4A_611/2018: Berufsunfall; Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Bei Reini­gungsar­beit­en in einem Stahlw­erk der B. AG (Arbeit­ge­berin und Beschw­erdegeg­ner­in) ereignete sich ein Arbeit­sun­fall, bei dem der Arbeit­nehmer A. (Beschw­erde­führer) von einem an einem Kran hän­gen­den Schienen­stück am Oberkör­p­er und im Gesicht getrof­fen wurde.

A. erhob Teilk­lage auf Schaden­er­satz für Erwerb­saus­fall. Die kan­tonalen Vorin­stanzen wiesen die Klage ab. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab (Urteil 4A_611/2018 vom 5. Juni 2019).

Im Kern hat­te das Bun­des­gericht zu beurteilen, ob die Arbeit­ge­berin ihre Für­sorgepflicht gemäss Art. 328 OR ver­let­zt hat­te. Das Bun­des­gericht hielt dazu ins­beson­dere fest, dass die Arbeit­ge­berin nach Art. 328 Abs. 1 OR die erforder­lichen und geeigneten Mass­nah­men zum Schutz vor Beruf­sun­fällen zu tre­f­fen habe. Dabei seien alle konkreten Schutzvorschriften des Arbeits- und des Unfal­lver­sicherungs­ge­set­zes von der Arbeit­ge­berin einzuhal­ten (E. 3.2.1). Die Für­sorgepflicht der Arbeit­ge­berin umfasse danach die Ver­hü­tung von Unfällen, welche nicht auf ein unvorherse­hbares Ver­hal­ten bzw. auf schw­eres Ver­schulden des geschädigten Arbeit­nehmers zurück­zuführen seien (E. 3.2.3).

Das Bun­des­gericht schützte im Ergeb­nis die Beweiswürdi­gung der Vorin­stanz (E. 3.4. und 3.5). Die erste Instanz hat­te unter anderem erwogen, der Unfall habe sich bei einem Arbeitss­chritt ereignet, dessen Ablauf nicht beson­ders kom­plex gewe­sen sei. Die Mitar­beit­er seien im Umgang mit Kra­nen geschult und die SUVA-Richtlin­ien seien ihnen bekan­nt gewe­sen. Der Arbeit­nehmer sel­ber sei für die Arbeit mit Kra­nen bestens qual­i­fiziert gewe­sen. Er habe ins­beson­dere gewusst, dass man sich nicht unter ange­hobe­nen Las­ten aufhal­ten dürfe, son­dern aus dem Gefahren­bere­ich zu gehen habe. Einzige Unfal­lur­sache sei gewe­sen, dass sich der Arbeit­nehmer – aus welchen Grün­den auch immer – im Gefahren­bere­ich aufge­hal­ten habe, als sich das Schienen­stück aus ein­er Verklem­mung gelöst habe. Unter den konkreten Umstän­den nah­men die Gerichte an, dass sich der Arbeit­nehmer entwed­er grob­fahrläs­sig nicht aus dem Gefahren­bere­ich begeben habe oder dass er, nach­dem er den Gefahren­bere­ich ver­lassen habe, sich wieder der Schiene genähert habe, um die Verklem­mung zu lösen. Bei­des könne nicht der Arbeit­ge­berin ange­lastet wer­den (zum Ganzen E. 3.1.2).

Bezüglich Instruk­tion und Kon­trolle der Arbeit­nehmer erwog das Bun­des­gericht weit­er, dass daran weniger strenge Massstäbe anzule­gen seien, wenn der Arbeit­nehmer im betr­e­f­fend­en Beruf voll aus­ge­bildet und erfahren sei (E. 3.3.4). Die Vorin­stanz habe zu Recht aus­ge­führt, dass die Instruk­tion, sich nicht im Gefahren­bere­ich aufzuhal­ten, nicht zwin­gend vom aktuellen Betrieb aus­ge­hen müsse. Der Arbeit­nehmer musste bere­its auf­grund sein­er bish­eri­gen Beruf­ser­fahrung wis­sen, dass er sich nicht im Gefahren­bere­ich aufhal­ten durfte, sobald eine Last am Kran angeschla­gen war (zum Ganzen E. 3.3.2).