hang mit ein­er allfäl­li­gen Anschluss­beru­fung gehören wür­den. Es beste­he keine geset­zliche Grund­lage für eine abwe­ichende Behand­lung des für die Anschluss­beru­fung geleis­teten Aufwan­des (E. 3.3.1). Gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. e ZPO könne das Gericht die Prozesskosten in Abwe­ichung der Verteilungs­grund­sätze von Art. 106 ZPO nach Ermessen verteilen. Eine der­ar­tige Abwe­ichung lasse sich bezüglich des für die Anschluss­beru­fung ent­stande­nen Aufwan­des gegebe­nen­falls recht­fer­ti­gen. Die Aufer­legung dieser Kosten an den Beru­fungskläger als Verur­sach­er sei grund­sät­zlich gerecht­fer­tigt. Ander­er­seits sei zu berück­sichti­gen, dass die Anschluss­beru­fung nicht auf den Gegen­stand der Beru­fung beschränkt sei. Es kön­nten eigen­ständi­ge Anträge gestellt wer­den, die regelmäs­sig zu ein­er Erweiterung des Stre­it­ge­gen­standes führen wür­den. Unter Umstän­den, namentlich bei teil­weise offen­sichtlich unbe­grün­de­ten Begehren, erscheine es als unbil­lig, dem Beru­fungskläger die gesamten Kosten des gegen­stand­s­los gewor­de­nen Anschluss­beru­fungsver­fahrens aufzuer­legen. Diese Beurteilung erfolge in erster Lin­ie nach den Anträ­gen des Beru­fungsklägers (E. 3.3.2).

Das Bun­des­gericht hat­te sich in diesem Entscheid zudem mit der Rüge der Beru­fungs­beklagten zu befassen, das Oberg­ericht hätte die Bes­tim­mungen der kan­tonalen Anwalts­ge­bühren­verord­nung willkür­lich ange­wandt, da es die ihr nach dem Stre­itwert zuste­hende Parteientschädi­gung für die Beru­fungsant­wort gekürzt hätte. Das Bun­des­gericht ver­warf diese Rügen. Ins­beson­dere schützte es den Ein­wand der Beru­fungs­beklagten nicht, die gestützt auf die Seiten­zahlen der Rechtss­chriften im kan­tonalen Ver­fahren gel­tend machte, der Aufwand sei im Gegen­teil zu den Erwä­gun­gen des Oberg­erichts hoch gewe­sen. Dabei führte das Bun­des­gericht aus (E. 2.1.5):

Auch bei kom­plex­en Fra­gen kön­nen sich die Prozess­beteiligten kurz fassen. Ger­ade wenn die wirk­lich entschei­den­den Fra­gen ange­sprochen und behan­delt wer­den, ist der Aufwand für eine kurze und konzise Rechtss­chrift gröss­er, als bei weitschweifiger und redun­dan­ter Begrün­dung. Aus dem Umfang der Seiten­zahlen ergibt sich für den wirk­lich erforder­lichen Aufwand nichts.”