5A_491/2021: Vorgemerkte Verfügungsbeschränkung im Widerspruchsverfahren/Arrest (amtl. Publ., FR)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Urteil 5A_491/2021 vom 2. Februar 2022 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob und inwiefern eine im Grundbuch vorgemerkte Verfügungsbeschränkung im Widerspruchsverfahren, welches nach der Verarrestierung des in Frage stehenden Grundstücks eingeleitet wurde, zu berücksichtigen ist. Das Bundesgericht bestätigte, dass die vor dem Arrestbefehl vorgemerkte Verfügungsbeschränkung Wir­kung gegenüber jedem später erworbenen Rechte (Art. 960 Abs. 2 ZGB) zeitigt und folglich der Verarrestierung und Pfändung des Grundstücks entgegensteht.


Diesem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Am 19. Juli 1996 erwarb C ein Grund­stück für B (i.S. eines fiduziarischen Eigen­tum­ser­werbs). Mit Schreiben vom 31. Jan­u­ar 2008 forderte B C auf, ihr das Eigen­tum am Grund­stück zu über­tra­gen. Da C dieser Auf­forderung keine Folge leis­tete, leit­ete B eine Fest­stel­lungsklage gegen C in Genf ein um ver­langte u.a. i.S. ein­er (super)provisorischen Mass­nahme, eine Ver­fü­gungs­beschränkung im Grund­buch vorzumerken. Mit Ver­fü­gung vom 15. Okto­ber 2010 ord­nete das Gen­fer Gericht die Vormerkung der Ver­fü­gungs­beschränkung an, welche in der Folge am 18. Okto­ber 2010 im Grund­buch einge­tra­gen wurde.

Am 5. Juni 2012 stellte A Ltd ein Arrest­ge­such gegen C und ver­langte u.a. die Ver­ar­restierung des in Frage ste­hen­den Grund­stücks. Der Arrest­be­fehl wurde am sel­ben Tag erlassen und im Grund­buch entsprechend vorgemerkt.

Daraufhin teilte B dem Betrei­bungsamt mit, dass sie das Eigen­tum über das Grund­stück beanspruche und leit­ete mit Klage vom 20. Sep­tem­ber 2012 das Wider­spruchsver­fahren gegen C und A Ltd ein.

Mit Pfän­dung­surkunde vom 10. Jan­u­ar 2013 wurde der Arrest in eine defin­i­tive Pfän­dung umge­wan­delt, mit dem Ver­merk, dass B ein Wider­spruchsver­fahren nach Art. 107 SchKG ein­geleit­et hatte.

Mit Urteil vom 27. Mai 2015 verpflichtete das Gen­fer Gericht (im Hauptver­fahren zwis­chen B und C) C, seine Pflicht zur Über­tra­gung des Eigen­tums am Grund­stück zu erfüllen und hob infolgedessen die ange­ord­nete Ver­fü­gungs­beschränkung auf. Dage­gen erhob C Beru­fung vor dem Gen­fer Oberg­ericht und Beschw­erde vor Bun­des­gericht; bei­de Rechtsmit­tel wur­den abgewiesen. Die Eigen­tum­süber­tra­gung an B wurde in der Folge am 8. Feb­ru­ar 2017 im Grund­buch eingetragen.

Mit Urteil vom 7. Sep­tem­ber 2020 wies das Gen­fer erstin­stan­zliche Gericht die Wider­spruch­sklage von B ab und erwog, dass C im Zeit­punkt des Arrest­be­fehls als Eigen­tümer des Grund­stücks im Grund­buch einge­tra­gen gewe­sen sei und dass B erst nach dem Erlass des Arrest­be­fehls Eigen­tümerin gewor­den sei.

Mit Urteil vom 11. Mai 2021 hiess das Gen­fer Oberg­ericht die dage­gen erhobene Beru­fung teil­weise gut, hob den Entscheid des erstin­stan­zlichen Gerichts teil­weise auf und hiess die Wider­spruch­sklage hin­sichtlich des Grund­stücks gut, sodass das Grund­stück nicht zugun­sten der Gläu­biger von C gepfän­det wer­den durfte.

Mit Urteil vom 2. Feb­ru­ar 2022 wies das Bun­des­gericht die dage­gen erhobene Beschw­erde von der A Ltd ab, soweit es darauf eintrat.


Rügen der Gläubigerin

Vor Bun­des­gericht machte A Ltd u.a. gel­tend, dass die Vorin­stanz Art. 961 Abs. 2 ZGB ver­let­zt habe, indem sie zum Schluss kam, dass B ab dem Datum der Vormerkung der Ver­fü­gungs­beschränkung im Grund­buch als Eigen­tümerin des Grund­stücks zu betra­cht­en ist. Nach Ansicht der A Ltd sei die Vormerkung der Ver­fü­gungs­beschränkung nach Art. 960 ZGB zu beurteilen, weshalb Art. 961 Abs. 2 ZGB vor­liegend nicht anwend­bar sei.

