6B_336/2021: Beschwerdelegitimation der Erben im Strafverfahren (amtl. Publ.)

Im Urteil 6B_336/2021 vom 27. August 2021 prüfte das Bun­des­gericht die Beschw­erdele­git­i­ma­tion der Erben eines Beschuldigten, der während des Unter­suchungsver­fahrens verstarb.

Hin­ter­grund dieses Urteils war der Ver­such eines Mannes, in seinem Fahrzeug mit Kokain kon­t­a­miniertes Bargeld in der Höhe von EUR 15’000.– sowie rezeptpflichtige Medika­mente an der Gren­ze von St. Mar­grethen in die Schweiz zu schmuggeln. Die Staat­san­waltschaft des Kan­tons St. Gallen hat­te daraufhin eine Stra­fun­ter­suchung wegen des Ver­dachts der Geld­wäscherei und des Verge­hens gegen das Heilmit­telge­setz eröffnet. Nach­dem der Beschuldigte während des Ver­fahrens ver­stor­ben war, hat­te die Staat­san­waltschaft das Ver­fahren eingestellt und die Einziehung des Bargelds ver­fügt. Dage­gen führte die Rechtsvertreterin des Beschuldigten im Namen der Erben Beschw­erde vor Bun­des­gericht. Strit­tig war vor­liegend, ob die Recht­san­wältin über eine gültige Voll­macht ver­fügte, gestützt auf welche sie die erfol­gte Einziehung des Bargelds im Namen und Inter­esse der damals noch nicht namentlich bekan­nten Erben anfecht­en kon­nte (E. 1).

Stirbt die beschuldigte Per­son während des Unter­suchungsver­fahrens, ist das Strafver­fahren infolge des Prozesshin­derniss­es einzustellen (Art. 319 Abs. 1 lit. d StPO) und eine allfäl­lige Einziehung von Ver­mö­genswerten des Ver­stor­be­nen zulas­ten der Erben anzuord­nen, auf welche die Ver­mö­genswerte mit dessen Tod überge­gan­gen sind (Art. 320 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Ein­stel­lungsver­fü­gung ist den Erben mitzuteilen (Art. 321 Abs. 1 lit. c StPO) und diese sind im Ver­fahren über die Einziehung innert zehn Tagen zur Beschw­erde legit­imiert (Art. 322 Abs. 2 StPO). Nach diesen Grund­sätzen hätte die Staat­san­waltschaft vor­liegend ver­fahren müssen. Sie wäre fol­glich verpflichtet gewe­sen, die Erben des Beschuldigten aus­find­ig zu machen und die Einziehung der EUR 15’000.– diesen gegenüber anzuord­nen (E. 3). Die Rechtsvertreterin hat­te ihr Man­dat insofern zu Recht im Namen der Erben weit­erge­führt und Beschw­erde gegen die Einziehung erhoben.

Prozessvoll­macht­en über den Tod hin­aus (sog. trans­mor­tale Voll­macht­en) sind nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung grund­sät­zlich zuläs­sig (vgl. BGE 75 II 190 E. 1). Bei Ein­tritt des Todes des beschuldigten Voll­macht­ge­bers im Laufe des Prozess­es muss das Auf­tragsver­hält­nis auch trotz man­gels ein­er trans­mor­tal­en Voll­macht in Beach­tung des Ver­trauenss­chutzprinzips fortbeste­hen, wenig­stens bis zu dem Zeit­punkt, in welchem durch die Erben abgek­lärt ist, ob diese den Prozess fortzuführen gedenken und wer gegebe­nen­falls hierzu ermächtigt ist. Sinn und Zweck ein­er trans­mor­tal­en Voll­macht ist es u.a., die ver­mö­gen­srechtliche Inter­essen­wahrung nach dem Tod des Erblassers bis zur Ausstel­lung der Erbbescheini­gung sicherzustellen, um so die oft­mals lange Zeit bis zur Legit­i­ma­tion der Erben zu über­brück­en (E. 4.2). In diesem Sinne hiess das Bun­des­gericht die im Namen der Erben erhobene Beschw­erde der Rechtsvertreterin gut (E. 5).