Im Urteil vom 26. Mai 2021 (1C_33/2020) entschied das Bundesgericht im medial präsenten Fall Ylenia, dass der SRG keine Einsicht in Strafakten des Untersuchungsamtes St. Gallen zu gewähren sei. Im Strafverfahren des im Jahr 2007 entführten und getöteten Mädchens sei das Interesse der Angehörigen, die Sache medial ruhen zu lassen sowie ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht im Sinne von Art. 101 Abs. 1 StPO höher zu gewichten als jenes der SRG an der Akteneinsicht.
Hintergrund dieser Beschwerde ans Bundesgericht war die Entführung des Mädchens Ylenia Ende Juli 2007, das rund eineinhalb Monate später bei Oberbüren (SG) tot aufgefunden worden war. Der mutmassliche Täter hatte noch am selben Tag Suizid begangen. Anfang 2019 sorgten Presseberichte und Aussagen angeblicher Zeugen, wonach weitere Personen an der Tat beteiligt gewesen sein sollen, erneut für mediale Aufmerksamkeit, woraufhin die SRG und ein Redaktor vom Schweizer Radio und Fernsehen beim kantonalen Untersuchungsamt St. Gallen um Einsicht in die Strafakten ersuchten um herauszufinden, ob die mit den neu aufgebrachten Zeugenaussagen verbundenen Erkenntnisse durch die Strafverfolgungsbehörden seinerzeit abgeklärt worden seien. In der Folge liess das Untersuchungsamt die Kontaktdaten der von der Einsicht betroffenen Personen polizeilich abklären, kontaktierte diese und gewährte ihnen das rechtliche Gehör. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hielt in diesem Zusammenhang am 7. März 2019 eine Pressekonferenz ab. Das Untersuchungsamt wies in der Folge das Gesuch der SRG ab, was von der Anklagekammer des Kantons St. Gallen bestätigt wurde.
Im Verlauf des bundesgerichtlichen Verfahrens konnte die SRG Einsicht in die Einstellungsverfügung des Untersuchungsrichteramtes von 2008 sowie die Nichtanhandnahmeverfügung von Ende 2018 nehmen. Die Beschwerde wurde insofern gegenstandslos. Gemäss dem in Art. 30 Abs. 3 BV verankerten Prinzip der Justizöffentlichkeit sind (unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen) Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung öffentlich (E. 3.1.1.). Daraus kann gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts in begründeten Fällen auch ein Einsichtsrecht von Interessierten in strafprozessuale Entscheide (insbesondere Einstellungsverfügungen) folgen. Das Prinzip der Justizöffentlichkeit bildet jedoch keine Grundlage für die Gewährung von Einsicht in die gesamten Strafakten, sondern wird durch Art. 69 Abs. 1 StPO für gerichtliche Strafverfahren namentlich hinsichtlich des vorliegend betroffenen Vorverfahrens eingeschränkt (E. 3.1.3).
Der Anspruch auf Akteneinsicht ist von der Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 2 BV) und dem massgeblichen kantonalen Recht (Art. 35 Abs. 2 lit. g EG-StPO/SG) nicht nur auf Verfahrensbeteiligte beschränkt, sondern kann bei hängigen Verfahren ausnahmsweise auch Drittpersonen offen stehen (Art. 101 Abs. 3 StPO), insbesondere den Medien. Dritten kann Akteneinsicht jedoch nur gewährt werden, wenn ein schutzwürdiges Interesse vorliegt, das die entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen überwiegt. Nicht verfahrensbeteiligte Dritte haben regelmässig ein geringeres Interesse an der Akteneinsicht als die Partei, die diese zur Wahrung ihrer Rechte im Verfahren benötigt (E. 3.3.1). Der Entscheid über die Gewährung der Akteneinsicht erfordert insofern eine sorgfältige und umfassende Interessenabwägung (E. 4).
Im vorliegenden Fall entschied das Bundesgericht, dass die privaten Interessen der Angehörigen sowie die öffentlichen Interessen gegenüber einer Einsichtnahme der SRG in die Akten überwiegen (E. 7). Dies betrifft einerseits das Interesse der Angehörigen, die sie belastende Angelegenheit medial ruhen zu lassen sowie ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Schutz der Privatsphäre gemäss Art. 13 BV; E. 6.4), anderseits die öffentlichen Geheimhaltungsinteressen (Art. 73 Abs. 1 StPO; E. 6.6). Bereits fraglich war zudem, ob der SRG überhaupt ein schutzwürdiges Interesse an der Akteneinsicht zukam, zumal diese ihr Gesuch auf einen Zeitungsartikel stützte, das die Täterschaft im seit über zehn Jahren rechtskräftig abgeschlossenen Fall Ylenia neu aufrollte (E. 5.4.1).