1C_556/2020: Kataster der belasteten Standorte / Unterscheidung zwischen Ablagerung und Verwertung (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 25. Novem­ber 2021 befasste sich das BGer mit einem Grund­stück in der Solothur­nischen Gemeinde Biberist, auf welchem schad­stoff­be­lastetes Mate­r­i­al im Unter­grund gefun­den wurde. Die A. AG erwarb dieses Grund­stück vom Kan­ton Solothurn. Der Kaufver­trag enthielt fol­gende Bestimmung:

Die Verkauf­s­partei sichert zu, dass die Liegen­schaft nicht im Kataster der belasteten Stan­dorte aufge­führt ist und kein Ein­trag im Ver­dachts­flächenkataster beste­ht. Weit­er sichert die Verkauf­s­partei zu, dass ihr keine Belas­tun­gen an Boden und Gebäu­den bekan­nt sind, mit Aus­nahme der im Bode­nun­ter­suchungs­bericht der Sol­Geo vom 21. Mai 2015 erwäh­n­ten schwachen Boden­be­las­tun­gen. Falls wider Erwarten den­noch weit­ere Boden­be­las­tun­gen im Sinne der Alt­las­ten­verord­nung (AltlV) oder der Verord­nung über Belas­tun­gen des Bodens (VBBo) aufge­fun­den wer­den, so verpflichtet sich die Verkauf­s­partei, für sämtliche Sanierungskosten (namentlich Kosten für die fachgerechte Entsorgung, Trans­port, Unter­suchung etc.) aufzukom­men, die notwendig sind, um einen Reg­is­tere­in­trag zu verhindern.

Die A. AG stellte sich auf den Stand­punkt, dass ein Ein­trag im Kataster der belasteten Stan­dorte (KbS) nötig sei, wenn das Mate­r­i­al vor Ort belassen werde. In der Folge ersuchte die A. AG das kan­tonale Bau- und Jus­tizde­parte­ment (BJD) um Erlass ein­er Fest­stel­lungsver­fü­gung fol­gen­den Inhalts:

Es sei festzustellen, dass die im Rah­men der Bauar­beit­en auf GB Biberist Nr. 3940 aufge­fun­de­nen Belas­tun­gen im Unter­grund […] als belasteter Stan­dort bzw. als mehrere belastete Stan­dorte im Sinne von Art. 2 AltlV zu qual­i­fizieren sind, die gemäss Art. 5 Abs. 3 AltlV im Kataster der belasteten Stan­dorte einzu­tra­gen sind.

Das BJD wies das Gesuch der A. AG ab und stellte fest, dass sich auf dem betrof­fe­nen Grund­stück wed­er vor noch nach der Real­isierung des Bau­vorhabens der A. AG ein belasteter Stan­dort im Sinne von Art. 32c USG (Umweltschutzge­setz; SR 814.01) und Art. 2 Abs. 1 AltlV (Alt­las­ten-Verord­nung; SR 814.680) befun­den habe bzw. befinde. Dage­gen gelangte die A. AG zunächst erfol­g­los an das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Solothurn und dann an das Bun­des­gericht, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Solothurn verneinte das Vor­liegen eines Ablagerungs­stan­dorts i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. a AltlV. Zum einen sei das Mate­r­i­al nicht zur Entsorgung abge­lagert, son­dern als Baustoff für die Auf­fül­lun­gen ver­wen­det bzw. ver­w­ertet wor­den. Zum anderen liege die alt­las­ten­rechtlich rel­e­vante Belas­tung des vorge­fun­de­nen Mate­ri­als im Bagatellbereich.

Zur Unter­schei­dung von Ablagerung und Ver­w­er­tung schreibt das BGer mit Ver­weis auf die VVEA (Abfal­lverord­nung; SR 814.600) folgendes:

Art. 19 VVEA liegt ein weit­er Ver­w­er­tungs­be­griff zugrunde: Als Ver­w­er­tung wird jede Ver­wen­dung als Baustoff, namentlich zur Auf­schüt­tung und Ver­fes­ti­gung, beze­ich­net, ohne Rück­sicht auf den für den Abfallinhab­er im Vorder­grund ste­hen­den Zweck oder das Vorhan­den­sein oder Fehlen spez­i­fis­ch­er Mate­ri­aleigen­schaften; als Ablagerung gilt nur noch die Entsorgung in ein­er Deponie. […]. Bei Auf­fül­lun­gen im Unter­grund muss mass­ge­blich sein, ob die Ver­wen­dung des Mate­ri­als aus heutiger Sicht zuläs­sig wäre […]. Das ist bei Auf­fül­lun­gen mit unver­schmutztem (gemäss Anhang 3 Ziff. 1 VVEA; sog. A‑Material) und schwach ver­schmutztem Mate­r­i­al (gemäss Anhang 3 Ziff. 2 VVEA; sog. T‑Material) grund­sät­zlich der Fall. Dies­falls han­delt es sich nicht um einen Ablagerungs­stan­dort, weshalb auch kein Ein­trag im KbS vorzunehmen ist. […]. Anders ver­hält es sich dage­gen, wenn Anhalt­spunk­te dafür vor­liegen, dass die Auf­fül­lun­gen stärk­er ver­schmutztes Mate­r­i­al enthal­ten, denn Let­zteres unter­liegt gemäss Art. 19 Abs. 3 VVEA einem grund­sät­zlichen Ver­w­er­tungsver­bot. Dies­falls liegt keine (umweltverträgliche) Ver­w­er­tung i.S.v. Art. 30 Abs. 2 und 3 USG vor, mit der Folge, dass es sich um einen Ablagerungs­stan­dort im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a AltlV han­delt. Dies hat grund­sät­zlich einen Ein­trag im KbS zur Folge (vor­be­hältlich Bagatellfälle). (Erw. 4.5.)

Das BGer kommt zum Schluss, dass Aushub­ma­te­r­i­al im Umfang von 132 m³ vorhan­den sei, welchem E‑Ma­te­r­i­al-Qual­ität (stark ver­schmutztes Mate­r­i­al) zukomme. Bei ein­er Auf­fül­lung mit solchem Mate­r­i­al sei wegen des starken Ver­schmutzungs­grads von einem Ablagerungs­stan­dort auszuge­hen, weshalb ein KbS-Ein­trag vor Auf­nahme der Bauar­beit­en erforder­lich gewe­sen wäre. Sodann sei B‑Material (schwach ver­schmutztes Mate­r­i­al) vorhan­den. Das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Solothurn hätte prüfen müssen, ob die Menge an B‑Material den Rah­men eines Bagatell­falls in alt­las­ten­rechtlich­er Hin­sicht sprenge und deshalb als Ablagerung zu betra­cht­en sei. Die vorin­stan­zliche Sachver­halts­fest­stel­lung erweise sich in diesem Zusam­men­hang als entschei­der­he­blich unvoll­ständig. Das BGer heisst die Beschw­erde fol­glich gut und weist die Angele­gen­heit zur Neubeurteilung an das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Solothurn zurück.