2C_1000/2020: anwaltliche Berufspflichten, unaufgeforderte und periodische Information über das Honorar

Das Bun­des­gericht erwog in diesem Urteil, dass Art. 12 lit. i 2. Halb­satz BGFA einen Anwalt verpflichte, den Klien­ten unab­hängig von Auskun­fts­begehren unaufge­fordert und peri­odisch über die Höhe des geschulde­ten Hon­o­rars zu informieren. Dies jeden­falls dann, wenn der Anwalt und der Klient zu Beginn des Man­dats keine Vere­in­barun­gen darüber getrof­fen hät­ten, wie die Infor­ma­tion über die Höhe des geschulde­ten Hon­o­rars während der laufend­en Man­dats­führung erfol­gen solle. Was unter peri­odis­ch­er Infor­ma­tion zu ver­ste­hen sei, müsse im Einzelfall beurteilt wer­den.

Der Wort­laut dieser Bes­tim­mung, wonach “peri­odisch oder auf Ver­lan­gen” über die Höhe des geschulde­ten Hon­o­rars zu informieren sei, bedeute nicht, so das Bun­des­gericht, dass Anwälte die freie Wahl hät­ten, ob sie ihre Klientschaft (unaufge­fordert) peri­odisch oder aber bloss auf Ver­lan­gen hin informieren. Der Geset­zeswort­laut scheine aber eine Vere­in­barung zwis­chen Anwalt und Klient zuzu­lassen, wonach erst am Ende des Man­datsver­hält­niss­es abgerech­net werde und peri­odis­che Zwis­chenabrech­nun­gen bzw. Zwis­chen­in­for­ma­tio­nen unterbleiben wür­den. Dem Wort­laut könne let­ztlich aber nicht ein­deutig ent­nom­men wer­den, in welchem Ver­hält­nis die bei­den For­men der Infor­ma­tion (peri­odis­che Infor­ma­tion und Infor­ma­tion auf Ver­lan­gen) ste­hen wür­den (E. 4.3.1).

Gestützt auf die Botschaft erwog das Bun­des­gericht sodann, dass der Geset­zge­ber mit dieser Bes­tim­mung Unklarheit­en betr­e­f­fend die Hon­o­rarhöhe und daraus resul­tierende Stre­it­igkeit­en zu ver­hin­dern gesucht hätte, und dass die peri­odis­che Infor­ma­tion als wesentlich­es Instru­ment zum Erre­ichen dieses Ziels betra­chtet wor­den sei. Die Botschaft spreche somit dafür, dass das BGFA Anwälte verpflichte, ihre Klientschaft — auch unaufge­fordert — peri­odisch über die Höhe des Hon­o­rars in Ken­nt­nis zu set­zen (E. 4.3.2).

In tele­ol­o­gis­ch­er Hin­sicht, so das Bun­des­gericht weit­er, ver­möge eine unaufge­forderte peri­odis­che Infor­ma­tion über die Höhe des Hon­o­rars Hon­o­rarstre­it­igkeit­en eher vorzubeu­gen als eine bloss auf Ersuchen des Klien­ten hin erfol­gende Auskun­ft­serteilung. Diese trage dazu bei, dass sich der Recht­suchende nicht mit uner­warteten Hon­o­rar­forderun­gen kon­fron­tiert sehe, was dem all­ge­meinen Zweck der geset­zlichen Pflicht zur Infor­ma­tion über die Höhe des Hon­o­rars entspreche. Diese Pflicht diene indi­rekt dazu, das Ver­trauen in die kor­rek­te Man­dats­führung und damit das Ver­trauensver­hält­nis zwis­chen Anwalt und Klient zu stärken sowie Stre­it­igkeit­en über das Hon­o­rar vorzubeu­gen. Diesem Ver­trauen komme es zugute, wenn der Anwalt unaufge­fordert über die Höhe des Hon­o­rars informiere. Damit werde nicht zulet­zt ein Beitrag dazu geleis­tet, dass das im öffentlichen Inter­esse liegende Anse­hen der Anwaltschaft gewahrt werde (E. 4.3.3).

Schliesslich ver­wies das Bun­des­gericht in sys­tem­a­tis­ch­er Hin­sicht auf das Auf­tragsrecht und auf BGE 144 II 473, wo es fest­ge­hal­ten hat­te, dass eine Ver­let­zung der auf­tragsrechtlichen Sorgfalt­spflicht (Art. 398 Abs. 2 OR) durch den Anwalt sehr häu­fig, aber nicht zwin­gend auch eine Ver­let­zung der anwaltlichen Beruf­spflicht­en (Art. 12 lit. a BGFA) bilde. Die in jen­em Entscheid angestell­ten Über­legun­gen liessen sich ohne Weit­eres sin­ngemäss auf die Frage nach der Trag­weite von Art. 12 lit. i 2. Halb­satz BGFA und dem Ver­hält­nis dieser Bes­tim­mung zu Art. 398 Abs. 2 OR sowie Art. 400 OR über­tra­gen. Art. 12 lit. i 2. Halb­satz BGFA konkretisiere teil­weise die auf­tragsrechtlichen Vor­gaben, könne teil­weise aber auch darüber hin­aus­ge­hen. Das Auf­tragsrecht schliesse somit nicht aus, dass Anwälte gemäss der Bes­tim­mung des BGFA schon während der Dauer des Man­dats “peri­odisch”, mithin aktiv und in regelmäs­si­gen Abstän­den sowie unaufge­fordert über die Höhe des Hon­o­rars informieren müssten (E. 4.3.4).

