4A_209/2021: Austritt eines Gesellschafters einer GmbH bei Anteilen von über 35% (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht klärte in diesem Urteil, dass der Aus­tritt eines Gesellschafters aus ein­er GmbH nicht zu bewil­li­gen sei, wenn die Gesellschaft auf­grund des Auss­chei­dens eigene Stam­man­teile im Nen­nwert von über 35% des Stammkap­i­tals hielte.

Hin­ter­grund war eine erfol­glose Aus­trittsklage eines Gesellschafters, der eine Beteili­gung von 45% am Stammkap­i­tal ein­er GmbH von CHF 20’000 hält. Das Bun­des­gericht qual­i­fizierte die Frage, wie sich das Aus­trittsrecht (Art. 822 OR) eines Gesellschafters mit ein­er Beteili­gung von über 35% am Stammkap­i­tal zu den Regeln über den Erwerb eigen­er Stam­man­teile der Gesellschaft ver­halte, ins­beson­dere zur Erwerb­sober­gren­ze von 35% (Art. 783Abs. 2 OR), als Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung, weshalb es auf die Beschw­erde ein­trat, obwohl die Stre­itwert­gren­ze nicht erre­icht war.

Das Bun­des­gericht wies darauf hin, dass das rev­i­dierte Recht zur GmbH nicht aus­drück­lich regle, wie mit den Stam­man­teilen des aus­tre­tenden Gesellschafters zu ver­fahren sei. Aus der neuen Bes­tim­mung Art. 825a Abs. 1 OR zur Fäl­ligkeit der Abfind­ung wür­den sich aber drei Möglichkeit­en ergeben, welche vor­liegend indessen alle­samt nicht greifen wür­den. So sei eine Her­ab­set­zung des Stammkap­i­tals aus­geschlossen, weil dieses lediglich CHF 20’000 betrage. Sodann kön­nten die Stam­man­teile gemäss unbe­strit­ten geblieben­em Sachver­halt zumin­d­est zurzeit nicht veräussert wer­den, zumal es an ein­er Grund­lage für eine zwangsweise Über­tra­gung auf die Mit­ge­sellschafter fehle (E. 6.1).

Schliesslich komme vor dem Hin­ter­grund von Art. 783 OR nicht in Frage, dass die Stam­man­teile an die GmbH fall­en wür­den. Die Beschränkung des Erwerbs eigen­er Stam­man­teile ste­he im Dienst des Gläu­biger­schutzes und solle namentlich die Ver­min­derung von Haf­tungssub­strat der Gesellschaft ver­hin­dern. Unter Hin­weis auf den Geset­zge­bung­sprozess erwog das Bun­des­gericht, dass die im Gesetz fest­ge­hal­tene Gren­ze von 35% das Resul­tat ein­er Abwä­gung sei zwis­chen dem Bestreben, den Gesellschafter­wech­sel möglichst flex­i­bel zu gestal­ten und damit auch den Aus­tritt von Gesellschaftern mit hohen Beteili­gungsquoten zu ermöglichen, sowie umgekehrt dem Anliegen, den Kap­i­tal-und Gläu­biger­schutz zu gewährleis­ten (E. 6.2.1). Der mit dem Aus­tritt ver­bun­dene Anfall der Stam­man­teile bei der GmbH qual­i­fiziere als Erwerb eigen­er Stam­man­teile im Sinne dieser Bes­tim­mung, zumal mit dem Aus­tritt ein oblig­a­torisch­er Abfind­ungsanspruch des aus­tre­tenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft entste­he (Art. 825 Abs. 1 OR; woran die erst später ein­tre­tende Fäl­ligkeit gemäss Art. 825a OR nichts ändere) und damit der Schutzgedanke von Art. 783 Abs. 2 OR (Sicherung des Gesellschaft­skap­i­tals) zum Tra­gen komme (E. 6.2.2). Der Geset­zge­ber habe im Wis­sen um die Schwierigkeit des Aus­tritts von Gesellschaftern mit bedeu­ten­den Beteili­gungsquoten einen Pla­fond von 35% eigen­er Stam­man­teile am Stammkap­i­tal fest­gelegt. Darüber hin­aus­ge­hend werde ein Hal­ten eigen­er Stam­man­teile durch die Gesellschaft nicht toleriert. Änderun­gen im Gesellschafterbe­stand kön­nten somit nicht bewil­ligt wer­den, wenn sie dazu führen wür­den, dass die Gesellschaft eigene Stam­man­teile im Nen­nwert von über 35 % des Stammkap­i­tals halte (E. 6.2.3).

Das Bun­des­gericht hielt sodann fest, dass bei dieser Lösung auch der Auss­chluss eines Gesellschafters mit ein­er Beteili­gung von mehr als 35% gestützt auf Art. 823 OR nicht mehr möglich sei. Dies bleibe indes fol­gen­los, da ein Gesellschafter mit ein­er solchen Beteili­gung bere­its auf­grund dessen Sper­rmi­norität fak­tisch nicht aus­geschlossen wer­den könne (E. 6.2.4). Sodann könne nicht eingewen­det wer­den, dass bere­its Art. 825a OR eine Gläu­biger­schädi­gung ver­hin­dere, indem die Fäl­ligkeit der Abfind­ung an Kap­i­talschutzvorschriften gekop­pelt werde. Diese Bes­tim­mung bilde eine zu Art. 783 Abs. 2 OR zusät­zliche Schranke zur Ver­hin­derung der Aushöh­lung der Gesellschaft (E. 6.3). Schliesslich sei, so das Bun­des­gericht, dem aus­trittswilli­gen Gesellschafter nicht jegliche Hand­habe genom­men. Ins­beson­dere gewähre ihm Art. 821 Abs. 3 Satz 1 OR das Recht, auf Auflö­sung der Gesellschaft aus wichtigem Grund zu kla­gen. Bei der Prü­fung des Vor­liegens eines wichti­gen Grun­des sei zu berück­sichti­gen, dass ein Aus­tritt wegen der Erwerb­sober­gren­ze von Art. 783 Abs. 2 OR aus­geschlossen sei (E. 6.4). Dies war vor­liegend indessen nicht Prozess­ge­gen­stand, da der Gesellschafter einzig auf Aus­tritt, nicht aber even­tu­aliter auf Auflö­sung der Gesellschaft oder auf Erlass ein­er anderen sachgemässen Lösung geklagt hat­te (E. 7).