4A_190/2019: Streitwertberechnung bei Beschwerden in Zivilsachen mit Streitverkündungsklagen (amtl. Publ.)

Hin­ter­grund dieses Urteils war eine Auseinan­der­set­zung zwis­chen dem Bauher­rn A, der den Architek­ten C mit der Pro­jek­t­pla­nung, der Bauleitung sowie der Kostenkon­trolle für ein Baupro­jekt beauf­tragte. Die Gesellschaft B. AG erhielt den Zuschlag für die Mauer- und Erdar­beit­en. In der Folge kam es zum Stre­it, im Zuge dessen die B. AG gegen A eine Klage auf Zahlung von CHF 31’500 zuzüglich Zin­sen vor dem Bezirks­gericht Mar­tigny et St-Mau­rice ein­re­ichte und während dem Ver­fahren die Klage auf CHF 29’500 zuzüglich Zin­sen reduzierte. A reichte eine Stre­itverkün­dungsklage gegen C auf Zahlung von CHF 45’000 zuzüglich Zin­sen ein. Die Stre­itverkün­dungsklage wurde zuge­lassen. C sein­er­seits erhob eine Widerk­lage gegen A auf Zahlung von CHF 12’400 zuzüglich Zinsen.

Das Bezirks­gericht hiess die Klage der B. AG vol­lum­fänglich und die Widerk­lage von C im Umfang von CHF 6’400 zuzüglich Zin­sen gut. Die Stre­itverkündi­gungsklage von A wurde man­gels Schaden­snach­weis abgewiesen. Der Wal­lis­er Cour civ­il II du Tri­bunal can­ton­al wies die von A ein­gere­ichte Beru­fung ab. A gelangte daraufhin mit­tels Beschw­erde in Zivil­sachen an das Bun­des­gericht, wo er beantragte, die von ihm an die B. AG zu leis­tende Zahlung auf CHF 19’175.20 zuzüglich Zin­sen zu reduzieren, C zu verpflicht­en, ihm CHF 36’000 zuzüglich Zin­sen zu bezahlen und die Widerk­lage von C abzuweisen.

Da eine Beschw­erde in Zivil­sachen grund­sät­zlich erst ab einem Stre­itwert von min­destens CHF 30’000 zuläs­sig ist (Art. 74 BGG), der Stre­itwert der Haup­tk­lage indessen lediglich CHF 29’500 betrug, bot sich dem Bun­des­gericht die Gele­gen­heit, sich zur Frage zu äussern, ob für die Stre­itwert­berech­nung hin­sichtlich der Zuläs­sigkeit ein­er Beschw­erde in Zivil­sachen die Rechts­begehren der Haup­tk­lage und der Stre­itverkündi­gungsklage zusam­men­zuzählen sind.

Das Bun­des­gericht wies zunächst auf die in der Lehre vertrete­nen, unter­schiedlichen Ansicht­en hin, näm­lich wonach (i) keine Zusam­men­rech­nung der Rechts­begehren zu erfol­gen habe, (ii) die auf Widerk­la­gen anwend­bare Regel (Art. 94 ZPO) ana­log anzuwen­den sei, oder (iii) die Rechts­begehren zusam­men­gerech­net wer­den müssten, da das Ver­fahren mehrere Ansprüche miteinan­der vere­ine, ver­gle­ich­bar mit ein­er sub­jek­tiv­en Klage­häu­fung (E. 2.3). Sodann erin­nerte das Bun­des­gericht an den Zweck der Stre­itverkün­dungsklage, näm­lich dass Ansprüche ver­schieden­er Beteiligter in einem einzi­gen Prozess — statt in sukzes­siv­en Einzelver­fahren — behan­delt wür­den und sich der Prozess dadurch zu einem Gesamt- bzw. Mehrparteien­ver­fahren erweit­ere, in dem sowohl über die Leis­tungspflicht des Beklagten (Haupt­prozess) als auch über den Anspruch der unter­liegen­den Partei gegenüber einem Drit­ten (Stre­itverkün­dung­sprozess) befun­den werde. Die Erweiterung zu einem Gesamtver­fahren ändere indessen nichts daran, dass mit der Haupt- und Stre­itverkün­dungsklage je eigene Prozess­rechtsver­hält­nisse begrün­det wür­den mit unter­schiedlichen Parteikon­stel­la­tio­nen und Rechts­begehren (E. 2.3 mit Hin­weisen auf die frühere Rechtsprechung).

Anschliessend wies das Bun­des­gericht auf den erläutern­den Bericht zur aktuellen Revi­sion der ZPO hin, wonach neu die Stre­itverkün­dungsklage auch dann zuläs­sig sein soll, wenn für diese alleine allen­falls das vere­in­fachte Ver­fahren anwend­bar wäre. Damit werde, so das Bun­des­gericht, impliz­it anerkan­nt, dass die Rechts­begehren der Haup­tk­lage mit den­jen­gen der Stre­itverkün­dungsklage nicht zusam­mengezählt wür­den (E. 2.3). Weit­er ver­weis das Bun­des­gericht auf sein Urteil BGE 142 III 102, E. 5.3.1, in welchem es erwogen hat­te, dass die Klage­summe für die Haup­tk­lage den Max­i­mal­be­trag für die Stre­itverkün­dungsklage darstelle und daher auch für die sach­liche Zuständigkeit sowie die Ver­fahren­sart der Stre­itverkün­dungsklage mass­ge­blich sei. Es sei mit anderen Worten, so das Bun­des­gericht, keine Zusam­men­rech­nung der im Hauptver­fahren und der Stre­itverkün­dungsklage gel­tend gemacht­en Ansprüche vorzunehmen. Dies könne bei der Bes­tim­mung des Stre­itwerts im Rah­men ein­er Beschw­erde in Zivil­sachen vor dem Bun­des­gericht nicht anders sein. Eben­so falle eine analoge Anwen­dung von Art. 52 BGG auss­er Betra­cht, da die Haup­tk­lage und die Stre­itverkün­dungsklage je eigene Prozess­rechtsver­hält­nisse mit unter­schiedlichen Parteikon­stel­la­tio­nen und Rechts­begehren begrün­den wür­den. Der Stre­itwert der Haup­tk­lage sei deshalb getren­nt vom Stre­it der Stre­itverkün­dungsklage zu berech­nen, wie es die Vorin­stanz vorgenom­men habe (E. 2.3).

Da mit Bezug auf die Haup­tk­lage kein Tatbe­stand von Art. 74 Abs. 2 BGG vor­lag, trat das Bun­des­gericht auf die Beschw­erde von A mit Bezug auf die Haup­tk­lage nicht ein. Bezo­gen auf die Stre­itverkün­dungsklage und die Widerk­lage wies das Bun­des­gericht die Beschw­erde von A ab.