5A_582/2018: Erfüllung der Unterhaltspflicht aus Millionenerbe (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 5A_582/2018 vom 1.7.2021 äusserte sich das Bun­des­gericht aus­führlich zum Ver­mö­gensverzehr im Unterhaltsrecht.

Die Vorin­stanz erachtete es dem Unter­haltss­chuld­ner als zumut­bar, zur Erfül­lung sein­er Unter­halt­spflicht sein grössten­teils aus Erb­schaft stam­mendes Ver­mö­gen von Fr. 4.2 Mio. einzuset­zen. In analoger Anwen­dung von Art. 11 Abs. 1 lit. c des Bun­des­ge­set­zes über Ergänzungsleis­tun­gen zur AHV und IV (ELG; SR 831.30) habe er jährlich einen Fün­fzehn­tel des Ver­mö­gens für die Erfül­lung sein­er Unter­halt­spflicht aufzuwen­den. Die Vorin­stanz erwog, sie überse­he nicht, dass lediglich ein klein­er Teil des Ver­mö­gens aus Errun­gen­schaft beste­he. Ein Rück­griff auf das Eigengut sei jedoch bei den gegebe­nen Ver­hält­nis­sen — erhe­blich­es Ver­mö­gen, das lediglich zu einem ver­hält­nis­mäs­sig gerin­gen Anteil benötigt werde — sachgerecht. Der Unter­haltss­chuld­ner wehrte sich dage­gen vor Bun­des­gericht und rügte den ihm zuge­muteten Ver­mö­gensverzehr als willkürlich.

Das Bun­des­gericht nutzte die Gele­gen­heit, die Grund­sätze des Ver­mö­gensverzehrs im Unter­halt­srecht aus­führlich darzule­gen (E. 6.1) und kam danach zum Schluss, die Vorin­stanz habe diese Grund­sätze in dreifach­er Hin­sicht ver­let­zt. Sie habe verkan­nt, dass Erb­ver­mö­gen grund­sät­zlich nicht für die Sich­er­stel­lung des Unter­halts beige­zo­gen wer­den könne. Ein Aus­nah­me­fall müsse begrün­det wer­den. Dafür reiche der Ver­weis auf die Höhe des Ver­mö­gens und auf Recht­sprechung, wonach für den Ver­mö­gensverzehr auch Eigengut gegrif­f­en wer­den könne, nicht aus. Erst wenn ein Aus­nah­me­fall bejaht werde, sei die Ver­mö­gen­shöhe bei der Prü­fung der Zumut­barkeit des Ver­mö­gensverzehrs her­anzuziehen.  Der Vor­be­halt mit Bezug auf Erb­ver­mö­gen sei nicht auf seine Eigen­schaft als Eigengut zurück­zuführen, son­dern auf seine Funk­tion. Der Erban­fall sei prinzip­iell nicht zum Ver­brauch bzw. zur Vor­sorge bes­timmt. Die Vorin­stanz lief­ere keinen nachvol­lziehbaren Grund, weshalb im vor­liegen­den Fall vom Grund­satz der Nicht­berück­sich­ti­gung von Erb­ver­mö­gen abgewichen wer­den sollte (E. 6.3.1). Zudem sei es völ­lig unhalt­bar, wenn die Vorin­stanz die Höhe des Ver­mö­gen­verzehrs in Analo­gie zum ELG bemesse. Dieser Massstab gelte nur bei Ehe­gat­ten im Pen­sion­salter in ein­er Mankosi­t­u­a­tion, wenn das Exis­tenzmin­i­mum anson­sten nicht gedeckt wer­den könne (E. 6.3.2). Keine dieser Voraus­set­zun­gen sei im zu beurteilen­den Fall erfüllt.  Überdies habe die Vorin­stanz bei der Bemes­sung der Höhe des Ver­mö­gensverzehrs überse­hen, dass der Unter­haltss­chuld­ner auch seinen eige­nen Leben­sun­ter­halt aus dem Ver­mö­gen bestre­it­en müsse, da er abge­se­hen vom Ver­mö­genser­trag kein Einkom­men habe (E. 6.3.3). Die Vorin­stanz sei somit in Willkür verfallen.

Offen lässt das Urteil, wann ein Aus­nah­me­fall vor­liegt, bei dem für die Sich­er­stel­lung des Unter­halts auf Erb­ver­mö­gen zurück­ge­grif­f­en wer­den darf. Gemäss der Lit­er­atur, auf die das Bun­des­gericht in seinem Urteil ver­weist, ist dies ins­beson­dere der Fall, wenn die Ehe­gat­ten ihre Leben­shal­tung bere­its während des Zusam­men­lebens ganz oder teil­weise aus Erb­ver­mö­gen finanziert haben (Hausheer/Brunner, Hand­buch des Unter­halt­srechts, 2. Aufl. 2010, N 03.146; Maier, Berech­nung ehe­lich­er und nachehe­lich­er Unter­halts­beiträge, AJP 2020, S. 1280).