1B_447/2021: Beschränkung des Verteidigerverkehrs bei Haft

Im Urteil 1B_447/2021 vom 25. Jan­u­ar 2022 hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde eines Häftlings gut, der die Beschränkung der Kom­mu­nika­tion mit sein­er amtlichen Vertei­di­gerin rügte. Die Staat­san­waltschaft hat­te der Vertei­di­gerin vor­läu­fig die Besuchs­be­wil­li­gung im Unter­suchungs­ge­fäng­nis ent­zo­gen und eine (ober­fläch­liche) Kon­trolle der Anwalt­spost ange­ord­net, nach­dem die Vertei­di­gerin einen Brief des Beschuldigten an sich genom­men und an einen polizeilichen Sach­bear­beit­er weit­ergeleit­et hat­te. Das Zwangs­mass­nah­men­gericht hat­te daraufhin die beantragte Beschränkung des freien Vertei­di­gerverkehrs für eine Dauer von sechs Monat­en genehmigt und ver­fügt, dass die Kom­mu­nika­tion in dieser Zeit nur in einem Besucher­raum mit Trennscheibe stat­tfind­en dürfe.

Die Staat­san­waltschaft kann im Vorver­fahren Zwangs­mass­nah­men erlassen (Art. 198 Abs. 1 lit. a StPO). Den straf­prozes­sualen Haftvol­lzug betr­e­f­fend ist sie dabei an die Vorschriften von Art. 197 StPO und Art. 235 StPO gebun­den. Die inhaftierte Per­son kann mit der Vertei­di­gung grund­sät­zlich frei und ohne inhaltliche Kon­trolle verkehren. Beste­ht begrün­de­ter Ver­dacht auf Miss­brauch, so kann die Ver­fahrensleitung mit Genehmi­gung des Zwangs­mass­nah­men­gerichts den freien Verkehr befris­tet ein­schränken, wobei sie dies der inhaftierten Per­son und der Vertei­di­gung vorgängig zu eröff­nen hat (Art. 235 Abs. 4 StPO). Zum weit­eren Rechtss­chutz gegen Vol­lzugsmodal­itäten der Unter­suchungs- und Sicher­heit­shaft regeln gemäss Art. 235 Abs. 5 StPO die Kan­tone die Rechte und Pflicht­en der inhaftierten Per­so­n­en, ihre Beschw­erdemöglichkeit­en, die Diszi­pli­n­ar­mass­nah­men sowie die Auf­sicht über die Haf­tanstal­ten (vgl. Art. 121 ff. JVV/ZH; E. 1.1 und E. 1.2).

Die inhaftierte Per­son darf in ihrer per­sön­lichen Frei­heit nicht stärk­er eingeschränkt wer­den, als es der Haftzweck sowie die Ord­nung und Sicher­heit in der Haf­tanstalt erfordern (Art. 235 Abs. 1 StPO; Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO). Die Kon­tak­te zwis­chen der inhaftierten Per­son und anderen Per­so­n­en bedür­fen der Bewil­li­gung der Ver­fahrensleitung. Besuche find­en wenn nötig unter Auf­sicht statt (Art. 235 Abs. 2 StPO). Die Ver­fahrensleitung kon­trol­liert die ein- und aus­ge­hende Post, mit Aus­nahme der Kor­re­spon­denz mit Auf­sichts- und Straf­be­hör­den. Während der Sicher­heit­shaft kann sie diese Auf­gabe der Staat­san­waltschaft über­tra­gen (Art. 235 Abs. 3 StPO; E. 2.1).

Vor­liegend war es der amtlichen Vertei­di­gerin gemäss Bun­des­gericht unbenom­men, Doku­mente des inhaftierten Beschuldigten ent­ge­gen­zunehmen. Auch die postal­is­che Weit­er­leitung des Briefes des Häftlings könne nicht als miss­bräuch­liche Umge­hung der Briefkon­trolle gew­ertet wer­den. Nach dem klaren Wort­laut des Geset­zes hat die Ver­fahrensleitung die Kor­re­spon­denz des inhaftierten Beschuldigten mit Auf­sichts- und Straf­be­hör­den kein­er Briefkon­trolle zu unterziehen (Art. 235 Abs. 3 StPO), dazu gehört auch die Polizei (Art. 12 lit. a StPO). Die kan­tonalen Instanzen legten denn auch nicht dar, inwiefern in irgend ein­er Weise eine Kol­lu­sion­s­ge­fahr zwis­chen dem Beschw­erde­führer und dem polizeilichen Sach­bear­beit­er der Kan­ton­spolizei Zürich bestanden hätte. Ein Miss­brauch des freien Vertei­di­gerverkehrs im Sinne des Geset­zes war somit nicht ersichtlich (E. 2.4). In diesem Sinne hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde des Häftlings gut (E. 3).