5A_671/2018: Sanierungsdarlehen und paulianische Anfechtung

Im vor­liegen­den Urteil des Bun­des­gerichts find­en sich instruk­tive Aus­führun­gen zu Sanierungs­be­mühun­gen, einem Still­hal­te­abkom­men mit Banken, Sanierungs­dar­lehen und zur pau­lian­is­chen Anfech­tung. Dem Urteil lag zusam­menge­fasst fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Die A. AG (Klägerin und Beschw­erde­führerin) befand sich 2011 in wirtschaftlichen Schwierigkeit­en. Gestützt auf ein Still­hal­te­abkom­men ver­fügte sie über Kred­itlim­iten von inge­samt CHF 3 Mio. bei den Banken B.-F. (Beklagte und Beschw­erdegeg­ner­in­nen). Am 2. Dezem­ber 2011 vere­in­barten die A. AG und die Banken eine “Ver­längerung Stillhalteabkommen/Zustimmung zum Asset Deal”, worin die Kred­ite erneut ver­längert, neu geregelt und weit­ere Ver­hal­tensweisen der A. AG geregelt wur­den. Die bish­eri­gen Kred­itlim­iten durften weit­er benutzt wer­den, soll­ten aber etap­pen­weise bis zum 30. Juni 2012 auf Null reduziert wer­den. Weit­er wurde ein “Asset Deal” (Über­tra­gung von Betrieb­sin­ven­tar, Arbeitsverträ­gen und nicht ange­fan­genen Aufträ­gen auf die G. AG), die Rück­mi­etung von Per­son­al und Inven­tar von der G. AG zur Abwick­lung der let­zten Aufträge, sowie Ran­grück­tritte für Forderun­gen der Banken und zusät­zliche Mass­nah­men weit­er­er Beteiligter vorge­se­hen. Nach Zus­tandekom­men des Asset Deals mit der G. AG final­isierten die A. AG und die Banken das Still­hal­te­abkom­men, und der Asset Deal wurde wie vorge­se­hen per Anfang Jan­u­ar 2012 vol­l­zo­gen. Allerd­ings ver­schlechterte sich die finanzielle Sit­u­a­tion der A. AG ab März 2012, weshalb diese im Mai 2012 in Nach­lassstun­dung ging. 2015 erhob die A. AG in Nach­lassliq­ui­da­tion pau­lian­is­che Anfech­tungsklage (Absicht­san­fech­tung) gegen die fünf Banken. Die erste Instanz hiess die Klage gut. Die Beru­fung der Banken wurde jedoch gut­ge­heis­sen und die Anfech­tungsklage abgewiesen; das Appel­la­tion­s­gericht hat­te im Wesentlichen die Ver­längerung von Kred­iten an die A. AG und die Rück­zahlung an die still­hal­tenden Banken als Sanierungs­dar­lehen erachtet und daher die Schädi­gungsab­sicht und damit auch deren Erkennbarkeit verneint. Hierge­gen erhob die A. AG in Nach­lassliq­ui­da­tion Beschw­erde in Zivilsachen.

Das Bun­des­gericht erwog u.a. Folgendes:

