Das Bundesgericht entschied in zwei Urteilen (2C_204/2020, welches amtlich publiziert wird, und 2C_205/2020), dass das anwaltliche Disziplinarverfahren eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK darstelle. Es erinnerte daran, dass der Begriff der “civil rights” nicht nur zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinn, sondern auch Verwaltungsakte einer hoheitlich handelnden Behörde umfasse, sofern sie massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreifen würden. Zivilrechtlichen Charakter könnten daher auch solche Entscheidungen haben, mit denen einer Person die Erlaubnis zur Ausübung eines Berufs verweigert oder entzogen werde. Darunter falle der Widerruf oder der disziplinarische Entzug einer Berufsausübungsbewilligung. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genüge dabei bereits, wenn der Katalog der zulässigen Sanktionen die Möglichkeit vorsehe, die Berufsausübungsbewilligung tatsächlich auszusetzen oder zu entziehen. Ob im konkreten Fall eine solche Berufsausübungsbewilligung angeordnet werde, sei irrelevant. Da nach Art. 17 Abs. 1 BGFA die Aufsichtsbehörde ein befristetes oder dauerndes Berufsausübungsverbot ausprechen könne, falle das anwaltliche Disziplinarverfahren in den Anwendungsbreich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2.2).
Sodann erinnerte das Bundesgericht an das fundamtentale Prinzip, wonach Art. 6 Ziff. 1 EMRK öffentliche Gerichtsverhandlung garantiere. Parteien müssten in zivilrechtlichen Streitigkeiten zumindest einmal im ganzen Verfahren Gelegenheit haben, ihre Argumente mündlich in einer öffentlichen Sitzung einem unabhängigen Gericht vorzutragen (in erster Instanz oder im Rechtsmittelverfahren), soweit sie nicht ausdrücklich oder stillschweigend auf die Durchführung eines öffentlichen Verfahrens verzichtet hätten. Das Verwaltungsgericht hatte erwogen, Art. 6 Ziff. 1 EMRK sei vorliegend nicht anwendbar, weil die Anwaltsaufsichtsbehörde lediglich eine Verwarnung ausgesprochen habe. Aufgrund des im kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz statuierten Verschlechterungsverbots sei die Gefahr, mit einem Berufsausübungsverbot belegt zu werden, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren definitiv gebannt gewesen. Diese Auffassung könne, so das Bundesgericht, nicht gefolgt werden. Das Rechtsmittelverfahren könne nicht isoliert, sondern müsse im Gesamtzusammenhang mit dem erstinstanzlichen Verfahren vor der Anwaltsaufsicht betrachtet werden. Da das anwaltliche Disziplinarverfahren eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche darstelle, bestehe ein Anspruch auf die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK verbrieften Verfahrensgarantien. Dass im Rechtsmittelverfahren aufgrund des anwendbaren kantonalen Prozessrechts kein Berufsausübungsverbot mehr zur Debatte stehe, ändere nichts an der Qualifikation des Verfahrens als zivilrechtliche Streitigkeit (E. 2.3).
Die angefochtenen Urteile wurden deshalb aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und zum Neuentscheid zurückgewiesen.