Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 25. August 2020 befasste sich das BGer mit der Wohnsiedlung Friesenberg in der Stadt Zürich. Die Genossenschaft A. möchte die beiden als bauhistorisch bedeutsam geltenden und inventarisierten Siedlungen Pappelstrasse und Schweighof Nord (zusammen die “Gründersiedlung”) abreissen und durch eine neue Überbauung ersetzen lassen. Die Stadt Zürich beschloss im Jahr 2016, die “Gründersiedlung” nicht unter Denkmalschutz zu stellen und aus dem Inventar der Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung zu entlassen. Die inventarisierten Gärten der Wohnsiedlung wurden ebenfalls nicht unter Denkmalschutz gestellt und aus dem kommunalen Inventar der schützenswerten Gärten und Anlagen der Stadt Zürich entlassen. Dagegen gelangte der Zürcher Heimatschutz ZVH bis vor das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde guthiess. Die gegen diesen Entscheid gerichteten Beschwerden der Stadt Zürich und der Genossenschaft A. heisst das BGer lediglich im Kostenpunkt gut.
Zunächst rekapituliert das BGer seine Rechtsprechung zur richterlichen Zurückhaltung bei der Überprüfung kommunaler Entscheide gestützt auf die Gemeindeautonomie. Der Spielraum der Gemeinden werde dann überschritten, wenn der kommunale Entscheid sachlich nicht mehr vertretbar und damit willkürlich sei oder wenn die Gemeinde sich von unsachlichen, dem Zweck der Regelung fremden Erwägungen leiten lasse oder die Grundsätze der Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit verletze oder das übergeordnete Gesetzesrecht missachte. Und weiter:
Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit sind die denkmalpflegerischen und allfälligen weiteren Erhaltungsinteressen gegen die städtebaulichen, finanziellen und weiteren Anliegen abzuwägen, ein potenzielles Schutzobjekt zu beseitigen und durch Neubauten zu ersetzen. Dabei müssen insbesondere die Interessen an der Erreichung der Zielsetzungen der Raumplanung des Bundes berücksichtigt werden, weshalb die Rechtsmittelinstanz die Gemeindeautonomie nicht verletzt, wenn sie einen kommunalen Einordnungsentscheid aufhebt, der diesen öffentlichen Interessen nicht oder unzureichend Rechnung trägt. (E. 5.3.)
Im Zusammenhang mit der Schutzwürdigkeit der “Gründersiedlung” verweist das BGer insbesondere auf ein Gutachten des städtischen Amts für Städtebau aus dem Jahr 2013, welches mit dem Fazit schliesst, dass
[…] die Vereinigung zweier unterschiedlicher Typologien — des als Flachbau konzipierten Einfamilienhauses und der im Hochbau zusammengefassten Etagenwohnungen — […] in Zürich hinsichtlich der Kontroverse um die beste Wohnform als einmalig gelten [darf]. (E. 7.4.)
Es sei — so das BGer — von einem sehr gewichtigen öffentlichen Interesse am Erhalt dieser Siedlungen auszugehen. Die Genossenschaft A. und die Stadt Zürich machen geltend, dass die folgenden Aspekte für einen Abbruch und Ersatz sprechen würden:
- Innere Verdichtung
- Günstiger Wohnraum
- Ausserordentliche Schwere des Eingriffs in die Eigentumsgarantie
- Ökologische Gründe
Das BGer hält das öffentliche Interesse am Erhalt der “Gründersiedlung” für gewichtiger als die entgegenstehenden Interessen und dies mit folgender Begründung:
Das Anliegen der baulichen Verdichtung wiegt bezogen auf den vorliegenden Fall deutlich weniger schwer, denn der Erhalt historischer Bausubstanz bedingt fast immer den Verzicht auf eine maximale Ausnutzung des Bodens […] und in der Stadt Zürich — und wohl auch im Friesenbergquartier — bestehen andere Möglichkeiten der inneren Verdichtung, die nicht in einem derart ausgeprägten Konflikt mit dem Denkmalschutz stehen. Schliesslich kommt ökologischen Überlegungen sowie dem Anliegen, günstigen Wohnraum zu schaffen, im hier interessierenden Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu, denn die Auswirkungen dieser Aspekte auf die Beurteilung des vorliegenden Falles sind nicht klar. [E. 12.]
Lediglich im Kostenpunkt gibt das BGer der Genossenschaft A. und der Stadt Zürich Recht. Es reduziert die vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erhobenen Gerichtskosten von CHF 15’000.00 auf CHF 10’000.00 und die vom Baurekursgericht des Kantons Zürich erhobenen Gerichtskosten von CHF 20’150.00 auf ebenfalls CHF 10’000.00