Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt weitgehend die Sanktionsverfügung der Weko gegen die Swisscom. Hintergrund war ein selektives Vergabeverfahren der Post zur Errichtung und den vierjährigen Betrieb eines Netzwerks (sog. Wide Area Network, WAN). Die Swisscom habe, so das Bundesverwaltungsgericht, ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Endkundenmarkt für Breitbandanbindungen im Geschäftskundenbereich missbraucht, indem sie im Rahmen der WAN-Ausschreibung der Post von der Post einen unangemessenen Preis erzwungen habe (Art. 7 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Bst. c KG). Zudem habe die Swisscom ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Wholesale-Markt für Breitbandanbindungen missbraucht, indem sie im Rahmen der WAN-Ausschreibung der Post gegenüber der Sunrise einen unangemessenen Preis erzwungen (Art. 7 Abs. 1 KG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Bst. c KG) sowie eine Kosten-Preis-Schere angewendet habe (Art. 7 Abs. 1 KG). Einzig hinsichtlich der Sanktionshöhe korrigierte das Bundesverwaltungsgericht die Verfügung der Weko ein wenig, indem ein tieferer Sanktionsbetrag festgelegt wurde. Die Medienmitteilung des Gerichts samt Link auf das Urteil kann hier abgerufen werden.
Die Swisscom rügte zunächst, sie hätte von ihrer angeblich marktbeherrschenden Stellung und vom Vorwurf des missbräuchlichen Verhaltens zum Nachteil der Post erstmals aus dem Verfügungsantrag des Sekretariates erfahren. Da dieser Vorwurf weder im Vorabklärungs-Schlussbericht noch im Eröffnungsschreiben noch in der Publikation der Untersuchung erwähnt worden sei, seien die formellen und materiellen Untersuchungsvoraussetzungen diesbezüglich nicht erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht verwarf diese Rüge. Zwar hielt es fest, dass die Swisscom bei Untersuchungseröffnung noch nicht gewusst hätte, dass auch ihr im Rahmen der WAN-Ausschreibung an den Tag gelegtes Verhalten zum Nachteil der Post untersucht würde und dass demnach der Untersuchungsgegenstand nach der Eröffnung um diesen Punkt erweitert worden sei. Allerdings seien die Untersuchungshandlungen nicht auf ein weiteres Unternehmen ausgedehnt worden und es sei auch nicht neu eine Sanktion in Erwägung gezogen worden. Vielmehr hätte sich die Untersuchung lediglich dahingehend ausgeweitet, dass das Verhalten der Swisscom nicht nur im Hinblick auf einen möglichen Nachteil der Konkurrentinnen, sondern auch der Post geprüft worden sei. Der Weko könnte daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie diese geringe Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes hätte publizieren müssen (E. 5.1).
Offen liess das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob der sachlichen Markt eng, mithin beschränkt auf die konkrete Ausschreibung der Post abzugrenzen sei. Das Bundesverwaltungsgericht erinnerte zunächst daran, dass in einem Submissionsverfahren die anbietenden Unternehmen die Marktgegenseite zum öffentlichen Auftraggeber (Vergabestelle) bilden würde. Was substituierbar sei, werde daher durch die publizierten Eignungskriterien und die Ausschreibungsunterlagen definiert. Fraglich sei indessen, ob diese Marktabgrenzung beschränkt auf die konkrete Ausschreibung zu eng sei. Denn eine einzelne Submission stelle nicht in jedem Fall einen eigenen Markt (“Submissionsmarkt”) dar. Vielmehr sei es unter Umständen angezeigt, den Markt weiter zu fassen, zumal Art. 7 KG nicht nur dem Schutz des Wettbewerbs als Ordnungssystem, sondern auch der einzelnen Wettbewerber bezwecke (E. 6.2).
Hinsichtlich der Marktstellung bei Ausschreibungsmärkten (Submissionsmärkten) erwog das Bundesverwaltungsgericht, dass Marktanteile von eher untergeordneter Bedeutung seien, da diese Märkte dadurch charakterisiert seien, dass verschiedene Anbieter um die Durchführung eines Projektes im Wettbewerb stehen würden und dass es einen Wettbewerb um den Markt, nicht aber einen Wettbewerb im Markt gebe. Zudem würden Ausschreibungen meist in grösseren Abständen stattfinden und die ausgeschriebenen Projekte seien häufig von einem erheblichen Umfang, so dass ein Zuschlag für ein einzelnes Unternehmen eine grosse Bedeutung habe. Die Unternehmen hätten damit einen grossen Anreiz, kompetitive Angebote abzugeben, um sich ein Projekt zu sichern. Auch der Erfolg, den ein Unternehmen bei früheren Ausschreibungen gehabt hätte, sei in solchen Märkten kein Indikator für den Erfolg bei künftigen Ausschreibungen. Entscheidend sei vielmehr, welche Unternehmen in der Lage seien, attraktive, konkurrenzfähige Angebote zu unterbreiten (E. 7.3). Inhaltlich bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die marktbeherrschende Stellung der Swisscom (E. 7.4–7.7). In diesem Zusammenhang drang die Swisscom insbesondere nicht mit ihrer Rüge durch, wonach die Post als einzige Nachfragerin über eine ausserordentlich grosse Marktmacht verfügen würde. Die Post habe ihre Verhandlungsmacht gezielt ausgespielt und die Swisscom habe ihr Angebot um ca. [15–25]% senken müssen. Kein marktbeherrschendes Unternehmen mache ein derartiges Preiszugeständnis. Dass die Post ihre Verhandlungsmacht geschickt ausgenutzt habe müsse, so das Bundesverwaltungsgericht, von den Anbietern hingenommen werden, solange keine Hinweise auf ein missbräuchliches Verhalten oder auf die Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien und ‑grundsätze vorliege (E. 7.6.5).
