Das Bundesgericht bestätigte in seinem neuen Leiturteil zur institutionellen Unabhängigkeit von Anwälten, dass ein Anwalt als Angestellter einer Kapitalgesellschaft nur in das Anwaltsregister eingetragen werden könne, wenn sämtliche Gesellschafter und Organe der Arbeitgeberin ebenfalls im Anwaltsregister eingetragene Anwälte seien. Gleichzeitig aber präzisierte es, dass die kantonale Aufsichtskommission nicht befugt sei, einer Anwaltsgesellschaft respektive deren allfälligen nicht-anwaltlichen Gesellschafter verbindlich anzuordnen, bestimmte Anpassungen in den Statuten und/oder der Gesellschafterstruktur vorzunehmen.
Hintergrund des Urteils: Ein Anwalt war als alleinger Aktionär und Verwaltungsrat seiner von ihm gegründeten Gesellschaft im Anwaltsregister des Kantons Freiburg eingetragen. Die Aufsichtskommission wollte ihn verpflichten, die Statuten seiner Gesellschaft dahingehend anzupassen, dass für den Fall, dass eine nicht im Anwaltsregister eingetragene Person Aktien der Gesellschaft erwerben sollte, und die Gesellschaft dem Erwerber nicht anbiete, die Aktien zum tatsächlichen Wert zu übernehmen, dieser Erwerber verpflichtet sein solle, seine Aktien innert eines Jahres an einen Dritten zu übertragen, der in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist und somit Aktionär der Anwaltsgesellschaft sein könne (E. A). Der Anwalt und die Gesellschaft wehrten sich bis vor Bundesgericht gegen die entsprechende Verfügung der Aufsichtskommission (E. B‑C). Das Bundesgericht liess die Frage offen, ob auch die Gesellschaft beschwerdelegitimiert sei, da es die Beschwerde des zweifelsohne beschwerdelegitimierten Anwalts aus anderen Gründen guthiess (E. 1.2).
Das Bundesgericht erinnert und bestätigte zunächst seine Rechtsprechung zur strukturellen oder institutionellen Unabhängig von Anwälten i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA. Dieses wesentliche Prinzip der Anwaltstätigkeit, welches sowohl hinsichtlich der Gerichte und der Parteien als auch des Klienten garantiert sein müsse, stelle sicher, dass der Anwalt sich voll und ganz der Vertretung der Interessen seiner Klienten widmen könne, ohne durch sachfremde Umstände beeinflusst zu werden. Insbesondere erinnerte das Bundesgericht daran, dass eine Anwaltsgesellschaft nicht die Form einer juristischen Person ausländischen Rechts annehmen könne, die im Besitz von ausländischen, nicht in der Schweiz zugelassenen Rechtsanwälte sei. Im Gegenteil müssten sämtliche Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrats aus Personen bestehen, die in einem Anwaltsregister in der Schweiz eingetragen seien (E. 3.1).
Vorliegend kritisierte die Aufsichtskommission sowie das Kantonsgericht Fribourg, dass aufgrund der aktuellen Statuten der Anwaltsgesellschaft es nicht vollständig ausgeschlossen sei, dass nicht in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragene Personen Aktionäre werden und bleiben könnten. Dies würde zumindestens zutreffen, falls eine solche Person die Aktien durch Erbfolge, Erbteilung, Auflösung des Güterstandes oder Zwangsvollstreckung erwerben und das Kaufangebot der Gesellschaft ablehnen würde, sowie für den Fall, dass die Gesellschaft einem solchen Erwerber kein Kaufangebot für die Aktien unterbreite (E. 3.4).
Das Bundesgericht folgte dieser Kritik indessen nicht. Es erinnerte daran, dass jeder Anwalt, der sich in ein Anwaltsregister eintragen wolle, aufzeigen müsse, dass er die entsprechenden Voraussetzungen nach Art. 8 BGFA erfülle und diese auch während der Dauer seines Eintrags erfüllen müsse, um nicht gestützt auf Art. 9 BGFA aus dem Register gelöscht zu werden (E. 4.1). Diese Grundsätze würden inbesondere für die Voraussetzung der strukturellen Unabhängigkeit i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA gelten und deren Einhaltung müsse durch die Aufsichtskommission überwacht werden. Die Aufsichtskommission könne indessen, so das Bundesgericht weiter, nicht unmittelbar anordnen, dass eine Anwaltsgesellschaft und/oder ihre etwaigen nicht-anwaltlichen Gesellschafter bestimmte Anpassungen innerhalb der Gesellschaft und der Gesellschafterstruktur selbst vornehmen, um die strukturelle Unabhängigkeit der in der Gesellschaft tätigen Rechtsanwälte und damit deren Eintragung in das Anwaltsregister sicherzustellen. Die Aufsichtskommission könne vielmehr höchstens verlangen, dass der Rechtsanwalt, dessen Streichung aus dem Anwaltsregister erwogen werde, seine Situation so rasch wie möglich durch eigenes Eingreifen in die Organisation seiner Anwaltskanzlei regle, vorausgesetzt natürlich, dass ein solches Eingreifen in seinem Einflussbereich liege.
