9C_356/2021: Covid-19 Erwerbsersatz; arbeitgeberähnliche Stellung (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 9C_356/2021 vom 10. Mai 2022 bestätigte das Bun­des­gericht ein Urteil des Kan­ton­s­gerichts Luzern auf Abweisung des Anspruchs auf Coro­na-Erwerb­ser­satz eines Direk­tors und einzi­gen Ver­wal­tungsratsmit­glieds ein­er Even­tor­gan­i­sa­tion­sun­ternehmung (Beschw­erde­führerin).

Beantragt wor­den sei der Coro­na-Erwerb­ser­satz am 20. Juli 2020 für die Zeit ab dem 1. Juni 2020, wom­it die (zum Teil rück­wirk­end in Kraft geset­zten) Covid-19-Mass­nah­men mit Stand am 6. Juli 2020 anwend­bar seien (E. 1.2). In Bezug auf die im Betrieb mitar­bei­t­ende Ehe­frau des Direk­tors hat­te das kan­tonale Gericht den Anspruch auf Coro­na-Erwerb­ser­satz im ange­focht­e­nen Urteil nicht geprüft, woge­gen nicht ansatzweise Rechtsver­let­zung vorge­bracht wor­den sei. Mithin falle der dies­bezügliche Anspruch auch nicht in den gerichtlichen Prü­fungszeitraum, weshalb die Beschw­erde dies­bezüglich zum vorn­here­in unzuläs­sig sei (E. 1.3).

In Bezug auf den Direk­tor prüfte das Bun­des­gericht zunächst die Beschw­erdele­git­i­ma­tion der Beschw­erde­führerin als Arbeit­ge­berin. Die Anmelde- und Beschw­erde­befug­nis der Arbeit­ge­berin ergebe sich vor­liegend in erster Lin­ie aus Art. 7 Abs. 2 Covid-19-Verord­nung Erwerb­saus­fall i.V.m. Art. 19 Abs. 2 ATSG. Diese Rechts­grund­lage sei jedoch, so das Bun­des­gericht, nicht auf die vor­liegend inter­essierende Kon­stel­la­tion zugeschnit­ten, wo eine Lohnein­busse Anspruchsvo­raus­set­zung sei. Somit sei die Arbeit­ge­berin zwar bei ein­er Lohn­fortzahlung anmelde- und beschw­erde­berechtigt, gle­ichzeit­ig sei aber eine Anspruchsvo­raus­set­zung nicht erfüllt. Ob die Arbeit­ge­berin aus einem anderen Grund (bspw. auf­grund der beson­deren Nähe zwis­chen ihr und dem Angestell­ten in arbeit­ge­berähn­liche Stel­lung oder dessen Anspruch auf Lohn­nachzahlung) ein eigenes schutzwürdi­ges Inter­esse gel­tend machen könne, liess das Bun­des­gericht angesichts des Ver­fahren­saus­gangs (Beschw­erde­ab­weisung resp. Nichtein­treten) offen (E. 1.4.3).

Gemäss Bun­des­gericht ste­he fest, dass dem Direk­tor als Per­son in arbeit­ge­berähn­lich­er Stel­lung grund­sät­zlich anspruchs­berechtigte Per­son für den gel­tend gemacht­en Erwerb­saus­fall im rel­e­van­ten Zeitraum sei und mithin die Beschw­erde­führerin tat­säch­lich (mind. teil­weise) von einem Ver­anstal­tungsver­bot tang­iert gewe­sen sei. Strit­tig sei hinge­gen, so das Bun­des­gericht, ob der Direk­tor die Einkom­mensvo­raus­set­zun­gen gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verord­nung Erwerb­saus­fall erfülle (E. 3.1).

Selb­ständi­ger­wer­bende hät­ten Anspruch auf Coro­na-Erwerb­ser­satz, wenn sie auf­grund der bun­desrätlichen Mass­nah­men einen Erwerb­saus­fall erlei­den und ihr mass­ge­blich­er AHV-Lohn für das Jahr 2019 zwis­chen CHF 10’000 und CHF 90’000 liege. Bei später­er Auf­nahme der Erwerb­stätigkeit werde gemäss Konkretisierung in Rz. 1069.2 KS CE auf das erste Quar­tal 2020 abgestützt (E. 3.2).

In Bezug auf das Jahr 2019 habe die Beschw­erde­führerin vorge­bracht, dass sie dem Direk­tor keinen Lohn aus­gerichtet habe. Dem­nach habe die Vorin­stanz für die Prü­fung des Erwerb­saus­falls richtiger­weise auf das mass­geben­des Einkom­men im ersten Quar­tal des Jahres 2020 abstellen dür­fen (E. 5.1). Das aus Ver­wal­tungsrats­man­dat­en mit anderen Gesellschaften erzielte Einkom­men sei indessen unbeachtlich, soweit die neue Behaup­tung über­haupt zuläs­sig sei (E. 5.2).

Das Bun­des­gerich erwog, dass für einen Anspruch auf Erwerb­ser­satz während der Dauer der Coro­na­mass­nah­men gemäss Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verord­nung Erwerb­saus­fall zwei Voraus­set­zun­gen erfüllt sein müssten: Das frühere Jahre­seinkom­men müsse zwis­chen CHF 10’000.- und 90’000.- gele­gen haben und es müsse im Ver­gle­ich zu dieser Aus­gangs­grösse ein Erwerbs- resp. Lohnaus­fall vor­liegen. Dies stelle die Beschw­erde­führerin auch nicht in Abrede; sie argu­men­tiere aber sin­ngemäss, dass der Erwerbs- resp. Lohnaus­fall mit der bei ihr selb­st einge­trete­nen Umsatzein­busse gle­ichzuset­zen sei (E. 5.3.2).

