Die Frist zur Einreichung einer Widerklage wird nicht verlängert, wenn das Gericht einer Partei in Anwendung der richterlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO) Gelegenheit gibt, eine Klageantwort zu verdeutlichen oder zu vervollständigen. Dies geht aus einem neuen Urteil des Bundesgerichts hervor.
Hintergrund war ein Verfahren vor den Genfer Gerichten, in welchem sich die zunächst nicht anwaltlich vertretene Beklagte in ihrer Klageantwort darauf beschränkte, die Behauptungen des Klägers anzuerkennen oder zu bestreiten, ohne indessen eigene Behauptungen aufzustellen. Nachdem die Beklagte einen Anwalt mandatierte, beantragte dieser, der Beklagten sei eine Frist zur Einreichung der Klageantwort und von Belegen, eventualiter bloss eine Frist zur Einreichung von Belegen anzusetzen. Das Gericht setzte daraufhin, in Anwendung der richterlichen Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO, der Beklagten eine Frist an, um die Klageantwort zu vervollständigen, indem eigene Behauptungen aufgestellt und eigene Beweismittel eingereicht werden können. Die Beklagte reichte in der Folge eine Eingabe ein, mit welcher sie die erste Klageantwort “annulliert und ersetzt” haben und in welcher sie eine Widerklage erheben wollte. Die Vorinstanzen liessen die Widerklage indessen aufgrund verspätetem Einreichen nicht zu.
Das Bundesgericht schützte diese Beurteilung. Es wies zunächst darauf hin, dass gemäss klarem Wortlaut von Art. 224 Abs. 1 ZPO eine Widerklage spätestens in der Klageantwort zu erheben sei. Sodann erinnerte es daran, dass die richterliche Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO eine Abschwächung der Verhandlungsmaxime darstelle, gemäss welcher grundsätzlich die Parteien die Verantwortung für die Beibringung des Tatsachenfundaments tragen würden. Der Zweck dieser Bestimmung bestehe darin, dass eine Partei nicht wegen Unbeholfenheit ihres Rechts verlustig gehen solle, indem der Richter bei klaren Mängeln der Parteivorbringen helfend eingreifen soll. Die Ausübung der gerichtlichen Fragepflicht dürfe jedoch keine Partei einseitig bevorzugen und nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Parteien führen (E. 4.2).
Aufgrund des Zwecks und der Bedeutung der richterlichen Fragepflicht sei es, so das Bundesgericht weiter, offensichtlich, dass der Entscheid des Gerichts, einer beklagten Partei, welcher die Möglichkeit eingeräumt werde, ihre Klageantwort zu berichtigen, ihr keine zusätzliche Frist zur Einrechung einer Widerklage geben könne. Eine andere Lösung sei mit dem Prinzip der Waffengleichheit wie auch mit dem Prinzip der Gleichzeitigkeit von Angriffs- und Verteidigungsmitteln nicht vereinbar. Die Einräumung einer Frist gestützt auf Art. 56 ZPO habe somit keinen Einfluss auf den in Art. 224 Abs. 1 ZPO festgelegten Zeitpunkt, bis wann spätestens eine Widerklage erhoben werden müsse (E. 4.2).