1C_595/2018: Zonen- und Erschliessungsplan Ruinaulta / Anforderungen an die Detailabgrenzung eines Naturschutzgebiets (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 24. März 2020 beurteilte das BGer die Recht­mäs­sigkeit des Zonen- und generellen Erschlies­sungs­plans 1:5’000 Ruin­aul­ta der Bünd­ner Gemeinde Trin (ZP/GEP). Dieser Plan ändert Lage und Umfang der bish­eri­gen Naturschutz­zone und legt den neuen Abschnitt eines Fuss­wegs in der Tal­sohle der Rhein­schlucht von der Isla Bel­la-Brücke bis zum Elek­triz­itätswerk Pin­trun fest. Der Weg soll zwis­chen Bahn­strecke der Rhätis­chen Bahn (RhB) und Flus­sufer des Vorder­rheins ver­laufen. Gegen den ZP/GEP gelangten die Pro Natu­ra, der Schweiz­er Vogelschutz sowie der WWF bis vor BGer, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Das stre­it­ge­gen­ständliche Gebi­et lässt sich in vier Teil­bere­iche unterteilen: (1) erste Innen­biegung des Vorder­rheins nach der Isla Bel­la-Brücke; (2) Abschnitt zwis­chen Rabiusamün­dung und dem Bahn- und Wuhrdamm; (3) Damm­bauw­erk gegenüber Isla Davos; (4) Bere­ich im Osten des Damms bis zum West­por­tal des Bah­n­tun­nels. Alle vier Teil­bere­iche liegen im Perime­ter des Auenob­jek­ts Nr. 385 Ruin­aul­ta. Das Naturschutzge­bi­et des ZP/GEP soll den Bun­des­perime­ter dieses Auenob­jek­ts umset­zen. Die Beschw­erde­führer rügen im Wesentlichen die fehlende Parzel­len­ge­nauigkeit des Naturschutzge­bi­ets im ZP/GEP.

Das BGer hält dies­bezüglich fest, dass eine vol­lum­fängliche Parzel­len­ge­nauigkeit des Naturschutzge­bi­ets nicht zwin­gend sei. Sie sei indessen dort notwendig, wo bei den anstossenden Flächen erhe­bliche Nutzungskon­flik­te zum Auen­schutz zu erwarten seien. Ein solch­es Kon­flik­t­poten­zial sei im Nah­bere­ich ein­er Bah­nan­lage, also in den Teil­bere­ichen (2) bis (4) zu erwarten. In Bezug auf den Teil­bere­ich (4) führt das BGer aus, dass der Rand der auen­typ­is­chen Veg­e­ta­tion samt Gehölzen in die exten­sive Unter­halt­szone neben der Bah­nan­lage falle. Je näher die Gren­ze eines Auenge­bi­ets an ein­er Bahn­lin­ie gezo­gen wer­den muss, desto stärk­er greife dies in die Inter­essen des Bahn­be­triebs bzw. der Bahn­sicher­heit ein. An ein­er der­ar­ti­gen Lage sei es deshalb geboten, die Gren­ze des Naturschutzge­bi­ets parzel­len­ge­nau und namentlich im Ver­hält­nis zum Bah­nun­ter­halts­di­enst verbindlich zu ziehen. Die unbes­timmte Grenzziehung im Teil­bere­ich (4) genüge nicht und ver­let­ze Art. 3 i.V.m. Art. 5 AuenV (Auen­verord­nung; SR 451.31). Hin­sichtlich des Teil­bere­ichs (3) moniert das BGer, dass die RhB nicht rechts­genüglich in das Ver­fahren ein­be­zo­gen wor­den sei. Die RhB lagere an ver­schiede­nen Stellen des Bah­n­damms Mate­r­i­al aus den berg­seit­i­gen Stein­schlagver­bau­un­gen ab. Es liege nicht auf der Hand, dass solche Ablagerun­gen mit dem unter­halb gele­ge­nen Naturschutzge­bi­et vere­in­bar seinen. Die unbes­timmte Grenzziehung im Teil­bere­ich (3) sei eben­falls ungenü­gend und ver­let­ze Art. 3 i.V.m. Art. 5 AuenV. Betr­e­f­fend den Teil­bere­ich (2) wirft das BGer dem Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Graubün­den vor, dass nicht nachvol­l­zo­gen wer­den könne, ob eine Gren­ze am Flus­sufer in diesem Perime­ter sach­lich gerecht­fer­tigt sei. Insoweit beruhe das vorin­stan­zliche Urteil auf man­gel­haften Abklärun­gen und sei fol­glich bun­desrechtswidrig. Im Sinne eines Zwis­chen­faz­its hält das BGer fol­gen­des fest:

Zusam­menge­fasst erfüllt die Detail­ab­gren­zung des Naturschutzge­bi­ets in den Teil­bere­ichen 2, 3 und 4 im ZP/GEP 1:5’000 Ruin­aul­ta die bun­desrechtlichen Voraus­set­zun­gen für einen aus­re­ichen­den Schutz des Auenge­bi­ets nicht. Soweit das ange­focht­ene Urteil diesen Nutzungs­plan bestätigt, erweist es sich als rechtswidrig. Dies führt zur Aufhe­bung des ange­focht­e­nen Urteils in diesem Punkt und zur Aufhe­bung des fraglichen Nutzungs­plans. (E. 6.5.)

Lediglich aus prozessökonomis­chen Grün­den geht das BGer näher auf den Schutz der Voge­lart Flus­sufer­läufer ein. Es hält fest, dass der Flus­sufer­läufer auf Men­schen und allen­falls beglei­t­ende Hunde als natür­liche Feinde reagiere und vor ihnen fliehe. Als Grund­vo­raus­set­zung müsse gewährleis­tet sein, dass der für die Voge­lart nachteilige Wan­der­weg ausser­halb ihrer Reak­tions­dis­tanz angelegt würde. Ob ein Wan­der­weg zwis­chen der Isla Bel­la-Brücke und dem geplanten Fuss­gänger­tun­nel in der Tal­sohle unter Ein­hal­tung dieser Vor­gaben angelegt wer­den kann, sei angesichts der for­mulierten Schranken zweifelhaft.