Das Bundesverwaltungsgericht ist auf die Beschwerde gegen die Ausschreibung zur geplanten Justizplattform «Justitia.Swiss», aufgrund der fehlenden Beschwerdelegitimation des Vereins «Digitale Gesellschaft» sowie einer Schweizerischen IT-/Software-Firma, nicht eingetreten.
Hintergrund des Entscheides ist die geplante Schaffung eines einheitlichen schweizerischen Justizportals. Die zentrale E‑Justiz-Plattform soll künftig bei Gerichtsverfahren den elektronischen Rechtsverkehr zwischen den verschiedenen Verfahrensbeteiligten sowie die Akteneinsicht in allen Verfahrensabschnitten ermöglichen. Die KKJPD als Auftragsgeberin respektive das Projekt Justitia 4.0 als Vergabestelle, schrieb den Dienstleistungsauftrag «Plattform Justitia.Swiss» im selektiven Verfahren öffentlich aus, woraufhin die Beschwerdeführerinnen Beschwerde erhoben und beantragten, die angefochtene Ausschreibung sei als nichtig zu erklären.
Das Bundesverwaltungsgericht trat in der Folge auf die Beschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführerinnen nicht ein. Es erinnerte daran, dass die Legitimation zur Beschwerde (Art. 48 Abs. 1 VwVG) voraussetze, dass die Beschwerdeführerinnen durch die angefochtene Ausschreibung besonders betroffen seien (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung bzw. Abänderung hätten (lit. c) (E. 4.1). Das Erfordernis der formellen Beschwer spiele im Rahmen der Anfechtung einer Ausschreibung keine Rolle, da die Ausschreibung das Beschaffungsverfahren erst initiiere (E. 4.2).
Der Verein Digitale Gesellschaft sei, so das Bundesverwaltungsgericht, nicht als potentielle Anbieterin in der vorliegenden Ausschreibung aufgetreten und hätte nie geltend gemacht, eine Offerte einreichen zu wollen bzw. in unzulässiger Weise von der Beschaffung ausgeschlossen worden zu sein (E. 6.3.2). Entsprechend sei der Verein lediglich zur Beschwerde befugt gewesen, wenn er die Voraussetzungen einer sog. egoistischen Verbandsbeschwerde erfüllt hätte. Praxisgemäss wäre hierfür (i) ein enger, unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem statuarischen Vereinszweck und der angefochtenen Verfügung verlangt und (ii) von der Ausschreibung ist mindestens eine grosse Anzahl Mitglieder oder eine Mehrheit derselben betroffen und (iii) jedes dieser Mitglieder wäre selbst dazu legitimiert, Beschwerde zu führen (E. 6.3.3).
Als «Bürgerrechts- und Konsumentenschutzorganisation mit gemeinnützigem Charakter», so das Bundesverwaltungsgericht weiter, bezwecke der Verein Digitale Gesellschaft offensichtlich nicht den Schutz potenzieller Anbieter in der vorliegenden Ausschreibung, und er sei auch selbst kein potenzieller Anbieter. Es sei ausserdem nicht ersichtlich, inwiefern eine grosse Anzahl seiner Mitglieder von der Ausschreibung betroffen sein solle. Entsprechend erfülle der Verein die Voraussetzungen für eine egoistische Verbandsbeschwerde nicht (E. 6.3.4).
Vom Bundesverwaltungsgericht erwähnt, aber offengelassen wird sodann (E. 6.4), ob allenfalls eine sog. «marktordnende Beschaffung» vorliegen könne. So könne eine Legitimation praxisgemäss ebenso vorliegen, wenn bei Beschaffungsvorhaben ein Markt in grundsätzlicher Weise neugeordnet werde, mithin auch die nicht als potenzielle Erbringer der Leistung anzusehenden Marktteilnehmer mehr als bloss mittelbar betroffen und demnach in eigenen, schutzwürdigen Interessen berührt seien. Die Legitimation wäre demnach weiter zu fassen, soweit die Marktteilnehmer im Ergebnis mit einer “wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Ordnung” konfrontiert seien. Dabei wäre zu beachten, dass die Annahme einer marktordnenden Beschaffung eine erhebliche Nachfragemacht der öffentlichen Hand im in Frage stehenden Marktsegment voraussetze. Da sowohl dem Verein als auch einer grossen Anzahl seiner Mitglieder die marktteilnehmende Eigenschaft fehle, brauche indessen auch nicht beantwortet zu werden, ob dem Staat in Bezug auf die Digitalisierung der Justiz eine solche Nachfragemacht zukomme.
Der IT-/Software-Firma gelang es nicht, dem Bundesverwaltungsgericht den notwendigen Nachweis für die Beschwerdelegitimation zu erbringen. So habe sie lediglich pauschal und nicht konkret ausgeführt, dass sie an der Ausführung der ausgeschriebenen Aufträge interessiert und zur Erbringung der entsprechenden Leistungen in der Lage wäre (E. 7.4.3). Sodann verkenne die Firma, dass sie durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen müsse. Eine solche ergebe sich aber nicht bereits daraus, dass sie sich für eine Frage aus ideellen Gründen besonders interessiere oder sich aus persönlicher Überzeugung für oder gegen eine Sache engagiere (E. 7.4.4.). Es bestehe zwar ein Eigeninteresse an der Ausführung der ausgeschriebenen Aufträge, jedoch konkretisiere die Beschwerdeführerin nicht und es sei nicht ohne weiteres ersichtlich, ob es sich bei ihr um eine potenzielle Erbringerin der in Frage stehenden Leistungen handle. Sie behafte sich auf unkonkrete und pauschale Aussagen, welche gemäss BVGer eher auf «eine politische Bewertung des noch bevorstehenden Gesetzgebungsprozesses im Zusammenhang mit dem Projekt Justitia 4.0» hindeute (E. 7.4.5).
Offen liess das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang die Frage, ob vor dem Hintergrund, dass die IT-/Software-Firma unbestrittenermassen keinen Antrag auf Teilnahme am selektiven Verfahren gestellt hatte, kein Anlass bestehe, vom Erfordernis der formellen Beschwer abzusehen, da der Beschwerdeführerin 2 eine Teilnahme am Vergabeverfahren möglich gewesen wäre (E. 7.3.2).
Der Redaktor dankt MLaw Laurence Käppeli, Trainee Lawyer bei Eversheds Sutherland AG, für die tatkräftige Unterstützung beim Verfassen dieses Beitrags.