4A_29/2019: Zulässigkeit negativer Feststellungswiderklagen im vereinfachten Verfahren (amtl. Publ.)

Eine Arbeit­nehmerin klagte am Arbeits­gericht Zürich im vere­in­facht­en Ver­fahren gegen ihre Arbeit­ge­berin auf die Bezahlung ein­er Überzeit­entschädi­gung von rund CHF 15’000 für das Jahr 2016 “unter Vor­be­halt der Nachk­lage”. Es han­dle sich um eine Teilk­lage aus ein­er Gesamt­forderung von rund CHF 50’000 für Überzeit­entschädi­gung der Jahre 2014 bis 2016. Mit­tels Widerk­lage beantragte die Arbeit­ge­berin die Fest­stel­lung, dass sie der Arbeit­nehmerin “keine Entschädi­gung aus Überzeit” schulde.

Der Einzel­richter im vere­in­facht­en Ver­fahren am Arbeits­gericht Zürich trat auf die Widerk­lage nicht ein und wies den Antrag auf Über­weisung in das ordentliche Ver­fahren ab. Das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich wies die von der Arbeit­ge­berin erhobene Beru­fung ab. Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde der Arbeit­ge­berin gut, hob das zweitin­stan­zliche Urteil auf und wies die Sache zu weit­eren Behand­lung an die Vorin­stanz zurück (Urteil 4A_29/2019 vom 10. Juli 2019).

Mit Blick auf ein früheres Urteil gren­zte das Bun­des­gericht die echte von der unecht­en Teilk­lage ab. Mit der echt­en Teilk­lage werde ein quan­ti­ta­tiv­er Teil­be­trag aus dem gesamten Anspruch eingeklagt, woge­gen die kla­gende Partei bei der unecht­en Teilk­lage einen indi­vid­u­al­isier­baren Anspruch des Gesamt­be­trages beanspruche (E. 2.3).

Das Bun­des­gericht ver­wies weit­er auf Art. 224 Abs. 1 ZPO und seine Recht­sprechung in BGE 143 III 506 E. 3 und erin­nerte daran, dass es nach dieser Recht­sprechung grund­sät­zlich nicht zuläs­sig sei, im vere­in­facht­en Ver­fahren eine Widerk­lage zu erheben, die auf­grund ihres Stre­itwerts von über CHF 30’000 in den Gel­tungs­bere­ich des ordentlichen Ver­fahrens fällt. Das Gesagt gelte nach diesem Entscheid aber nicht, wenn die beklagte Partei als Reak­tion auf eine echte Teilk­lage eine neg­a­tive Fest­stel­lungsklage erhebe, auch wenn deren Stre­itwert die Anwend­barkeit des ordentlichen Ver­fahrens zur Folge habe (E. 2.1).

Im vor­liegen­den Fall gelangte das Bun­des­gericht nun zur Fest­stel­lung, die Aus­nahme vom Erforder­nis der gle­ichen Ver­fahren­sart gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO sei nicht auf den Fall der echt­en Teilk­lage beschränkt, son­dern gelte all­ge­mein dann, wenn die Teilk­lage eine Ungewis­sheit zur Folge habe, die es recht­fer­tigt, im Sinne von Art. 88 ZPO die Fest­stel­lung des Nichtbe­stands ein­er Forderung oder eines Rechtsver­hält­niss­es zu ver­lan­gen (E. 2.3).

Mit Bezug auf den konkreten Fall führte das Bun­des­gericht aus, dass die Arbeit­nehmerin in ihrer Klage behauptete, es ste­he ihr eine Gesamt­forderung aus Überzeit­entschädi­gung aus den Jahren 2014 bis 2016 von rund CHF 50’000 zu, jedoch unter aus­drück­lichem Nachk­lagevor­be­halt lediglich die Überzeit­entschädi­gung für das Jahr 2016 im Umfang von rund CHF 15’000 eingeklagt habe. In dieser Sit­u­a­tion müsse es der Arbeit­ge­berin möglich sein, mit­tels neg­a­tiv­er Fest­stel­lungswiderk­lage auch die Überzeit­entschädi­gung aus den Jahren 2014 und 2015 im sel­ben Ver­fahren zur Beurteilung zu brin­gen. Ob die Entschädi­gung für die während eines bes­timmten Kalen­der­jahres ange­blich geleis­teten Überzeit einen selb­ständi­gen Stre­it­ge­gen­stand darstelle, sei nicht entschei­dend (E. 2.4).