Sodann machte die A Ltd vor Bun­des­gericht gel­tend, dass die Vorin­stanz Art. 106 SchKG ver­let­zt habe, indem sie erwog, dass die Vormerkung der Ver­fü­gungs­beschränkung  den Zwangsvoll­streck­ungs­mass­nah­men vorgeht.


Wirkun­gen der vorge­merk­ten Ver­fü­gungs­beschränkung in der Zwangsvollstreckung

Das Bun­des­gericht set­zte sich mit den Wirkun­gen der vorge­merk­ten Ver­fü­gungs­beschränkung auseinan­der (E. 5.2):

Die Vormerkung ein­er Ver­fü­gungs­beschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB dient der Erhal­tung von strit­ti­gen Recht­en oder voll­streck­baren Ansprüchen. Unter Ansprüchen im Sinne dieser Bes­tim­mung sind solche zwin­gen­der Natur zu ver­ste­hen, die sich auf das Grund­stück selb­st beziehen und bei endgültiger Anerken­nung Auswirkun­gen auf das Grund­buch haben. Dies ist beispiel­sweise der Fall bei dem ver­traglichen Anspruch des Käufers auf Über­tra­gung des Eigen­tums an dem von ihm gekauften Grund­stück oder, wie im vor­liegen­den Fall, bei dem Anspruch des Treuge­bers auf Rück­gabe oder Anerken­nung seines Eigen­tum­srechts an einem Grund­stück gegen den Treuhän­der. Nach Art. 960 Abs. 2 ZGB bewirkt die Vormerkung der Ver­fü­gungs­beschränkung im Grund­buch, dass der geschützte Anspruch allen später erwor­be­nen Recht­en an dem Grund­stück ent­ge­genge­hal­ten wer­den kann. Diese Wirkung tritt nicht nur gegenüber nachträglich durch Rechts­geschäfte begrün­de­ten Recht­en ein, son­dern auch gegenüber ein­er zwangsvoll­streck­ungsrechtlichen Beschlagnahme, die erst später im Rah­men eines Zwangsvoll­streck­ungsver­fahrens ange­ord­net wird.

Der Anspruch auf Ver­tragser­fül­lung ist somit geschützt, wenn eine Ver­fü­gungs­beschränkung vor dem Konkurs des Schuld­ners bzw. vor dem Vol­lzug ein­er Pfän­dung oder eines Arrests an einem ihm gehören­den Grund­stück im Grund­buch rechts­gültig vorge­merkt wurde. So kann der Vormerkungs­berechtigte von der Konkursver­wal­tung oder den Pfän­dungs­gläu­bigern die Erfül­lung seines Anspruchs ver­lan­gen, denn sein vor­rangiges Recht kön­nte dem Ersteiger­er in der Zwangsver­w­er­tung ent­ge­genge­hal­ten wer­den. Die im Grund­buch vorge­merk­te Ver­fü­gungs­beschränkung ist gegenüber der Konkurs­masse wirk­sam und das Grund­stück unter­liegt fol­glich nicht mehr dem Konkurs, der Pfän­dung oder dem Arrest.

Da die Ver­fü­gungs­beschränkung vor dem Erlass des Arrest­be­fehls im Grund­buch vorge­merkt wurde und das Gericht in der Haupt­sache den Anspruch von B anerkan­nt hat­te, kam die Vorin­stanz zum zutr­e­f­fend­en Schluss, dass die Wider­spruch­sklage von B gut­ge­heis­sen wer­den musste (E. 5.3).

Das Bun­des­gericht liess die Frage offen, wann der Eigen­tum­ser­werb effek­tiv stat­tfand (im Zeit­punkt der Vormerkung im Grund­buch im Jahr 2010 oder erst im Zeit­punkt der Ein­tra­gung im Grund­buch im Jahr 2017), da sie vor­liegend für den Ver­fahren­saus­gang irrel­e­vant war (E. 5.3):

La ques­tion de savoir si l’ac­qui­si­tion du droit de pro­priété de l’in­timée remonte effec­tive­ment au moment de l’an­no­ta­tion en 2010, comme l’a relevé la cour can­tonale, ou si ce droit prend effet postérieure­ment, à la date du juge­ment de recon­nais­sance passé en force ou à la date de l’in­scrip­tion de l’in­timée au jour­nal, n’est en soi pas déter­mi­nante. Seul l’est le fait qu’en ver­tu de l’art. 960 al. 1 ch. 1 CC — et de la même manière que si l’ac­qui­si­tion du droit de pro­priété remon­tait au jour de la restric­tion du pou­voir de dis­pos­er (…) — l’an­no­ta­tion a per­mis de garan­tir la pré­ten­tion de l’in­timée en recon­nais­sance de son droit de pro­priété et de ren­dre oppos­able ce droit à la recourante une fois celui-ci reconnu.”