  • Mit einem Still­hal­te­abkom­men verpflicht­en sich kred­it­gebende Banken hin­sichtlich eines Kred­iten­gage­ments auf den sta­tus quo. Auf die Kündi­gung von Kred­iten werde verzichtet, eingeräumte Kred­itlin­ien wür­den (beschränkt) offenge­hal­ten, fäl­lige Forderun­gen ges­tun­det. Darüber hin­aus seien Sanierungs­beiträge möglich. Im Gegen­zug gebe der Kred­it­nehmer Zusicherun­gen ab und habe Verpflich­tun­gen einzuhal­ten. Häu­fig ver­langten die Banken den Verkauf bes­timmter Aktiv­en, wobei die Verkauf­ser­löse zur Rück­führung der vom Still­hal­te­abkom­men erfassten Kred­ite ver­wen­det wer­den müssten. Mit Still­hal­te­abkom­men ver­sucht­en Banken ihre Kred­it­po­si­tio­nen zu verbessern; gle­ichzeit­ig stell­ten Still­hal­te­abkom­men der am häu­fig­sten angewen­dete Sanierungs­beitrag dar (E. 3.1.1.).
  • Im Rah­men eines Asset Deals kön­nten betrieb­snotwendi­ge Aktiv­en auf einen Übernehmer über­tra­gen wer­den, u.a. mit Ein­schluss z.B. von (Arbeits-)Verträgen. Sowohl beim Still­hal­te­abkom­men im Zusam­men­hang mit Devesti­tio­nen und Rück­führung von Kred­iten als auch beim Verkauf eines Unternehmens könne es im nach­fol­gen­den Konkurs- oder Nach­lassver­fahren zur Frage der Gläu­biger­bevorzu­gung kom­men, und zwar sowohl betr­e­f­fend den Verkauf­spreis als auch (wie hier) bezüglich Ver­wen­dung des Verkauf­ser­lös­es (E. 3.1.2.)
  • Gemäss Recht­sprechung stelle die Rück­zahlung eines Bankdar­lehens (ohne Sicherung, ohne Konkur­spriv­i­leg) eine Gläu­biger­schädi­gung dar und seien einzelne Gläu­biger dadurch begün­stigt, wenn sie voll­ständig befriedigt wer­den, während die übri­gen nur eine Div­i­dende erhal­ten. Teil­rück­zahlun­gen wür­den grund­sät­zlich nicht als Gegen­leis­tung für die Ver­längerung eines beste­hen­den Kred­its gel­ten; der Zweck des Dar­lehens (wie Hil­fe an einen bedrängten Schuld­ner) sei insoweit unbeachtlich (E. 3.4.2.).
  • Bei der Rück­zahlung eines Dar­lehens beste­he nach der Recht­sprechung ein gewichtiges Indiz für eine Schädi­gungsab­sicht, wenn sich der Schuld­ner sein­er finanziellen Not­lage bewusst sei. Dies­falls müsse davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass er zumin­d­est in Kauf genom­men habe, dass durch die Rück­zahlung andere Gläu­biger geschädigt wür­den (E. 3.5.1.). Die Schädi­gungsab­sicht fehle hinge­gen, wenn der Schuld­ner ern­sthaft um seine Ret­tung kämpfe und diese erfol­gver­sprechend erscheine; die Anfech­tungsklage bezwecke nicht, einen glaub­würdi­gen Ver­such zur Ret­tung des Schuld­ners zu verun­möglichen, da es ger­ade im Inter­esse der anderen Gläu­biger liege, wenn Dritte oder einzelne Gläu­biger ver­sucht­en, dem Schuld­ner zu helfen (E. 3.5.2.).
  • Die Auf­nahme und Rück­zahlung eines Dar­lehens werde nach der Recht­sprechung als Ein­heit und anfech­tungsre­sistentes Sanierungs­dar­lehen betra­chtet, wenn beson­dere Voraus­set­zun­gen erfüllt seien: Der finanziell bedrängte Schuld­ner müsse sich (1.) um die Sanierung bemühen, (2.) die Sanierungs­be­mühun­gen müssten erfol­gver­sprechend erscheinen, und (3.) das Dar­lehen müsse zum Zweck der Sanierung und damit im Inter­esse der übri­gen Gläu­biger gewährt wer­den. Auch die Ver­längerung eines früher gewährten Dar­lehens könne zur Sanierung beitra­gen und als Sanierungs­dar­lehen gel­ten, sofern der Sanierungswille (z.B. durch eine Sanierungsvere­in­barung) zum Aus­druck komme und sich das Ver­hal­ten (wie durch Son­der­leis­tun­gen, eigentlich­es Ent­ge­genkom­men, direk­te Unter­stützung) von gewöhn­lichen Kred­it­ge­bern unter­schei­de (E. 3.5.2.). Das neue Sanierungsrecht habe das Sanierungs­dar­lehen (u.a. wegen des Risikos der Insol­ven­zver­schlep­pung) zwar nicht aufgenom­men, jedoch auch nicht aus­geschlossen (E. 3.5.3.).

Im konkreten Fall durfte die Vorin­stanz für die Frage, ob ein Dar­lehen der Sanierung diene und nicht anfecht­bar sei, auf die Optik der Gläu­biger abstellen: Der Grund für die beson­dere Behand­lung der Gewährung und Rück­zahlung des Dar­lehens liege darin, dass es nicht nur im Inter­esse des Dar­lehens­ge­bers, son­dern auch im Inter­esse aller übri­gen Gläu­biger liege; der die Anfech­tung auss­chliessende Sanierungskon­text sei gegeben, wenn mit der beab­sichtigten Sanierung (Restruk­turierung) eine voll­ständi­ge Befriedi­gung aller Gläu­biger bezweckt werde, und damit der Konkurs oder ein Nach­lassver­fahren abgewen­det wer­den soll (E. 4.1.2.).

In der Folge (E. 4.3–4.4) prüfte das Bun­des­gericht ver­schiedene Vor­würfe der Beschw­erde­führerin, aber bestätigte das Urteil der Vorin­stanz. Das Bun­des­gericht bestätigte u.a., dass die Vorin­stanz die Ver­längerung des Still­hal­te­abkom­mens und der Kred­itlim­iten (trotz der Rück­führung der Kred­ite von ca. 90 % von CHF 3 Mio.) inner­halb zweier Monate und des Ran­grück­tritts für die neu bis Ende Juni 2012 gewährte Kred­itlim­ite (im Umfang von CHF 0.25 Mio., d.h. ca. 10 % des Kred­its) ein eigentlich­es Ent­ge­genkom­men der Banken und damit eine genü­gende – von der Anfech­tung freis­tel­lende – Son­der­leis­tung qual­i­fizieren durfte.

Schliesslich (E. 4.5) bestätigte das Bun­des­gericht auch die Auf­fas­sung der Vorin­stanz, wonach im Zeit­punkt des Abschlusses der Vere­in­barung vom 2. Dezem­ber 2011 berechtigte, die Wahrschein­lichkeit ein­er gün­sti­gen Prog­nose ein­deutig recht­fer­ti­gende Hoff­nun­gen bestanden hät­ten, dass mit den Sanierungs­be­mühun­gen alle (nicht von Ran­grück­tritt erfassten) Forderun­gen voll­ständig erfüllt wer­den kön­nten. Dass der Plan let­ztlich gescheit­ert sei, führe anfech­tungsrechtlich nicht zum Nachteil; die Ver­längerung der Kred­ite könne (trotz Teil­rück­führung) als Sanierungs­dar­lehen betra­chtet wer­den. Die Beschw­erde wurde daher abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.