4A_332/2020: Wiederholung von Verfahrensschritten bei Ausscheiden eines angeblich befangenen Schiedsrichters? (amtl. Publ.)

Im Entscheid 4A_332/2020 vom 1. April 2021 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, ob im Falle des Auss­chei­dens eines Schied­srichters gegen den vom neu kon­sti­tu­ierten Schieds­gericht gefäll­ten Schied­sentscheid vorge­bracht wer­den könne, der erset­zte Schied­srichter sei befan­gen gewe­sen und das neu beset­zte Schieds­gericht habe durch die Weigerung, bes­timmte Ver­fahrens­ab­schnitte zu wieder­holen, den Anspruch auf ein vorschrifts­gemäss zusam­menge­set­ztes Schieds­gericht gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verletzt.

Nach Durch­führung der Hauptver­hand­lung und Ein­re­ichung der Schlus­seingaben erhoben die Beklagten gegen den von den Klägern beze­ich­neten Schied­srichter ein Ablehnungs­begehren. Sie behaupteten im Wesentlichen, der Schied­srichter sei auf­grund ver­schieden­er Kon­tak­te mit der Rechtsvertreterin der Kläger als befan­gen anzuse­hen. Am näch­sten Tag erk­lärte dieser seinen sofor­ti­gen Rück­tritt unter Zurück­weisung sämtlich­er gegen ihn erhoben­er Vor­würfe. Der Gericht­shof der Swiss Cham­bers’ Arbi­tra­tion Insti­tu­tion set­zte in der Folge einen Ersatzschied­srichter ein. Die Beklagten beantragten, das gesamte Ver­fahren sei zu wieder­holen. Das Schieds­gericht entsch­ied indes, das Ver­fahren ohne Wieder­hol­ung von Ver­fahrenss­chrit­ten fortzuset­zen. Im Schiedsspruch hiess das Schieds­gericht die Klage gut.

Die Beklagten erhoben Beschw­erde und rügten unter anderem eine vorschriftswidrige Zusam­menset­zung des Schieds­gerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG).

Das Bun­des­gericht erläuterte, dass nach sein­er Recht­sprechung das Schieds­gericht im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG nur jenes Gericht sein könne, das den ange­focht­e­nen Entscheid auch tat­säch­lich gefällt habe. Werde im Laufe eines Ver­fahrens ein Schied­srichter erset­zt, könne mit Beschw­erde dem­nach nur noch die neue Zusam­menset­zung gerügt wer­den, die einen Schied­sentscheid erlassen hat.

Die Beklagten hät­ten demzu­folge den Anwen­dungs­bere­ich des Beschw­erde­grunds von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verkan­nt, wenn sie vor Bun­des­gericht gel­tend macht­en, der aus­geschiedene Schied­srichter sei befan­gen gewe­sen. Eine Vor­ein­genom­men­heit der in neuer Beset­zung urteilen­den Schied­srichter hät­ten sie nicht gel­tend gemacht. Sie hät­ten denn auch keine Ablehnungsanträge gestellt, son­dern hät­ten vielmehr die Rück­weisung an das­selbe Schieds­gericht beantragt.

Die Rüge, das neu beset­zte Schieds­gericht hätte auf­grund der ange­blichen Befan­gen­heit des aus­geschiede­nen Schied­srichters diese oder jene Prozesshand­lung wieder­holen müssen, sei dem­nach nicht von Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG erfasst.

Dem IPRG liesse sich keine Regelung dazu ent­nehmen, nach welchen Grund­sätzen in der  inter­na­tionalen Schieds­gerichts­barkeit bei Auss­chei­den eines Schied­srichters über eine allfäl­lige Wieder­hol­ung von Prozesshand­lun­gen zu entschei­den sei. Im zu beurteilen­den Fall hät­ten die Parteien diese ver­fahren­srechtliche Frage in Übere­in­stim­mung mit Art. 182 Abs. 1 IPRG durch Ver­weis auf eine schieds­gerichtliche Ver­fahren­sor­d­nung geregelt: Wird ein Mit­glied des Schieds­gerichts erset­zt, nimmt nach Artikel 14 der Swiss Rules das Ver­fahren in der Regel an der Stelle seinen Fort­gang, an welch­er das erset­zte Mit­glied aus­geschieden ist, wobei eine anders lau­t­ende Entschei­dung des Schieds­gerichts vor­be­hal­ten bleibt.

Daraus ergebe sich gemäss Bun­des­gericht, dass im Falle des Auss­chei­dens eines Schied­srichters gegen den vom neu kon­sti­tu­ierten Schieds­gericht gefäll­ten Schied­sentscheid nicht vorge­bracht wer­den könne, der erset­zte Schied­srichter sei befan­gen gewe­sen und das neu beset­zte Schieds­gericht habe durch die Weigerung, bes­timmte Ver­fahrens­ab­schnitte zu wieder­holen, den Anspruch auf ein vorschrifts­gemäss zusam­menge­set­ztes Schieds­gericht gemäss Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG verletzt.