4D_76/2020: Schlichtungsbehörde als Entscheidbehörde, Anwendung der Vorschriften des vereinfachten Verfahrens (amtl. Publ.)

Gegen­stand dieses Urteils war ein Schlich­tungsver­fahren, in welchem die Klägerin einen Betrag von rund CHF 1’800 ein­klagte und beantragte, dass bei Aus­bleiben ein­er Eini­gung die Schlich­tungs­be­hörde in Anwen­dung von Art. 212 Abs. 1 ZPO einen Entscheid fälle.

Dem Bun­des­gericht bot sich dabei die Gele­gen­heit, klarzustellen, dass neben Art. 212 Abs. 2 ZPO, wonach das Ver­fahren vor der Schlich­tungs­be­hörde mündlich ist, die Regeln des vere­in­facht­en Ver­fahrens zur Anwen­dung gelangen.

Das Bun­des­gericht erwog zunächst, dass sich die Schlich­tungs­be­hörde, wenn sie als eigengliche Entschei­din­stanz han­dle, die all­ge­meinen Regeln der ZPO anzuwen­den und namentlich die ver­fas­sungsmäs­si­gen Ver­fahrens­garantien ein­hal­ten müsse. Sodann wies es darauf hin, dass im Voren­twurf zur ZPO ein aus­drück­lich­er Hin­weis auf die Bes­tim­mungen betr­e­f­fend das vere­in­fachte Ver­fahren enthal­ten hätte, wom­it die Klage­be­grün­dung und ‑antwort mündlich zu erstat­ten seien. Im Entwurf zur ZPO sei dieser Hin­weis aus ungek­lärten Grün­den gestrichen wor­den. Der von zahlre­ichen Autoren vertreten Auf­fas­sung fol­gend erwog das Bun­des­gericht sodann, dass die Schlich­tungs­be­hörde, falls ihr beantragt wird, einen Entscheid zu fällen, die Bes­tim­mungen betr­e­f­fend das vere­in­fachte Ver­fahren anzuwen­den habe. Dabei wies es darauf hin, dass gemäss Art. 219 ZPO die Bes­timungen des drit­ten Titels der ZPO für das ordentliche Ver­fahren sowie sin­ngemäss für sämtliche anderen Ver­fahren gel­ten, soweit das Gesetz nichts anderes bes­timme. Bis zu einem Stre­itwert von CHF 30’000 kämen die Vorschriften des vere­in­facht­en Ver­fahrens zur Anwen­dung (Art. 243 Abs. 1 ZPO), somit auch für Ver­fahren mit einem Stre­itwert bis CHF 2’000, in denen die Schlich­tungs­be­hörde einen Entscheid erlassen könne. Dabei müsse beachtet wer­den, dass sich diese Fälle, in denen die Schlich­tungs­be­hörde einen Entscheid fällen könne, auf diejeni­gen Fälle beschränke, welche bere­its bei der ersten Anhörung spruchreif seien. Aufwändi­ge Beweisver­fahren, die mehrere Anhörun­gen notwendig machen, kön­nten somit nicht von der Schlich­tungs­be­hörde entsch­ieden wer­den. Sodann sei das Ver­fahren mündlich (Art. 212 Abs. 2 ZPO), weshalb die Schlich­tungs­be­hörde keinen Schriften­wech­sel anord­nen dürfe (E. 3.3.2).

Vor­liegend blieb die Beklagte der Schlich­tungsver­hand­lung fern, reichte vorgängig indessen eine schriftliche Stel­lung­nahme ein. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vorin­stanz, so das Bun­des­gericht, bedeute der mündliche Charak­ter des Entschei­d­ver­fahrens (Art. 212 Abs. 2 ZPO) nicht per se, dass die Schlich­tungs­be­hörde eine unaufge­forderte schriftliche Eingabe ignori­eren könne (E. 5.2). Soweit darin indessen keine sub­stan­ti­ierten Aus­führun­gen gemacht wur­den, könne die Schlich­tungs­be­hörde — der Dis­po­si­tion­s­maxime fol­gend — auf unbe­strit­ten gebliebene Tat­sachen­be­haup­tun­gen abstellen (E. 5.3).