Sodann bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Swisscom gegenüber der Post unangemessene Preise erzwungen hätte. Vorliegend sei eine Gewinnmarge [25–45]% festgestellt worden. Von einer aussergewöhnlich hohen Gewinnmarge drüfe zwar nicht ohne weitere Prüfung auf die Unangemessenheit des Preises geschlossen werden. Allerdings seien, so das Bundesverwaltungsgericht, keine besonderen Umstände für eine solche Marge ersichtlich noch seien solche von der Swisscom geltend gemacht worden. Der von der Swisscom offerierte Preis mit einer Gewinnmarge von [25–45]% liege weit über den effektiven Kosten. Damit könne er nicht mehr als Ausdruck von Leistungswettbewerb angesehen werden; vielmehr sei der Preis als offensichtlich unangemessen zu qualifizieren. Weder hätte die Post diesem unangemessenen Preis durch eine Meldung an den Preisüberwacher ausweichen können, noch hätten für die Post submissionsrechtliche Ausweichmöglichkeiten bestanden. Der aufgrund des Zuschlags abgeschlossene Vertrag zwischen der Post und Swisscom habe die Post verpflichtet, den durch den Zuschlag festgelegten Preis einschliesslich der überhöhten Gewinnmarge zu bezahlen. Die Swisscom hätte somit indirekt – nämlich mithilfe der submissionsrechtlichen Vorgaben – bei der Post Zwang ausüben und von ihr einen unangemessenen Preis fordern können. Zwar hätte sich die Post mit der Ausschreibung selbst in eine Zwangslage begeben, indessen hätte es an der mitbietenden Swisscom gelegen, ihre Verantwortung als marktbeherrschendes Unternehmen wahrzunehmen und diese Zwangslage bei der Preisbildung nicht auszunutzen. Auch die Tatsache, dass die Post im Rahmen der Offertverhandlungen den von der Swisscom ursprünglich offerierten Preis um ca. [15–25]% hätte herunterhandeln können, spreche nicht für oder gegen ein Erzwingen, solange nicht bekannt sei, welcher Spielraum der Swisscom – dank eines allfälligen Erzwingens – in diesen Verhandlungen zur Verfügung gestanden hätte (E. 8.2).
Ebenso habe die Swisscom gegenüber Sunrise unangemesse Preise erzwungen. Sunrise sei hinsichtlich der Poststandorte, die sie weder mit der Teilnehmeranschlussleitung noch mit eigenen Produkten abdecken konnte, auf die kommerziellen Produkte der Swisscom angewiesen gewesen. Sie hätte nicht oder nur ungenügend auf Angebote anderer Anbieter ausweichen können. Der Eigenbau oder die Entbündelung weiterer Anschlusszentralen seien ebenso wenig Ausweichmöglichkeiten. Wie der Post sei es auch Sunrise nicht möglich gewesen, auf rechtliche Verfahren auszuweichen, um dem ökonomischen Druck der Swisscom zu entgehen (E. 8.3).
Schliesslich bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Swisscom den Tatbestand einer Kosten-Preis-Schere gemäss Art. 7 Abs. 1 KG verwirklicht habe. Der Sunrise wäre es im Rahmen der Post-Ausschreibung nicht möglich gewesen, angesichts der Vorleistungspreise, welche sie der Swisscom für den Bezug der Leistungen zur Realisierung des Post-Auftrags hätte zahlen müssen, und dem durch Swisscom gegenüber der Post verlangten Endverkaufspreis eine Marge zu erzielen. Daher sei die Sunrise im Wettbewerb um den Post-Auftrag gegenüber der Swisscom beeinträchtigt gewesen. Indem die Swisscom die Vorleistungspreise für die kommerziellen Breitbandprodukte, welche Sunrise zur Realisierung des Post-Auftrags benötigte, im Vergleich zum Endverkaufspreis zu hoch angesetzt und Sunrise keine Marge belassen habe, um mit Swisscom auf dem Endkundenmarkt in Wettbewerb treten zu können, erfülle sie den Tatbestand einer Kosten-Preis-Schere (E. 8.4).
Eine Korrektur gegenüber der Sanktionsverfügung der Weko nahm das Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Sanktionshöhe vor, indem es den von der Weko festgelegten Maximal-Basisbetrag von 10% des massgeblichen Umsatzes auf den relevanten Märkten als nicht gerechtfertigt erachtete, sondern den Basisbetrag vielmehr bei 8% festsetzte (E. 10).