6B_781/2020: Amtsmissbrauch durch Polizisten

Im Urteil 6B_781/2020 vom 17. Jan­u­ar 2022 bestätigte das Bun­des­gericht einen Schuld­spruch wegen Amtsmiss­brauchs gegen einen Polizeibeamten, nach­dem dieser anlässlich ein­er nächtlichen Anhal­tung den arrestierten und in Folge wehr­los in Bauch­lage auf dem Boden liegen­den Ange­hal­te­nen mit seinem recht­en Fuss ins Gesicht getreten und dessen Kopf mit den Hän­den mehrfach gegen den Boden geschla­gen hat­te. Die Vorin­stanz verurteilte den Polizis­ten nach diesem Vor­fall zu ein­er bed­ingten Geld­strafe von 180 Tagessätzen zu CHF 80.00.

Der Polizeibeamte rügte vor Bun­des­gericht unter anderem, die Vorin­stanz ver­let­ze Art. 53 StGB, indem sie trotz Wiedergut­machung nicht von ein­er Strafe abse­he. Es ste­he eine bed­ingte Strafe im Raum, er habe sich mit dem Ange­hal­te­nen ausserg­erichtlich geeinigt und dieser habe sein Desin­ter­esse am Strafver­fahren bekun­det (E. 2.1). Die Vorin­stanz ent­geg­nete jedoch zusam­menge­fasst, es han­dle sich um einen Über­griff eines Polizis­ten bei der Ausübung des staatlichen Gewalt­monopols. Straftat­en eines Polizis­ten bei ein­er Arrestierung müssten in aller Regel strafrechtliche Kon­se­quen­zen zeit­i­gen, dies ger­ade unter dem Aspekt des Rechts­friedens, der ohne regelkon­form funk­tion­ierende staatliche Insti­tu­tio­nen nicht gewährleis­tet sei (E. 2.2).

Bei der Wiedergut­machung nach Art. 53 aStGB (in Kraft bis zum 30. Juni 2019; der für den beschw­erde­führen­den Polizeibeamten im Sinne von Art. 2 Abs. 2 StGB milder war) sieht die zuständi­ge Behörde von ein­er Strafver­fol­gung, ein­er Über­weisung an das Gericht oder ein­er Bestra­fung ab, wenn der Täter den Schaden gedeckt oder alle zumut­baren Anstren­gun­gen unter­nom­men hat, um das von ihm bewirk­te Unrecht auszu­gle­ichen, sowie (lit. a) die Voraus­set­zun­gen für die bed­ingte Strafe (Art. 42 StGB) erfüllt sind und (lit. b) das Inter­esse der Öffentlichkeit und der Geschädigten an der Strafver­fol­gung ger­ing sind (E. 2.3).

Selb­st wenn sich die Tatschwere im Rah­men von Art. 53 lit. a aStGB hält und volle Wiedergut­machung geleis­tet wurde, führt dies aber nicht zwin­gend zum Ent­fall­en des öffentlichen Inter­ess­es an der Strafver­fol­gung. Zu beurteilen bleibt, ob die Ver­hän­gung ein­er Strafe unter spezial- oder gen­er­al­präven­tiv­en Gesicht­spunk­ten notwendig erscheint. Aus Sicht der pos­i­tiv­en Gen­er­al­präven­tion kann das Ver­trauen der All­ge­mein­heit in das Recht gestärkt wer­den, wenn fest­gestellt wird, dass auch der Täter den Norm­bruch anerken­nt und sich bemüht, den Rechts­frieden wieder­herzustellen. Spezial­präven­tive Über­legun­gen sind bere­its beim Entscheid über den bed­ingten Strafvol­lzug zu berücksichtigen.

Da die Gewährung des Strafauf­schubs eine Voraus­set­zung der Wiedergut­machung ist, spielt dies bei der Beurteilung des öffentlichen Inter­ess­es nach Art. 53 aStGB nur eine unter­ge­ord­nete Rolle. Bei der Beurteilung der öffentlichen Strafver­fol­gungsin­ter­essen war im konkreten Fall ins­beson­dere auch nach den geschützten Rechts­gütern zu unter­schei­den. Bei Straftat­en gegen indi­vidu­elle Inter­essen und einem Ver­let­zten, der die Wiedergut­machungsleis­tung akzep­tiert, wird häu­fig auch das öffentliche Inter­esse an der Strafver­fol­gung ent­fall­en. Bei Straftat­en gegen öffentliche Inter­essen ist aber auch zu beurteilen, ob sich unter Gesicht­spunk­ten des Schul­daus­gle­ichs und der Präven­tion (trotz Wiedergut­machung) weit­ere strafrechtliche Reak­tio­nen auf­drän­gen (E. 2.3).

Nach Ansicht des Bun­des­gerichts ver­let­zte die Vorin­stanz kein Bun­desrecht, indem sie vor­liegend von ein­er Straf­be­freiung im Sinne von Art. 53 aStGB absah. Sie erwägte zutr­e­f­fend, dass ein öffentlich­es Inter­esse daran beste­ht, dass sich Polizis­ten in Ausübung des Gewalt­monopols regelkon­form ver­hal­ten. Hinzu kommt, dass der Beschw­erde­führer den ihm vorge­wor­fe­nen Norm­bruch nicht anerkan­nt hat, was gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung Voraus­set­zung für eine Anwen­dung von Art. 53 aStGB wäre (vgl. BGE 136 IV 41 E. 1.2.1; vgl. Art. 53 lit. c StGB). Auf­grund dessen war auch nicht zu bean­standen, dass die Vorin­stanz trotz Desin­ter­esseerk­lärung des Ange­hal­te­nen und der Möglichkeit der Aus­fäl­lung ein­er bed­ingten Strafe die Voraus­set­zun­gen für eine Straf­be­freiung als nicht gegeben erachtete (E. 2.4).