Vorliegend stehe, so das Bundesgericht, fest, dass der Anwalt seine Tätigkeit als Angestellter der Anwaltsgesellschaft ausübe, deren alleiniger Aktionär und Verwaltungsrat er ist. Er erfülle damit aktuell unbestrittenermassen sämtliche, von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen. Die von der Aufsichtskommission verlangte Anpassung der Statuten würde demgegenüber einzig darauf abzielen, zu verhindern, dass nicht im Anwaltsregister eingetregene Personen in einer hypothetischen Zukunft Gesellschafter der Gesellschaft des Anwalts bleiben, nachdem solche Personen Aktien durch Erbfolge, Auflösung des Güterstandes oder Zwangsvollstreckung erworben hätten. Auf diese Weise solle eine Gefahr gemildert werden, die in Wirklichkeit jeden in einer Anwaltskanzlei angestellten Rechtsanwalt bedrohe, da sie in den Regeln über die Aktiengesellschaft enthalten sei. Gemäss Art. 685b Abs. 4 und 7 OR i.V.m. Art. 685c Abs. 2 OR sei es denn auch gar nicht möglich, den Erwerber von Aktien einer Aktiengesellschaft ex lege und die Beibehaltung des Eigentums durch nicht-anwaltliche Personen statutarisch zu verhindern, selbst wenn die Gesellschaft solchen Personen den Kauf dieser Aktien zu deren tatsächlichem Wert anbiete. Sodann bleibe die Tatsache, dass die Einführung einer statutarischen Verpflichtung für allfällige nicht-anwaltliche Aktionäre, ihre Aktien auf einen in einem Anwaltsregister eingetragenen Anwalt zu übertragen — soweit eine solche Verpflichtung zivilrechtlich angesichts der abschliessenden Regelung betreffend die Beschränkung der Übertragbarkeit von Namenaktien (Art. 685a ff. OR) überhaupt zulässig sei -, nicht nur die Organisationsautonomie der Gesellschaft, sondern auch die Freiheit ihrer nicht-anwaltlichen Aktionäre, deren Verhalten im Voraus festgelegt werde, beschränke. Solche Aktionäre würden insbesondere die Möglichkeit verlieren, ihre Aktien zu behalten, den Gesellschaftszweck zu ändern oder die Gesellschaft zu liquidieren, während sie unter Umständen gezwungen wären, ihre Aktien zu einem Preis unter dem tatsächlichen Wert zu verkaufen (E. 4.3).
In der Praxis stehen Anwälten, so das Bundesgericht weiter, verschiedene vertragsrechtliche Instrumente zur Verfügung, um das Risiko zu verhindern, dass nicht-anwaltliche Personen Aktionäre einer Anwaltsgesellschaft werden. Inbesondere könnten sie ein gemeinsames Eigentum an den Aktien oder ein Vorkaufsrecht bzw. eine gegenseitige Rückkaufverpflichtung vorsehen. Solche Lösungen seien bei einer Anwaltsgesellschaft mit einem Anwalt als Alleinaktionär nicht möglich. In einer solchen Konstellation seien die Risiken einer Verletzung der strukturellen Unabhängigkeit des Anwalts indessen wenig bedeutend. Ist z.B. der alleinige Gesellschafter einer Anwaltskanzlei der einzige Mitarbeiter, der im Anwaltsregister eingetragen ist, stelle die Übertragung der Aktien im Todesfall kein Problem dar, weil die sich nunmehr im Besitz der Erben befindliche Gesellschaft keine im Anwaltsregister eingetragenen Anwälte mehr beschäftige. Tatsächlich dürfte sich, so das Bundesgericht, das Problem der strukturellen Unabhängigkeit des Anwalts nur in zwei Fällen stellen: Wenn der Alleingesellschafter einer Anwaltsgesellschaft, in der mehrere Anwälte tätig sind, versterbe und die Erben die Kanzlei mit den ehemaligen Mitarbeitern weiterführen wollen, dabei aber Gesellschafter bleiben würden, oder wenn der Alleingesellschafter infolge einer Auflösung des Güterstandes oder einer Zwangsvollstreckung nur einen Teil seiner Aktien an eine nicht im Anwaltsregister eingetragene Person verliere. In diesen Situationen definiere das BGFA jedoch klar und abschliessend die zu treffenden Massnahmen: Die Anwaltskommission müsse die Anwälte in Anwendung von Art. 9 BGFA aus dem Anwaltsregister streichen, wenn sie sich nicht so schnell wie möglich für eine Änderung ihrer Struktur entscheiden würden. Dabei sei anzumerken, so das Bundesgericht weiter, dass die Aufsichtskommission und das Kantonsgericht Fribourg durch die verlangte Nominalfrist von einem Jahr für den nicht-anwaltlichen Aktionär, um seine Aktien zu verkaufen, von der falschen Prämisse ausgehen würden, dass Anwälte ein Jahr lang im Anwaltsregister eingetragen bleiben könnten, während sie bei einer Gesellschaft angestellt wären, deren Gesellschafter nicht alle im Anwaltsregister eingetragen seien. In einem solchen Fall müssten die Anwälte vielmehr innert kurzer Frist aus dem Register gestrichen werden, da sie ihre Tätigkeit in einer Struktur ausüben würden, welche die Anforderungen an die strukturelle Unabhängigkeit i.S.v. Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nicht erfülle (E. 4.4).
Gestützt auf diese Erwägungen hob das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgericht auf, womit die Aufforderung an den Anwalt, die Statuten seiner Gesellschaft zu ändern, entfalle (E. 5).