1C_644/2019, 1C_648/2019: Deponiestandort Tägernauer Holz / Missachtung der Mitwirkungsrechte im Richtplanungsverfahren (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 4. Feb­ru­ar 2021 beschäftigte sich das BGer mit dem Deponi­e­s­tandort Täger­nauer Holz in den Gemein­den Grünin­gen und Gos­sau. Der Stan­dort wurde im Jahr 2009 in den Richt­plan des Kan­tons Zürich aufgenom­men (Fläche: 6 ha; Vol­u­men: 750’000 m3). Im Jahr 2016 bere­it­ete der Regierungsrat des Kan­tons Zürich eine Teil­re­vi­sion des Kapi­tels 4 “Verkehr” und des Kapi­tels 5 “Ver­sorgung, Entsorgung” des kan­tonalen Richt­plans vor. Er beantragte dem Kan­ton­srat des Kan­tons Zürich, die Fläche der Deponie Täger­nauer Holz von 6 ha auf 10 ha zu erhöhen und das Deponievol­u­men von 750’000 m3 auf 1’500’000 m3 zu ver­dop­peln. Die vor­ber­a­tende Kom­mis­sion für Energie, Verkehr und Umwelt (KEVU) wiederum beantragte dem Kan­ton­srat die Fest­set­zung als Deponi­etyp D gemäss der Verord­nung des Bun­desrats über die Ver­mei­dung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA; SR 814.600). Schliesslich beantragte die Kan­ton­srätin Pflugshaupt zusam­men mit neun weit­eren Mit­gliedern des Kan­ton­srates, dass von den sich in der gle­ichen Region befind­lichen Deponi­e­s­tandorten Lehrüti (Gos­sau / Egg) und Täger­nauer Holz (Grünin­gen / Gos­sau) höch­stens ein­er in Betrieb sein dürfe. Zudem sollte der Deponi­e­s­tandort Täger­nauer Holz über die von der KEVU for­mulierten Bedin­gun­gen hin­aus erst nach Auss­chöpfen der Kapaz­itäten der übri­gen Deponien Typ D real­isiert wer­den. Im Okto­ber 2019 nahm der Kan­ton­srat die Anträge “KEVU” sowie “Pflugshaupt” an und erhöhte die Fläche resp. das Vol­u­men auf 10 ha resp. 1’500’000 m3. Gegen den Beschluss des Kan­ton­srats führten der Zweck­ver­band Kehrichtver­w­er­tung Zürcher Ober­land, die ZAV Recy­cling AG, die interkom­mu­nale Anstalt Lime­co, der Zweck­ver­band für Abfal­lver­w­er­tung im Bezirk Hor­gen sowie die Gemeinde Grünin­gen Beschw­erde beim BGer, welch­es das Rechtsmit­tel gutheisst.

Während die Gemeinde Grünin­gen die ersat­zlose Stre­ichung des Deponi­e­s­tandorts Täger­nauer Holz beantragt, ver­lan­gen die restlichen Beschw­erde­führer, dass der Beschluss des Kan­ton­srats insoweit aufzuheben sei, als damit ange­ord­net wird, dass (1) nur ein­er der Deponi­e­s­tandorte in Betrieb ste­hen darf und (2) die Deponie erst real­isiert wer­den darf, wenn die Kapaz­itäten der übri­gen Deponien des Typs D aus­geschöpft sind.

Das BGer ver­weist auf § 24 Abs. 2 AbfG/ZH (Abfallge­setz; Ord­nungsnum­mer 712.1), welch­er fes­thält, dass die Gemein­den anzuhören sind, bevor der Regierungsrat das Einzugs­ge­bi­et von Deponien und Anla­gen zur Behand­lung von Sied­lungsabfällen fes­tlegt. Bei § 24 Abs. 2 AbfG han­delt es sich um die geset­zliche Konkretisierung von Art. 85 Abs. 3 KV/ZH (Ver­fas­sung des Kan­tons Zürich; Ord­nungsnum­mer 101). Diese Ver­fas­sungs­bes­tim­mung schreibt aus­drück­lich vor, dass der Kan­ton Gemein­den namentlich in Bere­ichen, die zu ein­er Beschränkung der Gemein­deau­tonomie führen kön­nen, rechtzeit­ig anhören muss. In Bezug auf den vor­liegen­den Fall bedeutet dies — so das BGer — folgendes:

Der Kan­ton hat sich zwar mit den einzel­nen Ein­wen­dun­gen der Gemeinde Grünin­gen auseinan­derge­set­zt, namentlich auch mit der Frage, ob ein alter­na­tiv­er Deponi­e­s­tandort mit Bah­nan­schluss gesucht wer­den kön­nte. Auch war dem Kan­ton die gän­zlich ablehnende Hal­tung der Gemeinde in Bezug auf die Errich­tung ein­er Deponie im Täger­nauer Holz bekan­nt. In den Erläuterun­gen zu den Ein­wen­dun­gen hal­ten die kan­tonalen Behör­den jedoch lediglich fest, dass die Deponie Täger­nauer Holz als Ersatz für die Deponie Chrü­zlen vorge­se­hen sei und dass es die einzige Deponie für Schlacke in der Region wäre. Der Regierungs- und Kan­ton­srat haben jedoch nicht dargelegt, weshalb eine Ver­grösserung der Deponie notwendig erscheint und weshalb auss­chliesslich der Stan­dort Täger­nauer Holz als Deponie für Schlacke in Betra­cht kommt. (Erw. 5.2.3.)

Darin liege eine Mis­sach­tung der Mitwirkungsrechte der Gemeinde im Richt­pla­nungsver­fahren. Hinzu komme sodann, dass die bish­er im Kan­ton Zürich etablierte Deponiepoli­tik vor­sah, dass pro Abfall­re­gion jew­eils nur ein Stan­dort pro Deponi­etyp gemäss VVEA in Betrieb ste­hen solle. Die Annahme der Antrags Pflugshaupt bedeute indessen eine Rich­tungsän­derung in der etablierten Deponiepoli­tik. Vor dem Hin­ter­grund der Zuständigkeit im Abfall­we­sen und der beson­deren Betrof­fen­heit der Gemein­den und Zweck­ver­bände wäre es unumgänglich gewe­sen, die Gemein­den und Zweck­ver­bände zur gewichti­gen Änderung in der etablierten Deponiepoli­tik anzuhören. Auf­grund des fehlen­den Ein­bezugs erweise sich der ange­focht­ene Richt­planein­trag als ungenü­gend koor­diniert (Art. 2 Abs. 1 RPB [Raum­pla­nungs­ge­setz; SR 700]).