Gestützt auf diese Ausle­gung kam das Bun­des­gericht zum Schluss, dass Anwalt verpflichtet seien, den Klien­ten unab­hängig von Auskun­fts­begehren unaufge­fordert und peri­odisch über die Höhe des geschulde­ten Hon­o­rars zu informieren. Dieser Schluss recht­fer­tige sich umso mehr, als Rechtsver­fahren notorischer­weise häu­fig lange dauern wür­den und deshalb das Inter­esse am Schutz des Klien­ten durch peri­odis­che (unaufge­forderte) Infor­ma­tion über die Höhe des Hon­o­rars umso gewichtiger sei. Nur mit ein­er solchen Infor­ma­tion habe der Klient die Möglichkeit, von seinem grund­sät­zlichen Recht Gebrauch zu machen, das Man­datsver­hält­nis auf­grund der Hon­o­rar­en­twick­lung zu been­den oder anzu­passen. Ins Gewicht falle in diesem Kon­text auch, dass die unaufge­forderte peri­odis­che Infor­ma­tion über die Höhe des Hon­o­rars auch im öffentlichen Inter­esse an der Wahrung des Anse­hens der Anwaltschaft liege. In diesem Zusam­men­hang ver­wies das Bun­des­gericht sodann auf Art. 21 der Standesregeln des Schweiz­erischen Anwaltsver­bands, wonach die peri­odis­che Infor­ma­tion über die Hon­o­rarhöhe unaufge­fordert zu erfol­gen habe (E. 4.3.5).

Was unter peri­odis­ch­er Infor­ma­tion zu ver­ste­hen sei bzw. in welch­er Kadenz über die Höhe des Hon­o­rars zu informieren sei, so das Bun­des­gericht abschliessend, sei wed­er im Gesetz fest­gelegt noch sei diese Pflicht in den Standesregeln näher konkretisiert. Mass­gebend seien die Ver­hält­nisse im Einzelfall, wobei die ratio legis zu beacht­en sei, näm­lich dass der Klient davor geschützt wer­den solle, plöt­zlich mit ein­er uner­warteten Hon­o­rar­forderung kon­fron­tiert zu wer­den. Häu­figere Infor­ma­tio­nen über die Höhe des Hon­o­rars bzw. Infor­ma­tio­nen in kürz­eren Abstän­den seien beispiel­sweise geboten, wenn der Klient dem Anwalt Kosten­vorschüsse bezahlt habe und sich abze­ichne, dass das Hon­o­rar die geleis­teten Vorschüsse über­steigen werde. Von ein­er Ver­let­zung der Beruf­spflicht sei von vorn­here­in nur auszuge­hen, wenn die Zeit, welche ein Anwalt bis zu ein­er unaufge­forderten Infor­ma­tion über die Hon­o­rarhöhe ver­stre­ichen lasse, klar­erweise nicht mehr als angemessen erscheine. Andern­falls würde ein Anwalt in unver­hält­nis­mäs­siger Weise jedes­mal diszi­plin­iert, wenn ex post gese­hen eine etwas häu­figere Infor­ma­tion als wün­schbar erscheine (E. 5).

Vor­liegend hat­te der Anwalt während rund 17 Monat­en keine Rech­nung gestellt und in dieser Zeitspanne seinen Klien­ten nicht über die Höhe des Hon­o­rars bzw. die Entwick­lung des Hon­o­rars informiert. Zudem machte der schlussendlich fak­turi­erte Betrag mehr als das Dop­pelte der ins­ge­samt geleis­teten Kosten­vorschüsse aus. Unter diesen Umstän­den könne, so das Bun­des­gericht, klar­erweise nicht die Rede davon sein, dass der der Klient innert angemessen­er Frist ab dem Zeit­punkt, als sich abze­ich­nete, dass das Hon­o­rar die Vorschüsse über­steigen werde, den Klien­ten über die Hon­o­rarhöhe informiert wor­den sei. Keine Rolle spiele dabei, dass der Klient auf­grund ein­er selb­ständi­gen Erwerb­stätigkeit mit finanziellen Angele­gen­heit­en ver­traut war und ob die Anforderun­gen überspan­nt wären, wenn bei ruhen­den Ver­fahren alle drei Monate eine peri­odis­che Infor­ma­tion über die Höhe des Hon­o­rars ver­langt würde (E. 6.2).