Im Entscheid 4A_124/2020 vom 13. November 2020 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob das Schiedsgericht die Schiedsvereinbarung zu Recht mit der Begründung auf eine Drittpartei ausdehnte, diese habe sich derart in den Abschluss und den Vollzug des Hauptvertrags eingemischt, dass darin nach Treu und Glauben eine Zustimmungserklärung zur Schiedsklausel zu erblicken sei.
Die Gesellschaft A.B. leitete ein ICC Schiedsverfahren gegen mehrere Parteien ein. Die Beklagten (und Beschwerdegegnerinnen) verlangten in der Folge, die Subunternehmerin A.A. sei als Partei in das Schiedsverfahren einzubeziehen. Die A.A. bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts.
Das Schiedsgericht beschloss, das Verfahren zunächst auf die Frage der Zuständigkeit betreffend die Subunternehmerin A.A. zu beschränken. Mit Schiedsentscheid (Partial Final Award on Jurisdiction) vom 24. Januar 2020 erklärte sich das ICC Schiedsgericht bezüglich bestimmter Ansprüche für zuständig. Die A.A. erhob daraufhin Beschwerde. Das Bundesgericht erteilte der Beschwerde aufschiebende Wirkung.
Das Bundesgericht bemerkte einleitend, dass das Schiedsgericht für die Bindung der A.A. an die Schiedsklausel nicht von tatsächlich übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien ausgegangen war, sondern die Ausdehnung der Schiedsklausel auf die A.A. gestützt auf eine Auslegung ihres Erklärungsverhaltens nach dem Vertrauensprinzip bejaht hatte. Ob diese normative Auslegung zutraf, überprüfte das Bundesgericht als Rechtsfrage frei.
Nach dem Grundsatz der Relativität vertraglicher Verpflichtungen bindet eine Schiedsklausel in einem Schuldvertrag grundsätzlich nur die Vertragsparteien. Allerdings bejaht das Bundesgericht seit langem, dass eine Schiedsklausel unter gewissen Voraussetzungen auch Personen binden kann, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben und darin auch nicht erwähnt werden. Bei einem Dritten, der sich in den Vollzug eines Vertrags mit einer Schiedsklausel einmischt, wird angenommen, er habe der Schiedsklausel durch konkludentes Handeln zugestimmt.
Die A.A. war eine Zulieferantin der A.B. Die A.A. war im Hauptvertrag als Verkäuferin bzw. Lieferantin eines Teils des zu lieferenden Werks, nämlich der Dieselmotoren, aufgeführt. Sie lieferte als Subunternehmerin die benötigten Motoren für das nach dem Hauptvertrag geschuldete Werk, woraus sich gemäss Bundesgericht erklärte, weshalb am ersten Treffen zwischen den Vertragsparteien auch Vertreter der A.A. anwesend waren und weshalb Gewährleistungsregeln und Zahlungsbedingungen des Liefervertrags zwischen der A.B. und A.A. mit denjenigen des Hauptvertrags in Einklang gebracht wurden. Darin könne keine Einmischung in den Vertragsabschluss erblickt werden. Nach den Erwägungen im Schiedsspruch bestand auch kein Anschein der Vermischung der Sphären zwischen der A.B. und A.A.; vielmehr liessen sich die beiden Gesellschaften trotz ähnlicher Firmen und einer zeitweiligen Überschneidung der Unternehmensführungen klar auseinanderhalten.
Den Beschwerdegegnerinnen musste demnach bewusst sein, dass es sich bei der A.B. nicht um eine Partei des Hauptvertrags handelte, sondern um eine Zulieferantin der A.B. für bestimmte Bestandteile des bestellten Werks. In ihrer Rolle als Subunternehmerin war sie erwartungsgemäss auch in den Vollzug des Hauptvertrags eingebunden, indem sie einen bedeutsamen Teil des von der A.B. geschuldeten Werks lieferte. Angesichts der Bedeutung dieser Komponenten erschien es nicht als ungewöhnlich, wenn Vertreter der Beschwerdegegnerinnen im Nachgang zum Abschluss des Hauptvertrags einem Test der Dieselmotoren im Werk der A.B. beiwohnten. Weder darin noch im Umstand, dass die A.B. verschiedene Motorenkomponenten im Werk ersetzte, könne eine Einmischung in den Vollzug des Hauptvertrags im Sinne einer konkludenten Zustimmung zur darin enthaltenen Schiedsklausel erblickt werden. Die Nachbesserungen der A.B. erfolgten in ihrer Rolle als für die Motoren verantwortliche Unterlieferantin. Es gehörte zu ihrer Aufgabe als Subunternehmerin, solche Garantiearbeiten direkt beim Endkunden durchzuführen.
Gemäss Bundesgericht war die A.B. vertraglich in die Abwicklung des Hauptvertrags eingebunden und ihr Handeln konnte nicht als Willensäusserung verstanden werden, der Schiedsklausel im Hauptvertrag zuzustimmen und damit gegenüber den Beschwerdegegnerinnen auf die staatliche Gerichtsbarkeit zu verzichten.
Die Zuständigkeit des ICC Schiedsgerichts zur Beurteilung der eingeklagten Ansprüche aus dem Hauptvertrag liess sich demnach entgegen dem angefochtenen Entscheid nicht auf eine konkludente Zustimmung der A.B. zur fraglichen Schiedsklausel stützen, weshalb die Beschwerde teilweise gutgeheissen wurde.