6B_216/2020: Verbotene Handlung für einen fremden Staat (amtl. Publ.)

Im Urteil 6B_216/2020 vom 1. Novem­ber 2021 prüfte das Bun­des­gericht den Tatbe­stand der ver­bote­nen Hand­lun­gen für einen frem­den Staat (Art. 271 StGB). Hin­ter­grund war ein Strafver­fahren der Bun­de­san­waltschaft infolge ein­er Über­mit­tlung von ins­ge­samt 109 Kun­den­dossiers durch den Mitar­beit­er ein­er Schweiz­er Ver­mö­gensver­wal­tungs­ge­sellschaft an das amerikanis­che Jus­tizde­parte­ment betr­e­f­fend Kun­den, die ihr Ver­mö­gen in den USA eventuell nicht regelkon­form ver­s­teuert hatten.

Gemäss Art. 271 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer auf schweiz­erischem Gebi­et ohne Bewil­li­gung für einen frem­den Staat Hand­lun­gen vorn­immt, die ein­er Behörde oder einem Beamten zukom­men. Durch die Bes­tim­mung sollen die Ausübung fremder Staats­ge­walt auf dem Gebi­et der Schweiz ver­hin­dert und das staatliche Macht­monopol sowie die schweiz­erische Sou­veränität geschützt wer­den. Damit ist stets der Staat Träger des geschützten Rechtsguts. Pri­vate Per­so­n­en kön­nen nur indi­rekt betrof­fen sein. Die betr­e­f­fende Hand­lung muss zudem auf schweiz­erischem Gebi­et stattge­fun­den haben. Dabei genügt es nach herrschen­der Lehre, dass nur ein Teil der straf­baren Hand­lun­gen in der Schweiz vorgenom­men wurde (E. 1.4.1).

Der Tatbe­stand von Art. 271 Ziff. 1 Abs. 1 StGB erfordert eine Hand­lung, die ein­er Behörde oder einem Beamten vor­be­hal­ten ist bzw. einen amtlichen Charak­ter aufweist. Für die Ausle­gung der Tathand­lung ist das geschützte Rechtsgut mass­gebend. Bei der Bes­tim­mung des straf­baren Charak­ters ein­er Hand­lung ist nach der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts danach zu fra­gen, ob die betr­e­f­fende Hand­lung geeignet ist, die “staatliche Herrschaftssphäre” zu gefährden. Mass­gebend ist, dass die Her­aus­gabe von Infor­ma­tio­nen und Unter­la­gen, die in der Schweiz lediglich auf hoheitliche Anord­nung hin recht­mäs­sig her­aus­gegeben wer­den kön­nen, das von Art. 271 StGB geschützte Rechtsgut tang­iert. In sämtlichen Kon­stel­la­tio­nen dür­fen nur Akten und Infor­ma­tio­nen her­aus­gegeben wer­den, über die frei ver­fügt wer­den kann. Nur der Amts- oder Recht­shil­feweg bietet ein prozes­suales Gefäss, in dem Geheimhal­tungs- und Offen­le­gungspflicht­en einan­der gegenübergestellt und der Spezial­itäts­grund­satz gewährleis­tet wer­den kön­nen. Nicht frei ver­fügt wer­den kann über nicht öffentlich zugängliche, iden­ti­fizierende Infor­ma­tio­nen über Dritte (E. 1.4.2).

Vor­liegend waren die Bankun­ter­la­gen der Ver­mö­gensver­wal­terin unter klaren Ver­trags­be­din­gun­gen anver­traut wor­den. Die Ver­mö­gensver­wal­terin war fol­glich nicht berechtigt, die Kun­den­dossiers direkt an das amerikanis­che Jus­tizde­parte­ment zu über­mit­teln. Vielmehr hätte dieses den Amts- bzw. Recht­shil­feweg beschre­it­en und die Dat­en über die zuständi­gen schweiz­erischen Behör­den bei der Ver­mö­gensver­wal­terin als Infor­ma­tion­strägerin mit Sitz in der Schweiz her­aus­fordern müssen. Indem die Ver­mö­gensver­wal­terin dem amerikanis­chen Jus­tizde­parte­ment die Unter­la­gen in Umge­hung des Amts- bzw. Recht­shil­fewegs direkt über­mit­telte, nahm diese eine Hand­lung für einen frem­den Staat vor, die den schweiz­erischen Behör­den vor­be­hal­ten war. Ob es der Ver­mö­gensver­wal­terin auch möglich gewe­sen wäre, die sich in einem Drittstaat befind­en­den Dat­en vom Drittstaat aus an das amerikanis­che Jus­tizde­parte­ment zu über­mit­teln, sei gemäss Bun­des­gericht vor­liegend nicht rel­e­vant (E. 1.4.3).