Im Urteil 6B_774/2020 vom 28. Juli 2021 bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung eines heute 22-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen versuchter vorsätzlicher Tötung sowie zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 7’000, nachdem der Täter im Sommer 2017 einen Mitschüler aus der Berufsschule mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte. Nachdem es in einer Whatsapp-Gruppe zu einer Auseinandersetzung gekommen war, hatte sich der Verurteilte vor dem Tatabend ein acht Zentimeter langes Klappmesser beschafft und seinen Klassenkollegen damit an dessen Wohnort aufgesucht. In Folge kam es dort zunächst zu einem verbalen Streit, bei dem der Verurteilte das Messer in der Hand hielt. Als der Streit eskalierte, stach der damals 18-Jährige zu und traf das Opfer in die Leber, welches nur dank einer Notfalloperation überlebte.
Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der besonderen Voraussetzungen nach Art. 112–116 StGB zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft (Art. 111 StGB). Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert hat, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind (Art. 22 Abs. 1 StGB). Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt bzw. sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf genommen hat, muss das Gericht bei Fehlen eines Geständnisses des Beschuldigten aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Rechtsgutsverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Das Gericht darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter in Würdigung aller Umstände der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufgedrängt hat, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolgs ausgelegt werden kann. Eventualvorsatz kann allerdings auch zu bejahen sein, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf diesfalls nicht allein aus dem Wissen des Täters um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden, sondern müssen weitere Umstände hinzutreten. Solche Umstände liegen namentlich darin, dass der Täter das ihm bekannte Risiko nicht kalkulieren und dosieren kann und dem Opfer keine Abwehrchancen zur Verfügung stehen (E. 2.3).
Der Beschwerdeführer rügte vor Bundesgericht eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz. Der Schuldspruch wegen eventualvorsätzlicher Tötung beruhe auf einer willkürlichen Beweiswürdigung und verletzte die Unschuldsvermutung. Eine korrekte und vollständige Würdigung der Beweise und eine Gesamtschau ergebe, dass er den Messerstich unbewusst und in einem Reflex ausgeführt habe. Er habe instinktiv mit der Faust in den Oberbauch des Opfers geschlagen, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein, dass er das Messer in der Faust gehalten habe (E. 1.1 und E. 2.1).
Das Bundesgericht wies sämtliche Rügen des jungen Straftäters bezüglich Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung ab. Er habe nicht hinreichend darlegen können, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar sein oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen und die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen sollen (E. 1.4.1). Auch der Beweiswürdigung in Zusammenhang mit den Stichbewegungen des Täters (E. 1.4.2) sowie dem Zustechen (E. 1.4.3) sei keine Willkür darzutun, wobei das Bundesgericht mehrmalig die unlogischen Aussagen des Beschwerdeführers vorbrachte.
Bei einem gegen die Leber geführten Messerstich dürfe ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass der Täter den Tod im Sinnes des Eventualvorsatzes in Kauf genommen habe. Entsprechend machte der Beschwerdeführer auch nicht geltend, nicht um das Risiko des Todeseintritts gewusst zu haben. Eine tödliche Verletzung lag damit im allgemein bekannten Rahmen des Kausalverlaufs. Ein in einem solchen Kontext geführter Stich mit einem Messer sei weder kontrollierbar noch bezüglich Wucht und Richtung steuerbar. Angesichts der Dynamik der Auseinandersetzung sei dem Messerstich eine besondere Gefährlichkeit zugekommen. Der Täter habe daher erkennen müssen, dass er die Folgen seines Verhaltens hinsichtlich des Verletzungsrisikos weder kalkulieren noch dosieren konnte (E. 2.5). Der erlittene Leberdurchstich spreche für eine erhebliche Intensität des Zustechens. Bei diesem Vorgehen habe der Täter mit dem Eintritt des Todes des Opfers rechnen müssen und habe diesen für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen (E. 2.5). Der Stich sei in unmittelbarer Nähe der Körperhauptschlagader sowie anderer venöser Blutgefässe, des Rückenmarks und anderer lebenswichtiger Organe verlaufen und damit objektiv lebensgefährlich gewesen (E. 2.2).
Auch die Rüge der unzureichend gewichteten Strafzumessungskriterien wies das Bundesgericht ab. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf dessen Leben. Die Bewertung des Verschuldens richtet sich gemäss Art. 47 Abs. 2 StGB nach der Schwere der Verletzung oder der Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach, wie weit dieser nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (E. 3.2). Dies hatte die Vorinstanz nach Ansicht des Bundesgerichts getan, indem es von einem nicht mehr leichten objektiven Tatverschulden ausging (E. 3.3.1) und sich dabei mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten nachvollziehbar und zutreffend auseinandersetzte (E. 3.3.2). Insbesondere habe es bei der Darlegung der persönlichen Verhältnisse das jugendliche Alter des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt zu seinen Gunsten berücksichtigt (E. 3.3.4). Die ausgesprochene Freiheitsstrafe erweise sich deshalb als vom sachrichterlichen Ermessen gedeckt und bundesrechtskonform (E. 3.3.6).