In einem neuen Entscheid vom 19. Januar 2021 (4A_488/2020) befasste sich das Bundesgericht mit der Frage der Koordination, Überentschädigung und Rückerstattung bei bereits erbrachten Krankentaggeldleistungen, wenn eine IV-Rente sowie eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge nachträglich zugesprochen wurden.
Diesem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Arbeitnehmer A war über seine Arbeitgeberin B AG bei der C AG nach VVG krankentaggeldversichert und bei der Personalvorsorgestiftung der B AG (“PVS B”) für die berufliche Vorsorge versichert.
- Ab 10. November 2014 erbrachte die C AG dem Arbeitnehmer Taggeldleistungen aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode.
- Am 10. Dezember 2014 hat sich A bei der IV-Stelle zum Leistungsbezug angemeldet. Mit Verfügung vom 13. Juni 2016 wurde ihm ab 1. November 2015 (unbefristet) eine ganze IV-Rente zugesprochen.
- Daraufhin kürzte die C AG die Taggeldleistungen ab Juni 2016 um den Betrag der IV-Leistungen.
- Am 1. September 2016 erklärte die PVS B., dass sie analog der Invalidenversicherung von einem Invaliditätsgrad von 100 % ab 1. November 2015 ausgehe. Es bestehe daher Anspruch auf eine ganze Invalidenrente der beruflichen Vorsorge in Höhe von Fr. 4’840 pro Monat. Diese Rente sei ab 1. November 2015 auszurichten und könne nicht bis zur Erschöpfung der Taggeldleistungen aufgeschoben werden.
- In der Folge kürzte die C AG die Taggeldleistungen ab 1. September 2016 (auch) um den Betrag der BVG-Invalidenrente.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2016 und 14. November 2018 forderte die C AG von A Fr. 48’400 infolge zu viel bezahlter Taggelder für den Zeitraum von 1. November 2015 bis 31. August 2016 (10 Monate à je Fr. 4’840) zurück. A überwies lediglich CHF 460.95.
Daraufhin leitete die C AG eine Klage gegen A beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz ein und verlangte die Rückzahlung von CHF 47’939.05 nebst Zins zu 5 % seit 25. Oktober 2016. Das Verwaltungsgericht hiess die Klage im Umfang von CHF 47’939.05 nebst Zins zu 5 % seit 20. November 2018 gut (E. 4.1–4.3 des Bundesgerichtsurteils):
- Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz stützte sich auf Art. 23.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die “[…] Business Salary Kollektiv-Taggeldversicherung nach VVG” (“AVB”), wonach das “Zusammentreffen mit Leistungen von Sozialversicherern […] nicht zu einer Überentschädigung der versicherten Person” führen dürfe und die Taggeldleistungen “im Nachgang zu den Leistungen von Sozialversicherungen und Versicherungen gemäss BVG” erbracht würden.
- Gemäss Verwaltungsgericht beschränke sich die Leistungspflicht des Zusatzversicherers gemäss den AVB auf die Differenz zwischen “den Leistungen von Sozialversicherungen — einschliesslich freiwillige Taggeldversicherungen nach KVG — und Versicherungen gemäss BVG” einerseits und der Überentschädigungsgrenze andererseits. Nachdem A für den Zeitraum von 1. November 2015 bis 31. August 2016 sowohl Taggeldleistungen (ab 1. Juni 2016 abzüglich der IV-Rente der Invalidenversicherung) als auch eine BVG-Invalidenrente erhalten habe, sei eine Überentschädigung im eben erwähnten Sinne grundsätzlich zu bejahen und wäre die C AG als Zusatzversichererin in diesem Umfang nicht leistungspflichtig gewesen.
- Das Verwaltungsgericht setzte sich sodann mit der Frage des Aufschubs des Anspruchs auf die BVG-Invalidenrente gemäss Art. 26 Abs. 2 BVG auseinander: Gemäss dieser Norm könne die Vorsorgeeinrichtung in ihren reglementarischen Bestimmungen vorsehen, dass der Anspruch auf Invalidenleistungen aufgeschoben werde, solange der Versicherte den vollen Lohn erhalte. (Nur) wenn der Anspruch auf die BVG-Invalidenrente in diesem Sinne aufgeschoben werde, liege keine Überentschädigung vor. Im vorliegenden Fall habe die Vorsorgeeinrichtung (die PVS B) die BVG-Invalidenrente aber gerade nicht aufgeschoben. Abgesehen davon sei ein Aufschub der BVG-Invalidenrente “aufgrund der damals aktuellen Rechtsprechung” nicht möglich gewesen und überhaupt habe A “bis heute” keine rechtlichen Schritte gegen die Zusprache der BVG-Invalidenrente eingeleitet.
- Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, dass eine Überentschädigung vorliege, welche gestützt auf Art. 34.2 AVB (“Rückerstattungspflicht”) und Art. 62 OR zurückzuerstatten sei.
Gegen diesen Entscheid erhob A Beschwerde beim Bundesgericht, welches die Beschwerde abwies, soweit es darauf eintrat. Vor Bundesgericht kritisierte A die Ausführungen der Vorinstanz, wonach eine Überentschädigung zu verneinen sei, wenn die BVG-Invalidenrente bis zum Ende des Anspruchs auf Taggeldleistungen hätte aufgeschoben werden müssen. In diesem Zusammenhang brachte A vor, dass der in Art. 26 Abs. 2 BVG vorgesehene Rentenaufschub nicht im Ermessen der Vorsorgeeinrichtung liege, sondern bei gegebenen Voraussetzungen zwingend sei und verwies dabei auf BGE 142 V 466 (E. 5.1.1).
Das Bundesgericht befand, dass A nicht dargetan habe, dass die Voraussetzungen gemäss Art. 26 BVV 2 für einen Aufschub des Anspruchs auf Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge vorliegen, weshalb sich die Frage nach der Rechtsnatur des Aufschubs (zwingend oder fakultativ) gar nicht stellt (E. 5.1.2–5.1.3). Auch der Hinweis auf BGE 142 V 466 sei unbehelflich:
5.1.4. […] In diesem Urteil entschied das Bundesgericht im Sinne einer Änderung der Rechtsprechung, dass die auf Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 basierende reglementarische Rentenaufschubsmöglichkeit der Vorsorgeeinrichtung auch dann besteht, wenn der Taggeldversicherer, der Taggelder für Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet hat, diese Leistungen im Umfang der nachträglich zugesprochenen Rente der Invalidenversicherung zurückfordert (E. 3.3–3.4). Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz habe die davor geltende Praxis zur Anwendung gebracht. Auch in diesem Zusammenhang belässt er es allerdings mit abstrakten Ausführungen zur Frage der zeitlichen Tragweite von Rechtsprechungsänderungen, ohne konkret aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen für einen Aufschub der BVG-Invalidenrente im Sinne von Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 gegeben gewesen wären.