4A_540/2018: Voraussetzungen für den Ausschluss der Anwendung des 3. Teils der ZPO zugunsten des 12. Kapitels des IPRG (amtl. Publ.)

Im Entscheid 4A_540/2018 vom 7. Mai 2019 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, unter welchen Voraus­set­zun­gen Parteien im Rah­men eines Bin­nen­schiedsver­fahrens (im vor­liegen­den Fall in einem Ver­fahren vor dem Court of Arbi­tra­tion for Sport) rechts­gültig die Anwend­barkeit des 3. Teils der ZPO (das die Bin­nen­schieds­gerichts­barkeit regelt) zugun­sten des 12. Kapi­tels des IPRG (das die inter­na­tionale Schieds­gerichts­barkeit regelt) auss­chliessen kön­nen (soge­nan­ntes opt­ing out). Ein solch­es opt­ing out hat ins­beson­dere zur Folge, dass der Schiedsspruch nicht mit der Willkürbeschw­erde nach Art. 393 lit. e ZPO, son­dern nur mit der engeren Rüge der Ver­let­zung des Ordre pub­lic im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ange­focht­en wer­den kann. Die Anfech­tungs­gründe gegen den Schiedsspruch wer­den somit durch die Anwend­barkeit des IPRG beschränkt.

Gemäss Art. 353 Abs. 2 ZPO kön­nen die Parteien eines Bin­nen­schiedsver­fahrens die Gel­tung des 3. Teils der ZPO durch eine aus­drück­liche Erk­lärung in der Schiedsvere­in­barung oder mit später­er Übereinkun­ft auss­chliessen und die Anwen­dung der Bes­tim­mungen des 12. Kapi­tels des IPRG vere­in­baren. Eine solche Erk­lärung bedarf der schriftlichen Form im Sinne von Art. 358 ZPO.

Das Bun­des­gericht hielt fest, dass gemäss Art. 353 Abs. 2 ZPO fol­gende Bedin­gun­gen für ein gültiges opt­ing out zu erfüllen sind: (1) die Parteien müssen den 3. Teil der ZPO aus­drück­lich auss­chliessen; (2) die Par­tien müssen die auss­chliessliche Anwend­barkeit der Bes­tim­mungen des 12. Kapi­tels des IPRG vere­in­baren; und (3) die aus­drück­liche Erk­lärung der Parteien muss schriftlich erfolgen.

Im vor­liegen­den Fall unterze­ich­neten die Parteien vor­be­halt­s­los eine Prozessver­fü­gung (“Order of Pro­ce­dure”), die die fol­gende Bes­tim­mung bein­hal­tete (E.1.4.1):

In accor­dance with the terms of the present Order of Pro­ce­dure, the par­ties agree to refer the present dis­pute to the Court of Arbi­tra­tion for Sport (CAS) sub­ject to the Code of Sports relat­ed Arbi­tra­tion (2017 edi­tion) (the „Code“). Fur­ther­more, the pro­vi­sions of Chap­ter 12 of the Swiss Pri­vate Inter­na­tion­al Law Statute (PILS) shall apply, to the exclu­sion of any oth­er pro­ce­dur­al law“.

Das Bun­des­gericht erläuterte, dass eine Parteivere­in­barung, mit der das 12. Kapi­tel IPRG für anwend­bar erk­lärt wird, für ein gültiges opt­ing out nicht aus­re­icht. Vielmehr müsse gle­ichzeit­ig auch die Anwend­barkeit des 3. Teils der ZPO aus­drück­lich aus­geschlossen wer­den. Ein aus­drück­lich­er Auss­chluss der Anwend­barkeit des 3. Teils der ZPO liegt bere­its vor, wenn aus dem Wort­laut der Vere­in­barung der entsprechende Partei­wille ersichtlich ist (E. 1.6.1.3):

Au regard de ce qui précède, un opt­ing out val­able selon les art. 353 al. 2 CPC et 176 al. 2 LDIP ne requiert pas la men­tion expresse de la troisième par­tie du CPC ou, respec­tive­ment, du chapitre 12 de la LDIP, dans la con­ven­tion d’arbitrage ou dans une con­ven­tion ultérieure. Si une telle men­tion est recom­mand­able afin de couper court à toute dis­cus­sion, la valid­ité d’une élec­tion de droit n’en dépend pas. Comme l’a pré­cisé le Tri­bunal fédéral dans sa jurispru­dence rel­a­tive à l’art. 176 al. 2 LDIP, il suf­fit que la volon­té com­mune des par­ties d’exclure l’application de ces dis­po­si­tions ressor­tent claire­ment des ter­mes utilisés.“

Das Bun­des­gericht gelangte zum Schluss, dass aus dem Wort­laut der Prozessver­fü­gung aus­drück­lich der Wille der Parteien zum Auss­chluss der Anwend­barkeit des 3. Teils der ZPO ersichtlich war. Der aus­drück­liche Ver­weis auf den wegbe­d­ingten 3. Teil der ZPO war für den rechts­gülti­gen Auss­chluss nicht erforder­lich, die Wen­dung “to the exclu­sion of any oth­er pro­ce­dur­al law” brachte den Willen der Parteien genü­gend deut­lich zum Ausdruck.

Das Bun­des­gericht stellte auch klar, dass Parteien ein opt­ing out jed­erzeit bis zum Erlass des Schiedsspruchs vere­in­baren kön­nen. Obwohl es die Frage let­ztlich offen liess, deutete das Bun­des­gericht indes an, dass ein opt­ing out nach der Kon­sti­tu­ierung des Schieds­gerichts auch der Zus­tim­mung des Schieds­gerichts bedürfe.

Ver­fasst von Lukas Fell­mann / Michael Feit