In Ausle­gung von Art. 2 Abs. 3bis Covid-19-Verord­nung Erwerb­saus­fall beziehe sich der Begriff “Erwerb­saus­fall” auf die Erwerb­stätigkeit von natür­lichen Per­so­n­en. Für die Schwellen­werte des früheren Einkom­mens von CHF 10’000.- resp. 90’000.- sei das Einkom­men gestützt auf das für die AHV-Beiträge mass­gebende Einkom­men der natür­lichen Per­son entschei­dend. Auf dieses beziehe sich auch die zweite Einkom­mensvo­raus­set­zung des Erwerbs- bzw. Lohnaus­falls, weshalb sie auf der gle­ichen Grund­lage zu bemessen sei (E. 5.3.4.1).

Ein Erwerb­saus­fall von Selb­st­ständi­ger­wer­ben­den entspreche dabei einem Lohnaus­fall bei unselb­st­ständi­gem Erwerb. Der Erwerb­saus­fall eines Selb­st­ständi­ger­wer­ben­den könne aber nicht mit dem Umsatzrück­gang auf Unternehmensebene gle­ichge­set­zt wer­den, auch wenn ein solch­er oft zu einem Gewin­nrück­gang und insoweit zu einem Erwerb­saus­fall führe. Bei Ver­sicherten in arbeit­ge­berähn­lich­er Stel­lung könne sich die bei ihrer Arbeit­ge­berin einge­tretene Umsatzein­busse zwar regelmäs­sig auf deren Betrieb­ser­folg auswirken, habe aber indessen nicht zwin­gend einen Lohnaus­fall bei der ver­sicherten Per­son zur Folge (E. 5.3.4.2).

In Bezug auf den vor­liegend strit­ti­gen Anspruch auf Erwerb­saus­fall sei, so das Bun­des­gericht, allein die ver­sicherte Per­son anspruchs­berechtigt. Die Arbeit­ge­berin werde wed­er auf­grund ihres allfäl­li­gen Auszahlungsanspruchs noch wegen ihrer prozes­sualen Rolle als Beschw­erde­führerin zur Anspruchs­berechtigten. Mit der Ein­führung der Regelung von Art. 2 Abs. 3ter Covid-19-Verord­nung Erwerb­saus­fall sei eine Besser­stel­lung von Fir­menchefs, die sich in der gle­ichen Sit­u­a­tion wie Selb­st­ständi­ger­wer­bende befind­en wür­den, beab­sichtigt worden.

Eine kon­se­quente Gle­ich­stel­lung von Arbeit­nehmenden in arbeit­ge­berähn­lich­er Stel­lung mit Selb­st­ständi­ger­wer­ben­den würde zwar bedeuten, dass bei Ersteren für die Einkom­mensvo­raus­set­zun­gen neben dem Lohn auch der Erfolg der Arbeit­ge­berin (resp. des betrof­fe­nen Betriebs) mitein­be­zo­gen wer­den müsste, soweit die ver­sicherte Per­son daran finanziell beteiligt ist. Indessen sei aber kein Anhalt­spunkt dafür ersichtlich, dass der Verord­nungs­ge­ber für den Coro­na-Erwerb­ser­satz etwas anderes als das für die Bemes­sung der Beiträge der AHV mass­gebende Einkom­men habe berück­sichti­gen wollen.

Der vor­liegend in Frage ste­hende Coro­na-Erwerb­ser­satz bezwecke nicht die Abfederung des Umsatz- oder Gewin­nrück­gangs eines Betriebs, son­dern den (weit­ge­hen­den) Aus­gle­ich des einge­trete­nen Erwerbs- resp. Lohnaus­falls bei der ver­sicherten Per­son. Die Beschw­erde­führerin könne eine direk­te Leis­tung für sich selb­st somit nicht im Rah­men des Coro­na-Erwerb­ser­satzes erre­ichen. Zur direk­ten Unter­stützung von Unternehmen hät­ten Bund und Kan­tone andere Mass­nah­men vorge­se­hen (E. 5.3.4.4). Bei ein­er ver­sicherten Per­son in arbeit­ge­berähn­lich­er Stel­lung sei mithin entschei­dend, ob sie selb­st einen Lohnaus­fall erlit­ten habe. Der Anspruch auf Coro­na-Erwerb­ser­satz des Arbeit­nehmers sei sub­sidiär zur Lohn­fortzahlung durch die Arbeit­ge­berin (E. 5.3.5).

Betra­chte man die blosse Ver­buchung des Lohnes hin­sichtlich der Einkom­men­vo­raus­set­zun­gen als ungenü­gend, sei gemäss Bun­des­gericht vor­liegend bere­its die erste Einkom­mensvo­raus­set­zung eines Jahre­seinkom­mens zwis­chen CHF 10’000.- und 90’000.- nicht erfüllt und der Anspruch auf Coro­na-Erwerb­ser­satz ohne Weit­eres aus­geschlossen. Werde hinge­gen die blosse Lohn­ver­buchung als genü­gend betra­chtet, sei zwar die erste, nicht aber die zweite Einkom­mensvo­raus­set­zung des tat­säch­lichen Erwerbs- resp. Lohnaus­falls der natür­lichen Per­son erfüllt. Somit ent­falle der gel­tend gemachte Anspruch man­gels eines Lohnaus­falls auch in diesem Fall, weshalb das Bun­des­gericht die Beschw­erde als unbe­grün­det abwies (E. 5.3.6).