Das Bundesgericht ging in diesem Entscheid 6B_195/2020 vom 23. Juni 2021 unter anderem auf die Frage nach der Wahl des Beschuldigten bei der Bestellung eines Rechtsbeistands im Strafprozess ein.
Hintergrund war die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG), nachdem die Zollverwaltung eine an ihn adressierte Postsendung abgefangen hatte, die eine Kräutermischung mit synthetischem Cannabinoid enthielt. Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe sein Recht auf Verteidigung gemäss Art. 6 Ziff. 3 EMRK, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 127 Abs. 4 und 5 StPO und Art. 9 BV in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 des Anwaltsgesetzes vom 11. November 1993 des Kantons St. Gallen (AnwG/SG) verletzt, indem sie seinen Stiefvater nicht als Verteidiger zugelassen hatte (E. 1.1).
Die beschuldigte Person kann im Strafverfahren zur Wahrung ihrer Interessen grundsätzlich einen Rechtsbeistand ihrer Wahl bestellen (Art. 127 Abs. 1 und 129 Abs. 1 StPO, Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK sowie Art. 14 Abs. 3 UNO-Pakt II). Das Recht auf freie Verteidigerwahl gilt jedoch nicht unbeschränkt. Vorbehalten bleiben die strafprozessualen und berufsrechtlichen Vorschriften und Zulassungsvoraussetzungen (Urteil 1B_59/2018 vom 31. Mai 2018 E. 2.4 mit Hinweisen)(E. 1.2.1). Demnach ist gemäss Art. 127 Abs. 5 StPO die Verteidigung der beschuldigten Person Anwältinnen und Anwälten vorbehalten, die nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2001 (BGFA) berechtigt sind, Parteien vor Gerichtsbehörden zu vertreten (vorbehaltend abweichender Bestimmungen der Kantone für die Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren). Während die zivilprozessuale Regelung den Monopolbereich auf die berufsmässige Parteivertretung begrenzt, ist eine entsprechende Beschränkung für die Verteidigung der beschuldigten Person im Strafverfahren nicht vorgesehen. Selbst wenn keine berufsmässige Vertretung vorliegt, kann die beschuldigte Person nicht irgendeine Person zu ihrer Verteidigung bestimmen. Der in Art. 127 Abs. 5 StPO definierte strafprozessuale Monopolbereich gilt für die berufsmässige sowie die nicht berufsmässige Verteidigung. Der Vorbehalt zugunsten nach BGFA zugelassener Anwälte ergibt sich aus der Wichtigkeit der Funktion der Verteidigung (E. 1.2.3). Im Kanton St. Gallen ist die den Rechtsanwälten und Rechtsagenten vorbehaltene Tätigkeit in Art. 10 f. AnwG/SG geregelt. Danach ist die berufsmässige Vertretung vor Strafuntersuchungsbehörde und Gericht dem in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwalt vorbehalten, soweit das AnwG/SG nichts anderes bestimmt. Der Rechtsagent mit Bewilligung zur Berufsausübung ist insbesondere als Vertreter im Strafprozess zugelassen, wenn ein Strafbescheid zulässig ist (Art. 11 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 AnwG/SG)(E.1.2.5).
Das Bundesgericht räumte ein, dass der Stiefvater des Beschwerdeführers weder in einem Anwaltsregister eingetragen sei, noch eine Berechtigung nach den weiteren genannten Bestimmungen des BGFA vorliege. Gemäss Art. 127 Abs. 5 StPO sei er deshalb zu Recht nicht als Verteidiger des Beschwerdeführers zugelassen worden. Zu prüfen bliebe jedoch, ob die Gesetzgebung des Kantons St. Gallen eine abweichende kantonale Bestimmung für die Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren vorsehe. Der Beschwerdeführer machte geltend, das in Art. 10 AnwG/SG statuierte Monopol gelte ausdrücklich nur für die berufsmässige Vertretung. Ein kantonales Anwaltsmonopol für die nicht berufsmässige Vertretung sei hingegen nicht vorgesehen, weswegen der Stiefvater des Beschwerdeführers als pensionierter Bezirksrichter und Ersatzoberrichter als Verteidiger zuzulassen gewesen sei (E. 1.6.1).
Gemäss Bundesgericht nahm der vom Beschwerdeführer angeführte Art. 10 Abs. 1 AnwG/SG weder auf das Übertretungsstrafverfahren noch auf die nicht berufsmässige Vertretung Bezug. Eine Regelung für die nicht berufsmässige Vertretung im Übertretungsstrafverfahren würde sich allenfalls aus einem Umkehrschluss und einer Eingrenzung des Geltungsbereichs von Art. 10 Abs. 1 AnwG/SG in Strafsachen auf das Übertretungsstrafverfahren ergeben. Mit der Nichtregelung der nicht berufsmässigen Vertretung liege jedoch keine hinreichend klare Regelung vor, um von einer im Sinne von Art. 127 Abs. 5 StPO vom bundesrechtlich definierten Monopolbereich abweichenden kantonalen Bestimmung auszugehen. Demnach liege entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers mit der Regelung von Art. 10 Abs. 1 AnwG/SG keine abweichende Bestimmung im Sinne von Art. 127 Abs. 5 StPO vor, welche die Verteidigung des Beschwerdeführers im vorinstanzlichen Verfahren zulassen würde. Ebenfalls keine abweichende Bestimmung für die Verteidigung im Übertretungsstrafverfahren sei in den in Art. 12 AnwG/SG ausdrücklich genannten Ausnahmen oder im Einführungsgesetz des Kantons St. Gallen zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010 (EGStPO/SG) vorgesehen (E. 1.6.3).