1B_333/2020: Entsieglung im Strafverfahren; Verkehr mit Anwälten (Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO) (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht klärte in diesem Urteil, dass gestützt auf die aktuelle Recht­slage einzig der Aus­tausch mit Anwäl­ten, die nach dem BGFA zuge­lassen sind, gestützt auf Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO von der Beschlagnah­mung geschützt ist. Kor­re­spon­denz und Unter­la­gen mit Anwäl­ten, welche nicht in einem Anwalt­sreg­is­ter gemäss BGFA reg­istiert sind, kön­nen demge­genüber beschlagnahmt werden.

Hin­ter­grund dieses Urteils war eine Stra­fun­ter­suchung wegen qual­i­fiziert­er Geld­wäscherei (Art. 305bis Abs. 2 StGB) sowie Bestechung fremder Amt­sträger (Art. 322septies StGB), in dessen Zuge es zu Haus­durch­suchun­gen sowie zur Beschlagnah­mung von Unter­la­gen und elek­tro­n­is­chen Dat­en kam. Im Rah­men des Entsiegelungsver­fahrens beriefen sich die Beschw­erde­führerin­nen auf das Beruf­s­ge­heim­nis von Anwäl­ten und macht­en erfol­g­los gel­tend, dieses gelte — in Abwe­ichung des Wort­lauts von Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO — unab­hängig davon, ob es sich bei den Anwäl­ten um Schweiz­er Staat­sange­hörige, Staat­sange­hörige von Mit­glied­staat­en der EU oder der EFTA, oder um Anwälte aus Drittstaat­en han­dle, solange eine anwalt­styp­is­che Tätigkeit aus­geübt werde.

Das Bun­des­gericht rief zunächst seine Recht­sprechung zum Begriff des Anwalts sowie zum Zweck des Beruf­s­ge­heimniss­es in Erin­nerung (E. 2.2) und ver­wies anschliessend auf die rechtlichen Grund­la­gen des Beruf­s­ge­heimniss­es (E. 2.3) und der Ein­schränkun­gen bei Beschlagnah­mungen sowie der in der Recht­sprechung und Lehre zu diesen Bes­tim­mungen vertrete­nen Ansicht­en (E. 2.4–2.6). Ins­beson­dere weist das Bun­des­gericht darauf hin, dass einzig Anwälte, die nach dem BGFA berechtigt sind, Parteien vor Gerichts­be­hör­den zu vertreten, als Vertei­di­ger ein­er beschuldigten Per­son i.S.v. Art. 264 Abs. 1 lit. a StPO gel­ten. Auf diese Ein­schränkung dürften sich auch Auskun­ftsper­so­n­en i.S.v. Art. 178 lit. d‑g berufen (E. 2.5). Sodann ori­en­tiere sich die Ein­schränkung gemäss Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO an den in Art. 321 StGB genan­nten Per­so­n­en. Dabei beste­he in der Lehre weit­ge­hend Kon­sens darüber, dass Art. 321 StGB hin­sichtlich des Anwalts­be­griffs einen weit­eren Anwen­dungs­bere­ich habe als Art. 13 BGFA, da die Vorschrift im StGB jeden aus­ländis­chen Anwalt, auch aus einem Staat ausser­halb der EU, erfasse. Entsprechend kön­nten sich, so das Bun­des­gericht, auch im Aus­land zuge­lassene Anwälte für deren anwalt­styp­is­chen Tätigkeit­en gestützt auf diese Bes­tim­mung ein­er Beschlagnahme wider­set­zen (E. 2.6).

Mit Bezug auf die stre­it­ge­gen­ständliche Bes­tim­mung (Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO) wies das Bun­des­gericht auf deren Entste­hung hin, wo es um die Har­mon­isierung mit Art. 160 Abs. 1 lit. d ZPO gegan­gen sei (E. 2.7). Sodann erwog das Bun­des­gericht, dass Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO vom Wort­laut her einzig auf Anwälte anwend­bar sei, welche gestützt auf das BGFA reg­istri­ert seien. Anwälte, welche nicht zur Beruf­sausübung gemäss BGFA berechtigt sind, kön­nten sich somit nicht auf diese Bes­tim­mung berufen; und dies unab­hängig davon, ob sie in einem EU oder EFTA Staat das Patent erteilt erhiel­ten oder dort prak­tizieren wür­den (E. 2.8.1). Sodann ver­wies das Bun­des­gericht auf die Voten im Geset­zge­bungsver­fahrens (E. 2.8.2) sowie auf die in der Lehre vertrete­nen Ansicht­en zu dieser Bes­timung (E. 2.8.3). Es erwog, dass die Revi­sion von Art. 161 Abs. 1 lit. d ZPO, und damit die Basis für Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO, im Wesentlichen den Schutz des Beruf­s­ge­heimniss­es bezweckt habe. Obwohl die ZPO-Bes­tim­mung keinen aus­drück­lichen Ver­weis auf das BGFA enthalte, sei unter dem Begriff “Recht­san­walt” ein zur Ausübung der Rechtsvertre­tung befugter Anwalt im Sinne des BGFA zu ver­ste­hen. Dabei ver­wies das Bun­des­gericht auf Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO, wo das Monopol der nach dem BGFA zuge­lasse­nen Anwälte für die beruf­s­mäs­sige Vertre­tung vor den Gericht­en begrün­det werde. Die übri­gen gemäss Art. 68 Abs. 2 lit. b‑d ZPO zur beruf­s­mäs­si­gen Vertre­tung befugten Per­so­n­en wür­den demge­genüber nicht dem Beruf­s­ge­heim­nis nach Art. 321 StGB unter­liegen und kön­nten sich daher nicht auf dessen Schutz berufen. Geschützt sei sodann einzig die anwalt­styp­is­che Tätigkeit, mithin die Beratung oder Vertre­tung in einem Prozess (E. 2.8.4).

Das Bun­des­gericht räumte ein, dass die in der Lehre geäusserte Kri­tik nicht unbe­grün­det sei. Der Geset­zge­ber habe indessen den Schutz gemäss Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO bewusst auf Anwälte beschränkt, welche nach dem BGFA zuge­lassen seien. Der Begriff des Anwalts sowie die von einem Anwalt aus­geübten Tätigkeit­en kön­nten denn auch, so das Bun­des­gericht, von Land zu Land unter­schiedlich sein. Je nach Land könne es sodann schwierig sein zu beurteilen, ob ein aus­ländis­ch­er Anwalt ver­gle­ich­bare oder ähn­liche EIgen­schaft wie in der Schweiz nach dem BGFA prak­tizierende Anwälte aufweisen wür­den (E. 2.9).

Gestützt auf diese Über­legun­gen kam das Bun­des­gericht zum Schluss, dass nur der Aus­tausch mit Anwäl­ten, welche nach dem BGFA zuge­lassen seien, den Schutz des Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO geniessen würde (E. 2.9).